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Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 37)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 37)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 37)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Kerstin van Wyk, stories, Jackson Kaujeua, Missionarin ohne Heiligenschein, WAZon

Umbrüche

Ich plane eine größere Geburtstagsfeier. Schließlich gibt es mehrere gute Gründe, eine Party steigen zu lassen. Ich freue mich auf den Abend mit unseren Freunden. Ich möchte selber etwas Leckeres kochen und fahre, gemeinsam mit Johan, in die Stadt zum Einkaufen. Johan hat schlechte Laune und nörgelt herum. Seine Stimmung wird von Minute zu Minute schlechter. Auf so eine üble Laune habe ich an meinem Geburtstag keine Lust. Ich kann auch alleine Einkaufen. Als ich ihm das anbiete, wird er plötzlich aggressiv und wie aus heiterem Himmel schlägt er plötzlich auf mich ein. Nicht schon wieder! Ich schaffe es, dass Auto zum Stehen zu bringen und rauszuspringen. „Jetzt reicht es!“, brülle ich ihn an, „unsere Ehe ist zu Ende. Endgültig! Ich will dich nicht mehr sehen!“ Johan schaut mich etwas verdattert an und läuft davon. Die umherstehenden Menschen schauen mich mitleidig an. Es ist mir egal. Ich parke, noch immer zitternd und gehe erst einmal einen Kaffee trinken. Ich muss erst einen klaren Gedanken fassen, bevor ich weiter meine Einkäufe erledige.

Was war denn das schon wieder? Wie konnte ich nur glauben, dass Johan sich geändert hat. Aber dieses Mal ist endgültig Schluss. Ich rufe per Handy meine Schwägerin an und berichte ihr was passiert ist. Ich bitte sie, dass sie Johan bei sich aufnimmt, da ich nicht möchte, dass er noch einmal meine Wohnung betritt. Soll sich doch mal seine Familie um ihn kümmern. Sie hält meine Reaktion für übertrieben. Verspricht aber mit Johan zu reden. Ich nehme mir vor, mir den Tag nicht verderben zu lassen. Der Abendwird auch wirklich schön. Natürlich wundern sich einige Gäste, dass Johan nicht da ist. Was soll ich dazu sagen? Ich entscheide mich für die Wahrheit. Wir haben uns heute Morgen gestritten“, sage ich etwas ausweichend auf ihre Fragen. „Na, dann kommt er ja später sicherlich noch“, meinen meine Gäste zuversichtlich. Sie haben tatsächlich Recht. Zu späterer Stunde taucht Johan plötzlich auf und tut mal wieder so als sei nichts gewesen. Er schnappt sich einen Teller, den er sich mit leckerem Curry-Huhn nach Tansania Art vollschaufelt. Ich koche innerlich. Aber nach außen bleibe ich ruhig und fröhlich. Längst habe ich mit meiner Freundin Angela einen Plan geschmiedet. Wir werden morgen gemeinsam zum Gericht gehen und eine sogenannte „Protection Order“, eine Schutzverordnung, beantragen. Da Johan wieder aufgetaucht ist, bietet sie mir an, solange die Situation mit Johan ungeklärt ist, bei mir zu übernachten. Was für eine großartige Freundin ich doch habe. Sie steht wirklich zu allen Zeiten fest an meiner Seite. Sie weiß, dass ich es alleine wahrscheinlich nicht schaffe. Zu oft bin ich in der Vergangenheit wieder eingeknickt und habe mich neu auf ihn eingelassen. Johan wundert sich zwar, dass Angela bei uns über Nacht bleibt, sagt aber nichts. Ich bitte ihn, sich eine andere Unterkunft zu suchen. Er scheint mich nicht ernst zu nehmen. Am nächsten Tag gehen Angela und ich, wie verabredet, am Nachmittag zum Magistrat. Die Mitarbeiter dort sind nicht sehr begeistert darüber, dass wir sie am Freitagnachmittag in ihrer Ruhe stören. Der Richter will lieber zum Golf spielen, als mit mir gemeinsam die Anträge auszufüllen. Er vertritt die Ansicht, dass die meisten Frauen die Anzeige sowieso zurückziehen und er sich die Arbeit ganz umsonst machen würde. Ich versichere ihm, dass das bei mir nicht der Fall wäre. Ich bräuchte jetzt dringend seine Unterstützung. Nachdem auch Angela ihm versichert, wie ernst die Lage ist, stellt er mir die gewünschte Schutzverordnung aus. Sie muss Johan, laut gesetzlicher Bestimmung, umgehend zugestellt werden. Danach darf er sich mir bis auf 300 Metern nicht nähern, noch mich in irgendeiner Weise kontaktieren. Die Entfernung ergibt sich aus der Schiessdistanz. Sollte er das doch tun, würde er verhaftet. Es drohen ihm dann Geld- und Haftstrafen. Leider lässt sich die Polizei am folgenden Tag nicht bei uns Zuhause blicken.

Johan verhält sich seit seinem “Ausraster” vorbildlich. Er ist nett, freundlich, zuvorkommend. Er lädt mich ins Kino und zum Essen ein. Ich spiele mit. Aber im Herzen warte ich sehnsüchtig auf die Polizei. Am dritten Tag, einem Sonntagmorgen, als wir gerade “heimelig“ beim gemeinsamen Frühstück sitzen, klingelt es an der Tür. Johan macht auf. Zwei Polizisten stehen dort. Ich wundere mich erst, dass Johan noch so erfreut ist, bis ich den Grund dafür er- kenne. Der Polizist ist sein Onkel. Dem ist es sichtbar peinlich, bei uns dienstlich auftauchen zu müssen. Johan denkt immer noch, dass es sich um einen Privatbesuch handeln würde und lädt die beiden Polizisten zum Frühstück ein. Nun muss sein Onkel die Katze aus dem Sack lassen. „Aber es sieht hier doch alles ganz friedlich aus“, meint er erst noch ausweichend. „Ja. Heute sieht alles ganz friedlich aus. Aber das ist nur der momentane Eindruck. Das ist nicht immer so. Bitte walte deines Amtes, auch wenn wir miteinander verwandt sind“, sage ich mit Nachdruck. „Natürlich. Das muss ich ja. Das ist ja meine Pflicht als Polizist. Johan. Deine Frau hat gegen dich beim Gericht eine Schutzverordnung erwirkt. Du hast fünf Minuten Zeit, deine Sachen zu packen und deiner Frau die Hausschlüssel auszuhändigen. Du kannst innerhalb von vier Wochen beim Magistrat Widerspruch gegen diese Maßnahme einlegen“, informiert er meinen Ehemann. Endlich versteht Johan, dass ich ihn überrumpelt habe und ihn endgültig verlassen werde. Wütend packt er die wichtigsten Sachen zusammen. Die Polizei geleitet ihn hinaus. Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt, atme ich tief durch. Johan ist weg. Ich bin frei. Vielleicht noch nicht ganz. Die Scheidung steht noch bevor. Aber ich fühle mich frei. Ein neuer Lebensabschnitt kann beginnen. Mit 39 Jahren.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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