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Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 44)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 44)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 44)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
DDR-Kinder

Ein weiteres kulturelles Highlight ist die Aufführung des Films: „Ossis in Namibia”. Dabei geht es um die Kinder von den Namibischen Freiheitskämpfern, die während dem Unabhängigkeitskrieg in sozialistischen Ländern wie Russland, Kuba oder eben auch der ehemaligen DDR, groß geworden sind. Sie sollten, wenn Namibia unabhängig geworden ist, als Elite leitende Positionen in dem unabhängigen Namibia einnehmen. Dieser Plan hat sich als Illusion herausgestellt. Bei der Gelegenheit habe ich die Möglichkeit, Lucia Encombe kennenzulernen, die ihre Erfahrungen über ihr Leben in der DDR in dem Buch „Kind Nr. 95” niedergeschrieben hat. Die Auseinandersetzung mit ihrer Identitätsfindung ist wirklich großartig. Mit ihr nehme ich auch an einem Seminar über Familienaufstellungen teil, in der ich den Verlust meines Bruders endgültig verarbeiten möchte. Was mir schließlich auch gelingt.



Sieg nach Punkten!

Des Weiteren kann ich die Beziehung zu meinem Mann endlich abschließen. Nach einer wahren Scheidungsodyssee werde ich am 11.09.2006 offiziell geschieden. Es gelingt nur, weil Johans bester Freund Frank unter Eid aussagt, dass Johan geäußert habe, dass er nach Namibia wegen seiner Kinder zurückkehren wolle und außerdem regelmäßig über das Internet die Namibischen Zeitungen lesen würde. Aufgrund der Aussage geht das Gericht davon aus, dass mein Mann über meine Scheidungsabsicht über die lokalen Zeitungen unterrichtet wird. Nach sechs Wochen Annoncen in den Zeitungen wird das Scheidungsurteil, als Johan in der Zeit nicht widerspricht, rechtskräftig. Ein Kampf, bei dem lange nicht klar war wie er ausgehen würde, ist vorbei. Endlich. Eine große Last fällt von mir ab.

Bis heute weiß Johan nicht, dass wir geschieden sind. Ich habe ihn nie wieder gesehen.



Skandale

Ich lerne auf einer Konferenz noch einen Buchautor kennen – den südafrikanischen Gayton McKenzie. Gayton hat das Buch „My Choice” (Meine Wahl) geschrieben, dass derzeit verfilmt wird. Gayton wählt bereits als Kind seinen Beruf. Er will Berufsverbrecher werden. Das gelingt ihm auch ohne Weiteres. Er steigt zum gefährlichsten Gangführer Südafrikas auf und sitzt deswegen jahrelang im Knast. Die Zustände im Knast sind alles andere als rehabilitationsfördernd. Im Gegenteil. Es zerbricht die Seelen der Menschen noch mehr. Es gelingt ihm, Videokameras in den Knast einzuschmuggeln, und die mehr als fragwürdigen und desaströsen Zustände im Gefängnis zu dokumentieren. Die Videos beweisen, dass Gefängniswärter jugendliche Straftäter anderen Strafgefangenen für Geld als Sexpartner zuspielen, Vergewaltigungen geschehen, Drogen eingeschmuggelt werden und einem Mörder sogar eine Pistole zur Flucht übergeben wird. Die Videos sind ein Skandal und lösen im Land große Diskussionen über die Zustände in Gefängnissen aus. McKenzie ist heute ein gefragter Motivationssprecher und erfolgreicher Geschäftsmann. Mit seiner Lebensgeschichte will er dazu beitragen, dass Jugendliche in Südafrika davon abgeschreckt werden, einen kriminellen Lebensweg einzuschlagen.

Das es in Namibia auch einige „fragwürdige Gesetze” gibt, muss ich leider am eigenen Leib erfragen. Als ich von einer Konferenz nach Hause fahre, sehe ich dass überall am Straßenrand bewaffnete Soldaten herumstehen. Ein Zeichen dafür, dass unser Staatspräsident hier in Kürze vorbeifahren wird. Ich halte bei gelb vor der Ampel an. Plötzlich spüre ich einen harten Schlag im Rücken und am Kopf. Es dauert ein paar Sekunden bis ich realisiere, dass mir ein Jeep mit vollem Tempo hinten auf gefahren ist. Sofort setzen heftige Kopfschmerzen ein. Mein Genick tut weh. In mir steigt eine irre Angst hoch, dass ich mir die Wirbelsäule verletzt haben könnte. Ich versuche mich nicht zu bewegen. Dann fällt mir siedend heiß ein, dass ich dringend von der Straße runter muss. Wenn der Staatspräsident vorbeifährt und ich stehe mit meinem Wagen im Weg herum, wird vielleicht auf mich geschossen. Das wäre nicht das erste Mal, dass das passiert. Panik steigt in mir hoch. Die verstärkt sich noch, als ein Soldat meine Wagentür öffnet und mich zum Weiterfahren auffordert. Als ich mich verständlicherweise weigere, richtet er seine Waffe auf mich. Ich erkläre ihm die Situation und bitte ihn, für mich einen Krankenwagen zu rufen. Es ist, als hätte er nicht gehört was ich gesagt habe. Er fordert mich nochmals auf, das Auto unverzüglich wegzufahren. In dem Moment kommt eine Kollegin vom Roten Kreuz herbeigeeilt, die auch an der Konferenz teilgenommen hat. Sie kümmert sich um medizinische Hilfe, hilft mir aus dem Auto raus und fährt es zur Seite. Gerade noch rechtzeitig, bevor eine Kolonne von schwarzen Staatskarossen an uns vorbeirast. Ich kann es nicht fassen wie man hier im Land mit Verletzten umgeht. Ich nehme mir vor, eine Beschwerde einzulegen. Im Krankenhaus wird ein Halswirbelschleudertrauma festgestellt. Aber der seelische Schaden ist jedoch grösser. Mein Vertrauen in die Menschlichkeit hat einen tiefen Riss bekommen.

Das Vertrauen schrumpft noch weiter, als jemand versucht bei mir einzubrechen. Die herbeigerufene Polizei nimmt sich der Sache in Form vom Schreiben eines langen Berichtes an. Papier ist ja bekanntlich geduldig. Spurensuche – was ist das? Dabei gibt es etliche Fußabdrücke. Ich benötige einige Wochen, um wieder zu meiner inneren Gelassenheit zu gelangen und entspannt schlafen zu können.



Sensationen

Es gibt zum Glück auch schöne Ereignisse. Im Oktober werden in Namibia die ersten Siamesischen Zwillinge Namibias geboren. Eine kleine Sensation! Die beiden Kinder sind an der Brust zusammen gewachsen und teilen sich ein Herz und eine Leber. Ich möchte die Mutter gerne in meine Sendung einladen, was das Gesundheitsministerium jedoch nicht möchte. Erst nach langer Überzeugungsarbeit stimmen sie zu. Mir ist bis heute nicht klar, wieso ein Ministerium da ein Mitbestimmungsrecht hat. Ich bekomme ein weltexklusives Interview mit der Mutter! Natürlich möchte ich mir die Säuglinge auch selber ansehen und sie für unsere Show filmen. Die Kleinen wirken so zerbrechlich, wie sie da so im Brutkasten liegen. Die beiden Neugeborenen atmen sehr angestrengt. Sie sterben nur eine Stunde nachdem wir sie besucht haben. Meine Kollegen fahren zur Beerdigung, die im Norden des Landes stattfindet. Die über 100 Jahre alte Großmutter der Siamesischen Zwillinge sagt in einem Interview: „Nun bin ich so alt geworden, aber so etwas habe ich in meinem langen Leben noch nicht erlebt.“ Ob eines der Kinder in Deutschland mit all seiner fortschrittlichen Medizintechnik überlebt hätte? Manchmal entscheidet einfach nur der Ort an dem wir geboren wurden, welche Chancen wir im Leben haben.



Genitalverstümmelung und Menschenrechte

Als ich eine Sendung über Genitalverstümmelung vorbereite, komme ich auch mit Waris Darie in Kontakt, ein früheres Supermodel und heutige UN-Botschafterin, die sich für genau dieses Thema einsetzt. Ich möchte eine Passage aus ihrem Buch „Wüstenblume” vorlesen und kontaktiere ihr Büro, um mir die Erlaubnis dafür einzuholen. Man antwortet mir tatsächlich und freut sich anscheinend über jeden, der auf dem Gebiet Aufklärungsarbeit leistet. Im Dezember werde ich aufgrund meiner Themen über Menschenrechte überraschenderweise für den Menschenrechts-Medienpreis nominiert, der jedes Jahr am 10. Dezember am Internationalen Human Rights Day verliehen wird. Die diesjährigen Preisträger sind vorwiegend Frauen, die sich gerade in ländlichen Gebieten für die Rechte der Bevölkerung eingesetzt haben. Ich habe dann das Vergnügen, sie in meiner TV-Show zu interviewen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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