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Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 5)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 5)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 5)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Tansania (Folge 1)

Ein anderes afrikanisches Land wartete auf mich. Ein lautes und von Männern bestimmtes. Zum Großteil vom Islam geprägt. Tansania. Es ist überraschend grün. Überall hängen Früchte an den Bäumen. Papaya. Orangen. Zitronen, Walnüsse, Datteln, Kokosnüsse. Ein Garten Eden, direkt am 30 Grad warmen Indischen Ozean gelegen.

Dagegen ist das Hotel eine Bruchbude. Das Frühstück würde bei jedem Restauranttester durchfallen. Aber es reicht, dass es bei mir durchfällt. Zum Training Center müssen wir jeden Tag 30 Minuten laufen. Solange, bis ein Teilnehmer mit dem Messer bedroht und beklaut wird. Dann gibt es nach einer Protestaktion endlich ein Sammeltaxi für uns.

Dazu ist es heiß und schwül. Nach dem Duschen bin ich sofort wieder klatschnass. Schlecht für mich. Herrlich für die Mücken. Sie lieben das feucht-heiße Klima. Ich entwickele mich zur paranoiden Furie, wenn es um die Mücken geht. Zu groß ist die Panik davor, an Malaria zu erkranken. Tansania ist eine echte Brutstätte für die durch Mücken hervorgerufene Tropenkrankheit. Ich sprühe mich täglich ein. Auch der Trainingskursraum wird erst einmal ausgeräuchert, bevor ich ihn betrete. Abends wird das Hotelzimmer in Anti-Mückenspray getaucht und ich schlafe unter meinem mitgebrachten Moskitonetz. Die Fenster bleiben konsequent zu. Trotz der Temperaturen um die 40 Grad. Die Klimaanlage ist so laut wie ein Presslufthammer und bleibt deswegen ausgeschaltet. Natürlich schlucke ich auch prophylaktisch Anti-Malaria-Tabletten. Die anderen lachen bereits über meine Kleidung, die mich komplett bedeckt und vor den Blutsaugern schützen soll. Ist mir wurscht, dass sie sich über mich lustig machen. Ich will nicht über 40 Grad hohes Fieber bekommen, so wie unser belgischer Kursleiter Geert, der ständig einen Malariaanfall hat und trotzdem zur Arbeit kommt. Ein genialer, aber meiner Meinung nach, wahnsinniger Workaholic. Die Seminarteilnehmer kommen aus den verschiedensten afrikanischen Ländern. Ich bin die Einzige für die es der erste Auslandseinsatz ist. Ich bin das „Küken”. Die Kurssprache ist Englisch. Mein ständiger Begleiter wird mein deutsch-englisches Nachschlagewerk.

Höhepunkte des Aufenthaltes sind die Ausflüge in die bestehenden Projekte. Ich darf bei einem Mitarbeiter auf dem Motorrad eine Tour durch den Dschungel mitmachen. Ich sehe das erste Mal wie Ananas wächst. Und wie man sich keimfreie Flüssigkeit zuführt, um nicht an „Montezumas Rache“ zu erkranken. Man trinkt den Inhalt unreifer Kokosnüsse. Schmeckt fantastisch. Wie leicht gesüßtes Mineralwasser.

Nach zwei Stunden erreichen wir die kleine Augenklinik. Ich bin beeindruckt wie man hier mit wenigen Mitteln effektiv alle möglichen Arten von Augenkrankheiten untersucht, behandelt, operiert, heilt. Die meisten Patienten leiden am Grauen Star, einer Trübung der Linse im Auge. Sogar Kinder sind betroffen. Eine einfache, 20-minütige Operation kann ihnen ihr Augenlicht wiedergeben. Der einsetzende Regen verwandelt die „Straßen” in Flüsse, wodurch die Rückfahrt zur Überlebenstour wird. Mit meinem Motorradfahrer verstehe ich mich so gut, dass er mich zu seiner bevorstehenden Hochzeit einlädt. Ein Zeichen der Wertschätzung. Ich freue mich. Die Hochzeit findet in einem kleinen Dorf statt. Ein Freund der Brautfamilie hat sich bereit erklärt, mich dorthin zu begleiten. Damit ich sicher ankomme. Das was sich Bus nennt, ist überfüllt mit Menschen und Tieren. Etliche Fahrgäste haben als Reisegepäck lebende Hühner dabei. Es riecht nach Schweiß, Urin und Rauch. Der Rauch vom Kochen über dem Holzfeuer, hat sich in ihren Kleidern und Haaren festgesetzt. Vom Qualm sind ihre Augen rot entzündet. Sieht gefährlich aus. Ich habe einen Sitzplatz ergattert. Gott sei Dank. Bei dem Geruchsgemisch und der Hitze wäre ich sonst sicherlich umgekippt. Wenn nicht davon, dann vom Fahrstil. Entweder gibt es keine Bremse in der afrikanischen Ausführung eines Reisebusses oder der Busfahrer hat vergessen, dass es sie gibt. Mit hoher Geschwindigkeit rast er durch Schlaglöcher und über Bodenunebenheiten hinweg. Wäre der Bus nicht so mit Leuten vollgestopft, wäre sicherlich der ein oder andere umgefallen oder gegen die Scheiben gedonnert.

Ich befinde mich wohl erst auf Stufe zwei der Kulturanpassung. Egal. Ich freue mich auf die Hochzeit. Nach zwei Stunden Fahrt sind wir endlich da.

Das Gebäude erinnert mich an eine Garage. Plastikgartenstühle sind in mehreren Reihen aufgestellt. Einige bunte Girlanden schmücken den Raum. Im Vorderbereich steht ein Tapeziertisch. Ein blütenweißes Bettlaken dient als Tischdecke. Der Tisch ist der Familientisch, klärt mich mein Sitznachbar auf, und ist für das Brautpaar und die Brauteltern reserviert. Die Stühle füllen sich mit Gästen. Ich bin die einzige Weiße. Der Ehrengast, wie man mir zu verstehen gibt. Nach weiteren zwei Stunden erscheint endlich das Brautpaar. Sie ist wunderschön. Langes weißes Kleid mit vielen Rüschen. Brautstrauß aus Plastikblumen. Kunstvoll gesteckte Frisur. Er im blauen feinen Anzug. In seinen Augen sehe ich Stolz.

Es passiert nicht viel. Es werden Reden gehalten, die ich nicht verstehe. Stundenlang. Es ist heiß und schwül. Ich habe Kopfschmerzen, mein Nacken ist merkwürdig steif. Ich spüre wie es in meinen Gedärmen rumort. Es geht nicht mehr. Ich muss auf die Toilette. Sie besteht aus einem Loch im Boden. Ich versuche, die Fliegen mit wilden Armbewegungen zu verjagen. Gar nicht so einfach in meiner Hockstellung, dabei die Balance zu halten. Ich habe Angst, in das dunkle Loch zu plumpsen. Und davor, dass mein Kleid den Boden berührt. Ich schwitze noch mehr. Nach gefühlten zwei Stunden ist mein Darm leer und das Loch voll. Wo in Gottes Namen ist das Toilettenpapier? Gibt es nicht. Das darf nicht wahr sein. Gerade heute habe ich keine Papiertaschentücher dabei. Es hilft nichts. Irgendwie gelingt es mir meinen Allerwertesten unter einen Wasserhahn in der Wand zu hieven. Ich finde ein benutztes Stück Kernseife. Immerhin.

Inzwischen wurde meine lange Abwesenheit bemerkt und ein Suchtrupp losgeschickt. Wie peinlich. „Ist alles in Ordnung?”, fragt mich die Delegation. „Ja, alles o.k“, entgegne ich. „Das Essen ist fertig. Alle warten auf dich”, informieren sie mich. Ich könnte im Erdboden versinken. Ich bin der Ehrengast. Also – Haltung bewahren. Lächeln.

Das Festessen besteht aus viel Fleisch und Reis. In Nullkommanichts ist alles aufgefuttert. Den Gästen scheint es geschmeckt zu haben.

Nachdem die Geschenke dem Brautpaar unter großem Beifall und Jubel überreicht wurden, fährt mich ein Verwandter mit dem Auto zum Hotel zurück.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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