Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 56)
Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Aussöhnung
Jackson und ich nehmen uns Zeit für eine Beratung bei einem Psychologen. Ich finde es wichtig, gemeinsam über unsere Gefühle zueinander, aber auch in Bezug auf Jacksons Erkrankung zu reden. Ich will wissen, wieviel T-Zellen er hat, die das Ausmaß der Aidserkrankung im Blut markieren. Das Ergebnis ist niederschmetternd. 187 T-Zellen, sogenannte CD4 und um die 37000 Viren befinden sich in seinem Blut. Es wird deutlich, das Jackson seine Medikamente nicht korrekt nimmt und sich so der Gefahr aussetzt, dass die Medikamente ihm nicht mehr helfen und er Resistenzen gegen sie entwickelt. Bei CD4s unter 300 spricht man nicht mehr von einer HIV-Erkrankung, sondern von Aids. Es ist das Stadium in der man noch vor ein paar Jahren innerhalb weniger Wochen gestorben ist, da es keine medikamentöse Therapie gab. Mit den Anti-Retro-Virals, den ARVs, kann man bei richtiger Einnahme noch jahrzehntelang leben. Sie müssen jedoch immer pünktlich, um die gleiche Uhrzeit eingenommen werden, ein Leben lang. Das bekam Jackson anfangs nicht hin. Jeden Morgen stehe ich um sieben Uhr auf und mache Jackson ein super gesundes Frühstück, bestehend aus Müsli, Joghurt, Nüssen und frischen Früchten. Um acht Uhr nimmt er seine ARVs. Eine ähnliche Prozedur findet am Abend statt. Erst muss Jackson etwas essen, dann folgt die Medikamenteneinnahme. Selbst wenn er auf der Bühne steht, plant er sein Konzert so, dass er zwischendurch seine Medikamente nehmen kann. Oder ich gebe ihm ein ausgemachtes Zeichen und er legt eine Pause ein. Er isst dann eine Kleinigkeit wie eine Banane. Wichtig ist neben einer gesunden Ernährung auch ein möglichst geringer Alkoholkonsum. Gerade an diesen Punkten scheitert ein Aidskranker oft. Durch die Einnahme der ARVs geht die Anzahl der Viren im Blut runter bis auf eine nicht mehr nachweisbare Grenze. Das ist der Beweis, dass die Medikamente wirken. Außerdem kann man bei einer Virenanzahl, die nicht nachweisbar ist, seinen Sexualpartner nicht mehr mit HIV anstecken. Es benötigt eine gewisse Anzahl an Viren, um jemanden mit HIV zu infizieren. Diese Tatsache entspannt eine Partnerschaft enorm, den Druck und die Angst zu nehmen, dass beim intimen Zusammensein etwas passiert. Auch Jackson hat diese Angst. Ich spüre es, wenn wir zusammen sind. Komischerweise bin ich an der Stelle nicht so ängstlich. Vielleicht liegt es an meiner medizinischen Ausbildung. Ich glaube, die Risiken ganz gut einschätzen zu können. HIV ist unser ständiger Begleiter. Wir können ihn nicht ausblenden.
Bedrohliches
Neben all dem persönlichen Befinden, das mich beschäftigt, kommt eine noch ganz andere Gefahr dazu - meine Aufenthaltsgenehmigung. In Namibia wird es immer schwieriger, als Ausländer Arbeit zu bekommen. Und auch Arbeitserlaubnisse werden nur noch dürftig ausgegeben. Alle meine Bewerbungen um einen gesicherten Arbeitsplatz, schlagen fehl. Die Gesetze zum Aufenthaltsrecht für einen Ausländer, der mit einem Namibier oder Namibierin verheiratet ist, werden ebenfalls drastisch verschärft. Man muss nun zehn Jahre anstelle von zwei Jahren verheiratet sein, um permanent in Namibia leben zu dürfen. Die Einwanderungsbehörde spricht mir mein Daueraufenthaltsrecht plötzlich ab, als sie sieht, dass ich inzwischen geschieden bin. Als ob es nicht schon genug Katastrophen in meinem Leben gibt! Dabei gilt mein Domizile Status ein Leben lang. Die Behörde versucht, das neue Gesetz rückwirkend anzuwenden. Nach langem Hin und Her, und nach persönlicher Intervention durch Jackson, stellt man mir „großzügiger Weise“, aufgrund meiner Firma mit Jackson, für ein Jahr eine Arbeitserlaubnis aus. Ob diese dann nach Ablauf wieder erneuert wird, steht allerdings in den Sternen. Aber immerhin verschafft es mir Zeit, um eine Strategie zu entwickeln oder mir Unterstützung bei einem Anwalt zu holen.
Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Endlich läuft auch mal etwas rund. Ich gewinne gegen die NBC vor dem Arbeitsgericht. Mein alter Arbeitgeber muss mir unverzüglich eine Abfindung von 100000 N$ zahlen. Nach Abzug der Steuern bleiben immerhin noch umgerechnet um die 8000 Euro übrig. Großartig. Und genau rechtzeitig. Wir hätten uns keinen Tag länger finanziell über Wasser halten können. Der unerwartete Geldsegen wird uns sechs bis acht Monate lang über die Runden helfen. Ein bisschen benötigen wir davon aber auch für die CD-Produktion. Wer jemals eine Firma aufgebaut hat weiß, dass man erst einmal eine ganze Menge Geld investieren muss, bevor man dann schlussendlich Profit macht. Uns ergeht es da auch nicht anders. Ich bin froh, dass unsere Firma „Jackson Kaujeua Music Spectacle und Partner“ nun endlich als eine Closed Cooperation registriert ist und damit auch rechtlich korrekt operieren kann.
Geschichten einer Legende
Jackson arbeitet täglich bis zu 14 Stunden in einem zwei qm² „großen“ Tonstudio in Katutura an seiner neuen CD. Sie soll „Tales of a Legend“, Geschichten einer Legende, heißen. Am 19. Juli 2008 soll sie der Öffentlichkeit bei einem großen Comeback - Geburtstagskonzert vorgestellt werden. Sponsoren haben bereits eine meterlange Sachertorte gesponsert, von dem jeder Gast ein Stückchen abbekommen soll. Ein Freund von Jackson beteiligt sich an den Produktionskosten. Die Aufregung ist auf allen Seiten groß. Die Medien berichten ständig von dem bevorstehenden Großereignis. Jackson ist so glücklich, wie ich ihn selten erlebt habe. Er hatte nicht mehr daran geglaubt, dass er als Künstler noch mal so richtig durchstarten würde. Jetzt erwacht sein Traum zu neuem Leben. Auch beziehungstechnisch könnte es nicht besser laufen. Das Glück und die Zufriedenheit scheinen uns aus den Augen zu leuchten. Selbst dem Premierminister bleibt das nicht verborgen. Er meint, dass wir beide nie besser ausgesehen hätten. Was denn wohl unser Geheimnis wäre? - wir verraten es (noch) niemandem, dass die Liebe, die wir füreinander empfinden, uns anscheinend so aufblühen lässt.
Jackson und ich nehmen uns Zeit für eine Beratung bei einem Psychologen. Ich finde es wichtig, gemeinsam über unsere Gefühle zueinander, aber auch in Bezug auf Jacksons Erkrankung zu reden. Ich will wissen, wieviel T-Zellen er hat, die das Ausmaß der Aidserkrankung im Blut markieren. Das Ergebnis ist niederschmetternd. 187 T-Zellen, sogenannte CD4 und um die 37000 Viren befinden sich in seinem Blut. Es wird deutlich, das Jackson seine Medikamente nicht korrekt nimmt und sich so der Gefahr aussetzt, dass die Medikamente ihm nicht mehr helfen und er Resistenzen gegen sie entwickelt. Bei CD4s unter 300 spricht man nicht mehr von einer HIV-Erkrankung, sondern von Aids. Es ist das Stadium in der man noch vor ein paar Jahren innerhalb weniger Wochen gestorben ist, da es keine medikamentöse Therapie gab. Mit den Anti-Retro-Virals, den ARVs, kann man bei richtiger Einnahme noch jahrzehntelang leben. Sie müssen jedoch immer pünktlich, um die gleiche Uhrzeit eingenommen werden, ein Leben lang. Das bekam Jackson anfangs nicht hin. Jeden Morgen stehe ich um sieben Uhr auf und mache Jackson ein super gesundes Frühstück, bestehend aus Müsli, Joghurt, Nüssen und frischen Früchten. Um acht Uhr nimmt er seine ARVs. Eine ähnliche Prozedur findet am Abend statt. Erst muss Jackson etwas essen, dann folgt die Medikamenteneinnahme. Selbst wenn er auf der Bühne steht, plant er sein Konzert so, dass er zwischendurch seine Medikamente nehmen kann. Oder ich gebe ihm ein ausgemachtes Zeichen und er legt eine Pause ein. Er isst dann eine Kleinigkeit wie eine Banane. Wichtig ist neben einer gesunden Ernährung auch ein möglichst geringer Alkoholkonsum. Gerade an diesen Punkten scheitert ein Aidskranker oft. Durch die Einnahme der ARVs geht die Anzahl der Viren im Blut runter bis auf eine nicht mehr nachweisbare Grenze. Das ist der Beweis, dass die Medikamente wirken. Außerdem kann man bei einer Virenanzahl, die nicht nachweisbar ist, seinen Sexualpartner nicht mehr mit HIV anstecken. Es benötigt eine gewisse Anzahl an Viren, um jemanden mit HIV zu infizieren. Diese Tatsache entspannt eine Partnerschaft enorm, den Druck und die Angst zu nehmen, dass beim intimen Zusammensein etwas passiert. Auch Jackson hat diese Angst. Ich spüre es, wenn wir zusammen sind. Komischerweise bin ich an der Stelle nicht so ängstlich. Vielleicht liegt es an meiner medizinischen Ausbildung. Ich glaube, die Risiken ganz gut einschätzen zu können. HIV ist unser ständiger Begleiter. Wir können ihn nicht ausblenden.
Bedrohliches
Neben all dem persönlichen Befinden, das mich beschäftigt, kommt eine noch ganz andere Gefahr dazu - meine Aufenthaltsgenehmigung. In Namibia wird es immer schwieriger, als Ausländer Arbeit zu bekommen. Und auch Arbeitserlaubnisse werden nur noch dürftig ausgegeben. Alle meine Bewerbungen um einen gesicherten Arbeitsplatz, schlagen fehl. Die Gesetze zum Aufenthaltsrecht für einen Ausländer, der mit einem Namibier oder Namibierin verheiratet ist, werden ebenfalls drastisch verschärft. Man muss nun zehn Jahre anstelle von zwei Jahren verheiratet sein, um permanent in Namibia leben zu dürfen. Die Einwanderungsbehörde spricht mir mein Daueraufenthaltsrecht plötzlich ab, als sie sieht, dass ich inzwischen geschieden bin. Als ob es nicht schon genug Katastrophen in meinem Leben gibt! Dabei gilt mein Domizile Status ein Leben lang. Die Behörde versucht, das neue Gesetz rückwirkend anzuwenden. Nach langem Hin und Her, und nach persönlicher Intervention durch Jackson, stellt man mir „großzügiger Weise“, aufgrund meiner Firma mit Jackson, für ein Jahr eine Arbeitserlaubnis aus. Ob diese dann nach Ablauf wieder erneuert wird, steht allerdings in den Sternen. Aber immerhin verschafft es mir Zeit, um eine Strategie zu entwickeln oder mir Unterstützung bei einem Anwalt zu holen.
Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Endlich läuft auch mal etwas rund. Ich gewinne gegen die NBC vor dem Arbeitsgericht. Mein alter Arbeitgeber muss mir unverzüglich eine Abfindung von 100000 N$ zahlen. Nach Abzug der Steuern bleiben immerhin noch umgerechnet um die 8000 Euro übrig. Großartig. Und genau rechtzeitig. Wir hätten uns keinen Tag länger finanziell über Wasser halten können. Der unerwartete Geldsegen wird uns sechs bis acht Monate lang über die Runden helfen. Ein bisschen benötigen wir davon aber auch für die CD-Produktion. Wer jemals eine Firma aufgebaut hat weiß, dass man erst einmal eine ganze Menge Geld investieren muss, bevor man dann schlussendlich Profit macht. Uns ergeht es da auch nicht anders. Ich bin froh, dass unsere Firma „Jackson Kaujeua Music Spectacle und Partner“ nun endlich als eine Closed Cooperation registriert ist und damit auch rechtlich korrekt operieren kann.
Geschichten einer Legende
Jackson arbeitet täglich bis zu 14 Stunden in einem zwei qm² „großen“ Tonstudio in Katutura an seiner neuen CD. Sie soll „Tales of a Legend“, Geschichten einer Legende, heißen. Am 19. Juli 2008 soll sie der Öffentlichkeit bei einem großen Comeback - Geburtstagskonzert vorgestellt werden. Sponsoren haben bereits eine meterlange Sachertorte gesponsert, von dem jeder Gast ein Stückchen abbekommen soll. Ein Freund von Jackson beteiligt sich an den Produktionskosten. Die Aufregung ist auf allen Seiten groß. Die Medien berichten ständig von dem bevorstehenden Großereignis. Jackson ist so glücklich, wie ich ihn selten erlebt habe. Er hatte nicht mehr daran geglaubt, dass er als Künstler noch mal so richtig durchstarten würde. Jetzt erwacht sein Traum zu neuem Leben. Auch beziehungstechnisch könnte es nicht besser laufen. Das Glück und die Zufriedenheit scheinen uns aus den Augen zu leuchten. Selbst dem Premierminister bleibt das nicht verborgen. Er meint, dass wir beide nie besser ausgesehen hätten. Was denn wohl unser Geheimnis wäre? - wir verraten es (noch) niemandem, dass die Liebe, die wir füreinander empfinden, uns anscheinend so aufblühen lässt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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