Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 72)
Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Kerstin van Wyk, stories, Jackson Kaujeua, Missionarin ohne Heiligenschein, WAZon
Kleinere und größere Missgeschicke
Auch in meinem persönlichen Umfeld heißt es wieder einmal, von einem lieben Menschen Abschied zu nehmen. Der Mann meiner Freundin und Pastorin Angela verstirbt, als Angela gerade auf Besuch in Deutschland ist. Die Kinder rufen mich ein paar Minuten nachdem Gerson seinen letzten Atemzug getan hat an und fragen, ob ich vorbeikommen kann. Ich kümmere mich um die herbeiströmenden Angehörigen, koche Tee, mache für alle Frühstück, kaufe ein. In Kürze müssen täglich Hunderte von Familienangehörigen essenstechnisch versorgt werden. Hereros haben riesige Familien. Im Nu beschlagnahmen die Verwandten das komplette Haus, schlachten eine Kuh auf dem Küchenboden und besorgen riesige Kochtöpfe auf denen auf Feuerholz gigantische Essensmengen im Hof des Hauses zubereitet werden. Auf der Beerdigung sind dann auch über 1000 Trauergäste, wovon fast 700 Gäste zum Essen bleiben. Beerdigungsrituale dauern in Namibia sieben bis zehn Tage. Ich persönlich finde Beerdigungen in Namibia auf der einen Seite tröstend, da man wirklich Zeit hat, Abschied zu nehmen. Aber auf der anderen Seite unglaublich anstrengend. Wie gut, dass Angela so einen großen Glauben hat und Gott ihr viel Kraft gibt in dieser Zeit. Spätestens jedoch als der Sarg nicht in das vorgesehene Grab hinein passt (Gerson war etwas fülliger Natur), wäre ich ja persönlich durchgedreht. Es muss vergrößert werden. Und auch als immer mal wieder eine Handtasche in das Grab fällt und auf den Sarg landet, dann von jemandem mit einen Sprung ins Grab wieder rausgefischt werden muss, stört hier niemand. Man stelle sich diese Szenen einer Beerdigung einmal in Deutschland vor! Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Die Beerdigung ist wie ein Déjà-Vu-Erlebnis. Ich spüre wieder den großen Schmerz, den ich bei Jacksons Beerdigung gefühlt habe.
Die Würfel sind gefallen
Meine Unzufriedenheit wächst, zumal ich auf meine vielen Bewerbungen keine Antwort erhalte. Finanziell wird es auch immer enger. Ich hangle mich von Monat zu Monat.
Meine Ängste um meine Versorgung im Alter haben weiter zugenommen. So etwas wie Pflegeversicherung und Altersversorgung ist noch fast so etwas wie eine Zukunftsvision aus Alex Huxleys „Schöne neue Welt”.
Meine Bemühung in Deutschland Arbeit zu finden, erweist sich von Namibia aus als sehr schwierig. Ich muss meine Sorgen mit meiner besten Freundin Kirsten bequatschen. Nach einem langen Mädelsgespräch legen wir fest, dass wenn ich in der nächsten Woche eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekomme, dieses als Zeichen dafür bewerten soll, dass ich nach Deutschland zurückkehren. Und das Unglaubliche geschieht - am nächsten Morgen lädt mich das Klinikum Soest zu einem Vorstellungsgespräch ein. Ich habe mich dort als Pflegepädagogin beworben. Es würde darum gehen, Krankenpflegeschüler zu unterrichten. Ich wäre natürlich begeistert, wenn das klappen würde, da diese Stelle ziemlich nah an meiner Vorstellung von meinem Traumjob liegt. Ganz abgesehen davon, dass ich davon überzeugt bin, dass ich da aufgrund meines beruflichen Werdeganges perfekt dort hinpassen würde. Nun ist es entschieden. Ich werde Namibia verlassen. Mit großem Bedauern, aber ich werde gehen. Einen richtigen oder falschen Zeitpunkt gibt es nicht. Ich reiche sofort meine Kündigung ein, was mir einen Anruf meines höchsten Vorgesetzten beschert. „Kerstin. Ich kann nicht glauben, dass du gekündigt hast. Ich habe den Brief noch nicht weitergeleitet. Ich möchte, dass du bleibst. Was ist denn passiert und wie kann ich dich noch umstimmen?”, fragt mich mein Superintendent ehrlich betroffen. Ich versuche es ihm zu erklären. „Wenn ich eine Rente bekomme und eine Gehaltserhöhung, dann bleibe ich gerne”, beantworte ich ihm seine Frage. „Das würde ich gerne, doch dazu bin ich nicht befugt. Ich verstehe deine Beweggründe, aber du sollst wissen, dass du jederzeit zurückkommen kannst”, versichert mir mein Chef. Schweren Herzens leitet er meine Kündigung weiter.
Loslassen
Ich organisiere einen Garagenverkauf und verkaufe in kürzester Zeit meinen kompletten Haushalt, samt Schuhen und einigen Kleidern. Selbst mein Auto kann ich an den Mann bringen. Nun geht alles rasend schnell. Es bleibt mir keine Zeit zu langem grübeln oder nachdenken, ob es die richtige Entscheidung ist. Beim letzten Mal bin ich ja rückfällig geworden. Dieses Mal ist die Entscheidung endgültig.
Ich sitze nach wenigen Tagen bereits auf gepackten Kartons und einer fast leer geräumten Wohnung. Ich bin immer noch etwas posttraumatisch vom Garagenverkauf, bei dem teilweise 30 bis 50 Leute gleichzeitig durch meine Wohnung stapften, mit mir verhandelten, Sachen und Möbel aus der Wohnung schleppten und sich um die besten Stücke stritten. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, was hier noch so alles an den Mann und die Frau gebracht werden kann. Wer kauft schon in Deutschland zehn Jahre alte Möbel oder technische Geräte und zahlt dafür noch 20 bis 50 % des Neupreises? Ja, das ist wohl der Unterschied von einem Entwicklungsland zu einem Wohlstandsland wie Deutschland. Während wir trotz Wirtschaftskrise unsere Sachen auf den Sperrmüll geben, freut man sich im Entwicklungsland über gebrauchte Möbel und Schuhe. Es bleiben immer noch 50 Kisten Gepäck übrig, die verschifft werden müssen. Dass ich in nur zehn Tagen meinen gesamten Abschied von Namibia organisiert bekomme, hätte ich nie gedacht. Ich lasse jedoch auch ein paar „Federn“. Wie ich später erfahren werde ziehe mir in dieser Zeit einen Meniskusriss und einen Nabelbruch zu.
Kleinere und größere Missgeschicke
Auch in meinem persönlichen Umfeld heißt es wieder einmal, von einem lieben Menschen Abschied zu nehmen. Der Mann meiner Freundin und Pastorin Angela verstirbt, als Angela gerade auf Besuch in Deutschland ist. Die Kinder rufen mich ein paar Minuten nachdem Gerson seinen letzten Atemzug getan hat an und fragen, ob ich vorbeikommen kann. Ich kümmere mich um die herbeiströmenden Angehörigen, koche Tee, mache für alle Frühstück, kaufe ein. In Kürze müssen täglich Hunderte von Familienangehörigen essenstechnisch versorgt werden. Hereros haben riesige Familien. Im Nu beschlagnahmen die Verwandten das komplette Haus, schlachten eine Kuh auf dem Küchenboden und besorgen riesige Kochtöpfe auf denen auf Feuerholz gigantische Essensmengen im Hof des Hauses zubereitet werden. Auf der Beerdigung sind dann auch über 1000 Trauergäste, wovon fast 700 Gäste zum Essen bleiben. Beerdigungsrituale dauern in Namibia sieben bis zehn Tage. Ich persönlich finde Beerdigungen in Namibia auf der einen Seite tröstend, da man wirklich Zeit hat, Abschied zu nehmen. Aber auf der anderen Seite unglaublich anstrengend. Wie gut, dass Angela so einen großen Glauben hat und Gott ihr viel Kraft gibt in dieser Zeit. Spätestens jedoch als der Sarg nicht in das vorgesehene Grab hinein passt (Gerson war etwas fülliger Natur), wäre ich ja persönlich durchgedreht. Es muss vergrößert werden. Und auch als immer mal wieder eine Handtasche in das Grab fällt und auf den Sarg landet, dann von jemandem mit einen Sprung ins Grab wieder rausgefischt werden muss, stört hier niemand. Man stelle sich diese Szenen einer Beerdigung einmal in Deutschland vor! Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Die Beerdigung ist wie ein Déjà-Vu-Erlebnis. Ich spüre wieder den großen Schmerz, den ich bei Jacksons Beerdigung gefühlt habe.
Die Würfel sind gefallen
Meine Unzufriedenheit wächst, zumal ich auf meine vielen Bewerbungen keine Antwort erhalte. Finanziell wird es auch immer enger. Ich hangle mich von Monat zu Monat.
Meine Ängste um meine Versorgung im Alter haben weiter zugenommen. So etwas wie Pflegeversicherung und Altersversorgung ist noch fast so etwas wie eine Zukunftsvision aus Alex Huxleys „Schöne neue Welt”.
Meine Bemühung in Deutschland Arbeit zu finden, erweist sich von Namibia aus als sehr schwierig. Ich muss meine Sorgen mit meiner besten Freundin Kirsten bequatschen. Nach einem langen Mädelsgespräch legen wir fest, dass wenn ich in der nächsten Woche eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekomme, dieses als Zeichen dafür bewerten soll, dass ich nach Deutschland zurückkehren. Und das Unglaubliche geschieht - am nächsten Morgen lädt mich das Klinikum Soest zu einem Vorstellungsgespräch ein. Ich habe mich dort als Pflegepädagogin beworben. Es würde darum gehen, Krankenpflegeschüler zu unterrichten. Ich wäre natürlich begeistert, wenn das klappen würde, da diese Stelle ziemlich nah an meiner Vorstellung von meinem Traumjob liegt. Ganz abgesehen davon, dass ich davon überzeugt bin, dass ich da aufgrund meines beruflichen Werdeganges perfekt dort hinpassen würde. Nun ist es entschieden. Ich werde Namibia verlassen. Mit großem Bedauern, aber ich werde gehen. Einen richtigen oder falschen Zeitpunkt gibt es nicht. Ich reiche sofort meine Kündigung ein, was mir einen Anruf meines höchsten Vorgesetzten beschert. „Kerstin. Ich kann nicht glauben, dass du gekündigt hast. Ich habe den Brief noch nicht weitergeleitet. Ich möchte, dass du bleibst. Was ist denn passiert und wie kann ich dich noch umstimmen?”, fragt mich mein Superintendent ehrlich betroffen. Ich versuche es ihm zu erklären. „Wenn ich eine Rente bekomme und eine Gehaltserhöhung, dann bleibe ich gerne”, beantworte ich ihm seine Frage. „Das würde ich gerne, doch dazu bin ich nicht befugt. Ich verstehe deine Beweggründe, aber du sollst wissen, dass du jederzeit zurückkommen kannst”, versichert mir mein Chef. Schweren Herzens leitet er meine Kündigung weiter.
Loslassen
Ich organisiere einen Garagenverkauf und verkaufe in kürzester Zeit meinen kompletten Haushalt, samt Schuhen und einigen Kleidern. Selbst mein Auto kann ich an den Mann bringen. Nun geht alles rasend schnell. Es bleibt mir keine Zeit zu langem grübeln oder nachdenken, ob es die richtige Entscheidung ist. Beim letzten Mal bin ich ja rückfällig geworden. Dieses Mal ist die Entscheidung endgültig.
Ich sitze nach wenigen Tagen bereits auf gepackten Kartons und einer fast leer geräumten Wohnung. Ich bin immer noch etwas posttraumatisch vom Garagenverkauf, bei dem teilweise 30 bis 50 Leute gleichzeitig durch meine Wohnung stapften, mit mir verhandelten, Sachen und Möbel aus der Wohnung schleppten und sich um die besten Stücke stritten. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, was hier noch so alles an den Mann und die Frau gebracht werden kann. Wer kauft schon in Deutschland zehn Jahre alte Möbel oder technische Geräte und zahlt dafür noch 20 bis 50 % des Neupreises? Ja, das ist wohl der Unterschied von einem Entwicklungsland zu einem Wohlstandsland wie Deutschland. Während wir trotz Wirtschaftskrise unsere Sachen auf den Sperrmüll geben, freut man sich im Entwicklungsland über gebrauchte Möbel und Schuhe. Es bleiben immer noch 50 Kisten Gepäck übrig, die verschifft werden müssen. Dass ich in nur zehn Tagen meinen gesamten Abschied von Namibia organisiert bekomme, hätte ich nie gedacht. Ich lasse jedoch auch ein paar „Federn“. Wie ich später erfahren werde ziehe mir in dieser Zeit einen Meniskusriss und einen Nabelbruch zu.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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