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Mit der Angel durch die Wüste

Deutscher Forscher kämpft für das Image von namibischen Reptilien
Annika Brohm
Von Anne Odendahl, Windhoek

Die Sandrennechse lässt sich die heiße Sonne im Süden Namibias auf den Rücken scheinen. Bis zu 42 Grad warm kann ihre Körpertemperatur an der Hautoberfläche werden. Kein Wölkchen trübt den Himmel, aber auf einmal: Schreckstarre. Ein Zustand völliger Bewegungslosigkeit, der eintritt, wenn ein Beutegreifer in der Nähe ist. In diesem Fall ist das Paul Kornacker. Ein geübter Griff für ihn und er hat das Tier in der Hand. Mit einer Schere schneidet er einen Millimeter der Schwanzspitze, eine Schuppe, ab und steckt die Gewebeprobe in ein Röhrchen mit Ethanol. Eine Prozedur, die der Echse keine Schmerzen bereitet. Kornacker wiegt und vermisst sie noch und nach etwa zehn Minuten entlässt er sie wieder in die Freiheit. Das Reptil hat nun seinen Teil zur Wissenschaft beigetragen. Den anderen Teil übernimmt Kornacker. Als Herpetologe erforscht er Amphibien und Reptilien.

Weißer Fleck auf der Karte

Seit September 2016 leitet der Bonner ein Forschungsprojekt in den Tirasbergen im Süden Namibias. Auf der Farm Namtib von Linn und Thorsten Theile führt er das Reptilien-Projekt durch, das von der Wüstenforschungsstation Gobabeb und dem Cheetah Conservation Fund unterstützt wird. „Die Tirasberge sind ein weißer Fleck auf der Karte der Artenvielfalt. Keiner weiß, welche und wie viele Reptilien dort leben“, sagt Kornacker. Biogeografisch gesehen sind die Tirasberge eine Übergangszone zwischen der Kalahari und der Namib. Dadurch entstehen ein Artenwechsel und eine Artenvermischung. Ziel der Arbeit ist es, die Bedeutung des Ökosystems Tirasberge mit seinen unterschiedlichen Lebensbereichen zu erfassen und die Auswirkungen von Klimawandel und ökologischen Störungen zu erforschen. Amphibien und Reptilien gelten als sehr gute Bio-Indikatoren und werden für die Kontrolle von Lebensräumen herangezogen.

Reptilien angeln

Bevor Kornacker ins Feld geht, in diesem Fall die Wüste, packt er seine Tasche mit allen wichtigen Utensilien, wie der digitalen Schieblehre, einem GPS, einer Federwaage - und einer Angel. Denn um die Tiere zu fangen, die sich gerne in Felsspalten oder unter Baumrinden verstecken, nutzt er die Angel als verlängerten Arm. Die Schlinge an ihrem Ende legt er vorsichtig um den Hals der Tiere und zieht sie sanft zu. Das sei völlig ungefährlich. Die meisten Tiere wehren sich nicht, aber manchmal werde er gebissen. „Das ist ja auch ihr gutes Recht“, sagt Kornacker, der auch nach 40 Jahren Reptilienforschung die Faszination für die Tiere nicht verloren hat.

Seine erste Begegnung mit Reptilien hatte er als Jugendlicher. „Andere hatten Vögel oder Fische zuhause, aber ich hielt Echsen und Schlangen in Terrarien. Meine erste Blindschleiche war beim Kauf trächtig, was wir nicht wussten. Nach wenigen Tagen hatten wir 21 Jungtiere und das fand ich so faszinierend, dass ich mich zuerst privat und später auch wissenschaftlich mit den Tieren beschäftigt habe.“

Angst abbauen

Da er aber bei weitem nicht alle Tiere fangen kann, gehört zu seiner Arbeit in den Tirasbergen auch das visuelle Counting, also das Zählen der Tiere, die ihm vor die Füße laufen. Die Arten erkenne er auch von weitem. Zudem stellt er auch sogenannte Eimerfallen auf, um mehr Reptilien zu fangen. Diese kontrolliert er morgens als erstes, damit kein Tier darin verendet. „Als Beifänge habe ich auch schon mal Spinnentiere, wie Skorpione“, sagt er und seine Augen leuchten: „Leider sind sie nicht Teil des Projekts, ansonsten würde ich auch sie gerne untersuchen.“ Ein Wunsch, den die wenigsten nachvollziehen können. „Reptilien und Amphibien finden leider wenig Akzeptanz, dabei ist es wichtig, sich gerade für sie zu engagieren. Ich möchte als Wissenschaftler für die Tiere werben und die Angst vor ihnen abbauen, die völlig zu Unrecht vorhanden ist.“ Kornacker ist auch Naturfotograf. Denn die schönen Momentaufnahmen der vermeintlich furchterregenden Tiere will er teilen und somit Respekt für Flora und Fauna schaffen. „Ich möchte zeigen, mit welchen Augen ich die Tiere sehe“, sagt Kornacker.

Studenten anwerben

Zurück in Deutschland beginnt der Herpetologe ab Ende April mit der Datenauswertung. Über 200 Tiere hat er bereits in den Tirasbergen gesichtet. Ihre Daten werden ausgewertet und die Gewebeproben analysiert, um im Anschluss eine Publikation mit den Ergebnissen zu erstellen. Als Zwischenergebnis kann er schon einmal festhalten, dass die Artenvielfalt viel höher ist, als in der Literatur beschrieben und als er selbst erwartet hat. „Es gibt mehr Arten an Felsenagamen und Geckos. Viele Arten hätte ich auch eher 300 bis 400 km weiter östlich vermutet“, beschreibt Kornacker seine bisherigen Erkenntnisse.

Damit ist die Arbeit aber nicht beendet. „Ich sehe mich als jemand, der die Initialzündung gegeben hat. Ich wünsche mir, dass die Feldforschung unter meiner Anleitung oder selbstständig fortgeführt wird.“ Besonders gut kann er sich vorstellen, dafür Studenten zu begeistern, aus Deutschland und Namibia. Gerne hätte er bereits Unterstützung gehabt, aber bisher gelang es nicht, weitere (angehende) Forscher zu finden. „Zunächst gibt es gar nicht so viele Studenten und Wissenschaftler, die in der Herpetologie arbeiten. Außerdem ist die Arbeit in der Wüste sehr beschwerlich, nicht nur wegen der Hitze, sondern auch wegen des Gebietes, das schwer zu begehen ist“, meint Kornacker. Er weiß auch, dass die namibischen Professoren noch auf altem Forschungstand sind und der Herpetologie generell wenig Förderung zukommt. Er befürchtet sogar, dass die herpetologische Abteilung im Nationalmuseum in Windhoek geschlossen wird.

Auch sein Projekt ist auf Spendengelder und die Unterstützung durch Sponsoren angewiesen. Im Moment hat er noch keine Idee, wie sein Projekt weitergehen kann. „Ein Ansatzpunkt wäre, Studenten zu unterstützen, indem man ihre Kosten für die Anreise und den Forschungsaufenthalt übernimmt.“ Die Integration namibischer und deutscher Studenten oder Wissenschaftler spielt eine bedeutende Rolle. Nicht nur für Kornackers Projekt, sondern auch die damit verbundene Aufklärung über Reptilien.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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