Mit Vogt unter Gebietsmachtsoldaten
Über den Buschkrieg und Unabhängigkeitskampf, generell datiert ab August 1966 bis April 1989, gibt es viele englische und afrikaanse Werke. Einige davon hat die scheidende südafrikanische Wehrmacht sozusagen als Generalstabswerk schon Anfang 1990 kurz vor der namibischen Unabhängigkeit hinterlassen, gewiss in der Annahme, dass andere Autoren und die politischen Sieger die Kampfgeschichte unter eigene Zensur stellen werden. In Lehr-, Wehr- und Wanderjahre eines Gebietsmachtsoldaten erscheinen zum ersten Mal Buschkriegserinnerungen in deutscher Sprache, obwohl eine beträchtliche Anzahl deutschsprachiger Namibier unter südafrikanischem Befehl Waffen getragen hat. Den sonderbaren Buchtitel „In fremden Heeren“ hält Vogt für passend, weil er seine Aufzeichnungen als „winzigen Teil deutscher Militärgeschichte – außerhalb Deutschlands und Europas“ versteht.
Von der Schulbank zum Militär
Andreas Vogt wurde 1981 als Rekrut zur neugebildeten SWA Gebietsmacht (SWAGM) eingezogen, der ausschließlich namibische Soldaten angehörten, die aus allen Sprachgruppen rekrutiert waren und, abgesehen von einigen Offizieren aus eigenen Reihen, unter südafrikanischem Oberbefehl standen, in taktisch-strategischem Verbund mit der südafrikanischen Wehrmacht (SAW/SADF), der SWA-Polizei (SwaPol) und der polizeilichen Guerilla-Abwehr (Koevoet).
Der Autor hat sich mit zweijähriger Wehrpflicht, Patrouillen- und Sicherungseinsätzen im Mangetti-Block an der Roten Linie und am Etoscha-Nationalpark sowie bei periodischen Wehrkamps nach den Wehrpflichtjahren zuletzt in der SWA Brigade Windhoek bis zum Oberleutnant (Nachrichtendienst/SA Intelligence Corps) hochgedient. Die bis ins feine Detail hinein umrissenen autobiographischen Aufzeichnungen umfassen kurz Hinweise auf den Soldatenstand seiner Vorväter im 1. und 2. Weltkrieg, dann ausführlicher seine Schullaufbahn von der Deutschen Schule Windhoek (heute Delta-Schule Windhoek, DSW) und an der Oberschule Jan Möhr, Wehrpflicht, Militärlaufbahn und schließlich Studium an der Universität von Stellenbosch, wo er u. A. unter Prof Degenaar akademische Sternstunden erfährt. Darauf folgt eine Anstellung beim Denkmalsrat (National Monuments Commission) als erster Einstieg ins zivile Berufsleben. Er streift auch tragische Ereignisse innerhalb der Famili Vogt.
Durchweg während Vogts Schulbesuch an der deutschsprachigen Grund- und afrikaansen Oberschule in Windhoek sowie im Militärdrill und der Wehrausbildung in Walvis Bay/Rooikop, Bloemfontein und Oseri Kari/Okahandja verfolgt und notiert der Autor Lehrer, Offiziere sowie ideologische Kaplane nicht nur exakt namentlich, sondern spricht auch kulturelle Sticheleien und Affekte zwischen Afrikaner-Buren und
Namibiern deutscher Sprache an. In der SWA Gebietsmacht (SWAGM) kamen zudem noch komplexe Anpassungsmomente zwischen verschiedenen namibischen Sprachgruppen wie Herero, Nama, Kavango, Farbige und anderen hinzu, deren Hintergrund und Herkunft sich noch viel weiter von dem der Weißen untereinander unterschied. Darunter auch einige Rekruten, die total „unausbildbar“ waren.
Dennoch begann mit der SWAGM erstmalig eine multirassische Wehreinheit, die nicht nur durch die gleiche Uniform sondern auch durch gleiche Ausrichtung vor dem Feind und zum Schutzauftrag der namibischen Bevölkerung zusammengefügt wurde. Manche Soldaten, die aus dem rein-weißen Heer Südafrikas kamen, hatten mit dem multirassischen Militärumgang und der multikulturellen Befehlsstruktur in Namibia ihre Schwierigkeiten. Die multirassische SWAGM-Gruppe, die nach Kimberley zum Offizierslehrgang kam, musste nach kurzer Zeit wieder nach Namibia zurückkehren, denn der dortige Befehl sah sich im vor Ort vorherrschenden Apartheidsrahmen, den die Namibier bereits durchbrochen hatten, durch die gemischte Gruppe Namibier brüskiert.
Der Autor macht sich als ehemaliger Nachrichtenoffizier erkenntlich, indem er aus seinen Quellen exakte Verlustzahlen von Gefechten und Inkursionen beider Seiten mitteilt, woran Kriegsliteratur streng beurteilt werden muss. (Woran die Genozid-Dogmatiker übrigens kläglich scheitern, wenn sie mit bunt aus der Luft gegriffenen Todesziffern lustig um sich werfen.) Unter anderem greift Vogt auf detaillierte Tagebuchaufzeichnungen der Tsumeberin Ilse Schatz zurück. Sie hat die PLAN-Infiltration (Peoples' Liberation Army of Namibia) von 1982 im Raum Mangetti exakt mit allen Namen und Opfern der Verteidiger festgehalten.
James Bond und geopolitische Großwetterlage
Den streckenweise trockenen Verlauf der Militärlaufgbahn durchbricht Vogt wiederholt mit dem chronologischen Bezugsrahmen der James-Bond-Filme des Jahrzehnts sowie mit der großpolitischen Lage im Ost-West-Konflikt, der mit dem Durchbruch der Verständigung zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem Sowjet-Chef Gorbatschof zur einstweilign Beilegung der Stellvertreterkriege führte. Damit wurde eine politische Lösung des Namibia-Konflikts möglich. Vogt wird 1989 bei den allgemeinen Wahlen unter UN-Aufsicht in einem internationalen Team in der Region Kavango Wahlhelfer. Mitten in die historische Wahl bricht 1989 die Berliner Mauer auf und der Autor erfährt dort im Busch an beiden Begebenheiten einen „winzigen Hauch der Weltgeschichte“.
Das analytische Schlusswort ist ferner hilfreich zur Präzisierung am Beispiel der Definition des Terroristenkriegs: „Die Perfidie eines Terroristenkriegs liegt genau in der Logik, die eigene Bevölkerung zu terrorisieren und die Schuld daran dem Feind zuzuweisen ...“ Vogt macht auf die Diskriminierung gegen ehemalige SWAGM- Soldaten und SwaPol-Mitglieder aufmerksam, die von der Regierung bis heute von der Gleichheit vor der Verfassung ausgegrenzt sind. Die ausführliche, auch notwendige Schilderung der zivilen Einsätze der SWAGM dürfte aus Vogts Nachrichtenrepertoire stammen, sollte aber in einem getrennten Anhang untergebracht werden, weil das Interesse des Lesers an derart viel Detail am Ende verblassen muss.
Der Autor hat sich durchweg um exakte deutsche Begriffe für die afrikaansen und englischen Militärtermini bemüht. Bei seiner wortwörtlichen Übersetzung von Hoërskool/High School als „Hochschule“ (gemeint Oberschule) liegt jedoch ein Missgriff vor. Im sonstigen Sprachgebrauch ist seine häufige und daher ermüdende Verwendung des Passivs, dazu mitunter mit beschwerlicher Reflexivform, für eine flüssige Erzählung hinderlich: „... wurde sich noch viel langsamer als notwendig bewegt ...“
Für Namibier, vor allem für Vogts Zeitgenossen, zeichnet sich das Buch durch hohen Wiedererkennungswert aus, mit Personen, Orten und militär-politischem Geschehen. Hilfreich sind das Namens-, Orts- und Sachregister, die umfangreiche Bibliographie sowie eine selten veröffentlichten Landkarte mit Infiltrationsrouten der Guerillas. Mehrsprachige Leser haben zudem den Vorteil auch den Gegenpart von Ex-PLAN-Kämpfer Andreas Niikondo zu lesen, was umgekehrt höchst selten der Fall sein wird.
Eberhard Hofmann
Von der Schulbank zum Militär
Andreas Vogt wurde 1981 als Rekrut zur neugebildeten SWA Gebietsmacht (SWAGM) eingezogen, der ausschließlich namibische Soldaten angehörten, die aus allen Sprachgruppen rekrutiert waren und, abgesehen von einigen Offizieren aus eigenen Reihen, unter südafrikanischem Oberbefehl standen, in taktisch-strategischem Verbund mit der südafrikanischen Wehrmacht (SAW/SADF), der SWA-Polizei (SwaPol) und der polizeilichen Guerilla-Abwehr (Koevoet).
Der Autor hat sich mit zweijähriger Wehrpflicht, Patrouillen- und Sicherungseinsätzen im Mangetti-Block an der Roten Linie und am Etoscha-Nationalpark sowie bei periodischen Wehrkamps nach den Wehrpflichtjahren zuletzt in der SWA Brigade Windhoek bis zum Oberleutnant (Nachrichtendienst/SA Intelligence Corps) hochgedient. Die bis ins feine Detail hinein umrissenen autobiographischen Aufzeichnungen umfassen kurz Hinweise auf den Soldatenstand seiner Vorväter im 1. und 2. Weltkrieg, dann ausführlicher seine Schullaufbahn von der Deutschen Schule Windhoek (heute Delta-Schule Windhoek, DSW) und an der Oberschule Jan Möhr, Wehrpflicht, Militärlaufbahn und schließlich Studium an der Universität von Stellenbosch, wo er u. A. unter Prof Degenaar akademische Sternstunden erfährt. Darauf folgt eine Anstellung beim Denkmalsrat (National Monuments Commission) als erster Einstieg ins zivile Berufsleben. Er streift auch tragische Ereignisse innerhalb der Famili Vogt.
Durchweg während Vogts Schulbesuch an der deutschsprachigen Grund- und afrikaansen Oberschule in Windhoek sowie im Militärdrill und der Wehrausbildung in Walvis Bay/Rooikop, Bloemfontein und Oseri Kari/Okahandja verfolgt und notiert der Autor Lehrer, Offiziere sowie ideologische Kaplane nicht nur exakt namentlich, sondern spricht auch kulturelle Sticheleien und Affekte zwischen Afrikaner-Buren und
Namibiern deutscher Sprache an. In der SWA Gebietsmacht (SWAGM) kamen zudem noch komplexe Anpassungsmomente zwischen verschiedenen namibischen Sprachgruppen wie Herero, Nama, Kavango, Farbige und anderen hinzu, deren Hintergrund und Herkunft sich noch viel weiter von dem der Weißen untereinander unterschied. Darunter auch einige Rekruten, die total „unausbildbar“ waren.
Dennoch begann mit der SWAGM erstmalig eine multirassische Wehreinheit, die nicht nur durch die gleiche Uniform sondern auch durch gleiche Ausrichtung vor dem Feind und zum Schutzauftrag der namibischen Bevölkerung zusammengefügt wurde. Manche Soldaten, die aus dem rein-weißen Heer Südafrikas kamen, hatten mit dem multirassischen Militärumgang und der multikulturellen Befehlsstruktur in Namibia ihre Schwierigkeiten. Die multirassische SWAGM-Gruppe, die nach Kimberley zum Offizierslehrgang kam, musste nach kurzer Zeit wieder nach Namibia zurückkehren, denn der dortige Befehl sah sich im vor Ort vorherrschenden Apartheidsrahmen, den die Namibier bereits durchbrochen hatten, durch die gemischte Gruppe Namibier brüskiert.
Der Autor macht sich als ehemaliger Nachrichtenoffizier erkenntlich, indem er aus seinen Quellen exakte Verlustzahlen von Gefechten und Inkursionen beider Seiten mitteilt, woran Kriegsliteratur streng beurteilt werden muss. (Woran die Genozid-Dogmatiker übrigens kläglich scheitern, wenn sie mit bunt aus der Luft gegriffenen Todesziffern lustig um sich werfen.) Unter anderem greift Vogt auf detaillierte Tagebuchaufzeichnungen der Tsumeberin Ilse Schatz zurück. Sie hat die PLAN-Infiltration (Peoples' Liberation Army of Namibia) von 1982 im Raum Mangetti exakt mit allen Namen und Opfern der Verteidiger festgehalten.
James Bond und geopolitische Großwetterlage
Den streckenweise trockenen Verlauf der Militärlaufgbahn durchbricht Vogt wiederholt mit dem chronologischen Bezugsrahmen der James-Bond-Filme des Jahrzehnts sowie mit der großpolitischen Lage im Ost-West-Konflikt, der mit dem Durchbruch der Verständigung zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem Sowjet-Chef Gorbatschof zur einstweilign Beilegung der Stellvertreterkriege führte. Damit wurde eine politische Lösung des Namibia-Konflikts möglich. Vogt wird 1989 bei den allgemeinen Wahlen unter UN-Aufsicht in einem internationalen Team in der Region Kavango Wahlhelfer. Mitten in die historische Wahl bricht 1989 die Berliner Mauer auf und der Autor erfährt dort im Busch an beiden Begebenheiten einen „winzigen Hauch der Weltgeschichte“.
Das analytische Schlusswort ist ferner hilfreich zur Präzisierung am Beispiel der Definition des Terroristenkriegs: „Die Perfidie eines Terroristenkriegs liegt genau in der Logik, die eigene Bevölkerung zu terrorisieren und die Schuld daran dem Feind zuzuweisen ...“ Vogt macht auf die Diskriminierung gegen ehemalige SWAGM- Soldaten und SwaPol-Mitglieder aufmerksam, die von der Regierung bis heute von der Gleichheit vor der Verfassung ausgegrenzt sind. Die ausführliche, auch notwendige Schilderung der zivilen Einsätze der SWAGM dürfte aus Vogts Nachrichtenrepertoire stammen, sollte aber in einem getrennten Anhang untergebracht werden, weil das Interesse des Lesers an derart viel Detail am Ende verblassen muss.
Der Autor hat sich durchweg um exakte deutsche Begriffe für die afrikaansen und englischen Militärtermini bemüht. Bei seiner wortwörtlichen Übersetzung von Hoërskool/High School als „Hochschule“ (gemeint Oberschule) liegt jedoch ein Missgriff vor. Im sonstigen Sprachgebrauch ist seine häufige und daher ermüdende Verwendung des Passivs, dazu mitunter mit beschwerlicher Reflexivform, für eine flüssige Erzählung hinderlich: „... wurde sich noch viel langsamer als notwendig bewegt ...“
Für Namibier, vor allem für Vogts Zeitgenossen, zeichnet sich das Buch durch hohen Wiedererkennungswert aus, mit Personen, Orten und militär-politischem Geschehen. Hilfreich sind das Namens-, Orts- und Sachregister, die umfangreiche Bibliographie sowie eine selten veröffentlichten Landkarte mit Infiltrationsrouten der Guerillas. Mehrsprachige Leser haben zudem den Vorteil auch den Gegenpart von Ex-PLAN-Kämpfer Andreas Niikondo zu lesen, was umgekehrt höchst selten der Fall sein wird.
Eberhard Hofmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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