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Moyo und die Medien: Presse ohne Freiheit in Simbabwe

Ende April 1991 fanden sich zahlreiche afrikanische Journalisten zu einem UNESCO-Seminar zur Förderung einer unabhängigen und pluralistischen afrikanischen Presse in Windhoek zusammen.

Deren ?Windhoeker Erklärung? gilt seither als ein Grundsatzdokument zum Recht auf Meinungsfreiheit. In Übereinstimmung mit Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, so die Erklärung, sei die Schaffung, Bewahrung und Pflege einer unabhängigen, pluralistischen und freien Presse für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Demokratie wesentlich.

Auftritt: Jonathan Moyo

Ende Februar 2004 weilte der Informationsminister Zimbabwes am Geburtsort der ?Windhoeker Erklärung?. Sein offizieller Besuch diente der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrages mit dem namibischen Amtskollegen. In einem Interview mit der staatlichen Zeitung ?New Era? forderte er die beiden Länder dazu auf, ihrer seinerzeit im Befreiungskampf geborenen Aufgabe gemeinsamer Solidarität gerecht zu werden. Die historischen Bande sollten gestärkt und die neuen Herausforderungen angenommen werden. Dabei habe Information eine kritische Aufgabe zu erfüllen, indem sie jenen Generationen zugänglich gemacht wird, die ansonsten über die wirkliche Geschichte nicht im Bilde wären.

Der Minister muss eigentlich wissen, wovon er spricht. War er doch selbst bis Ende der 1990er Jahre einer der vehementesten Kritiker von Befreiungsbewegungen an der Macht. Noch im Februar 1999 bedauerte er anlässlich einer Konferenz auf der ehemaligen Gefängnisinsel Robben Island den Fehler, Befreiungskämpfe nur als Ausdruck der Notwendigkeit zur Beseitigung weisser Minderheitsregime verstanden zu haben. Diese hätten keineswegs nur durch schwarze Mehrheitsregierungen ohne Anerkennung der Grundsatzprinzipien von Demokratie und Menschenrechten ersetzt werden sollen. Neue Machttragende begingen im Namen nationaler Befreiung völlig unakzeptable Dinge. Es schmerze ihn sehr, dass einige derjenigen die auf Robben Island gelitten, nunmehr ganze Länder in Gefängnisinseln verwandelt hätten. Das war ziemlich starker Tobak, und verärgerte die anwesenden Minister (auch aus Zimbabwe und Namibia).

Nur drei Jahre später, im März 2002, pries er die Ergebnisse der manipulierten Präsidentschaftswahlen als ein eindrucksvolles Zeugnis dessen, dass Zimbabwes Menschen nicht von der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in neuen Kolonialismus übergehen und dem Menschenrechtsgerede als Vertiefung von Ungleichheit aufsitzen würden. - Dank Rhetorik solchen Kalibers handelte sich Jonathan Moyo die wenig schmeichelhafte Bezeichnung ?Goebbels von Afrika? ein. Das ist zwar selber ein allzu demagogisches Etikett angesichts der einzigartigen Rolle, die der Propagandaminister des Nazi-Regimes im Zuge von Kriegsagitation und Holocaust spielte. Plakative Zuweisungen dieser Sorte illustrieren jedoch den Grad gesellschaftlicher Polarisierung und die Radikalität des Dissenses innerhalb der heutigen Gesellschaft Zimbabwes.

Inmitten des ?dritten Chimurenga?

Die gegenwärtigen verschärften Angriffe auf die Pressefreiheit in Zimbabwe sind keinesfalls oder auch nur hauptsächlich das Ergebnis eines persönlich motivierten Feldzugs des ehemals kritischen Intellektuellen, der mittlerweile zum Erfüllungsgehilfen jener Staatsrepression mutierte, die er selbst noch so eloquent attackiert hatte. Jonathan Moyo ist nur ein besonders augenfälliges Beispiel für jene, die aus Opportunitätsgründen zum Zwecke der Selbstbereicherung in das nachkoloniale Establishment wechselten, um dort mit Radikalsprüchen ihre eigensüchtigen Motive zu kaschieren. Derer gibt es viele allüberall, und schon Frantz Fanon geisselte sie in seinem vor über 40 Jahren erschienenen Manifest ?Die Verdammten dieser Erde? verächtlich für deren Beweggründe, ?bei der Verteilung der Unabhängigkeitstorte dabei zu sein. Die Partei wird zu einem Vehikel für individuelle Erfolge.? Sie wird Motor einer ?Befreiungspolitik?, die anachronistische und elitäre Totalitarismen produziert. Dabei geht es in erster Linie zunehmend darum, sich an den Schalthebeln und Kontrollinstrumenten des okkupierten Staatsapparates zu halten. Dies läuft auf eine Politik hinaus, die ?links redet und rechts handelt?. Sie soll von den eigentlichen Motiven und entsprechenden Handlungen der neuen Elite abzulenken versuchen. So zu verfolgen am Beispiel der ?fast track?-Landnahme, die den Jonathan Moyos und Co. den Zugriff auf mehrere Farmen bescherte.

Mittlerweile artikulieren ?Kriegsgewinnler? des ?dritten Chimurenga? wie Moyo jene totalitäre Geisteshaltung, die er früher noch anprangerte. So stellte er in einem Referat als Dozent an der Universität von Zimbabwe 1992 fest, der ?Chimurenga? (so heisst der antikoloniale Befreiungskampf in Zimbabwe) habe tiefgreifende sozialpsychologische Auswirkungen auf alle Seiten gehabt. Dem bewaffneten Kampf habe es an einer Leitmoral und Ethik gemangelt. Er sei somit der Manipulation durch skrupellose nationalistische Politiker und militärischer Befehlshaber ausgeliefert gewesen, die den Befreiungskampf zu ihren Selbstzwecken missbraucht hätten. Dies habe in einer Kultur der Angst gemündet. Dominiert habe Gewalt im Namen des Nationalismus und Sozialismus.

Heutzutage ist Jonathan Moyo einer derjenigen, die zu diesen Tätern gehören. Laut einem Bericht des Media Institute for Southern Africa (MISA), drohte er auf einer Pressekonferenz in Bulawayo Ende April dieses Jahres, dass es in den Gefängnissen Zimbabwes genügend Platz für jene Journalisten gebe, die sich mit ausländischen Presseorganen abgeben würden. Als ?Schreibtisch-Terroristen? wären sie das nächste Ziel: der Gegner seien die Medien, die ihre Schreiberei zu Lügen über das Land benutzten. Solche Reporter seien Terroristen und sie müssten das Gesetz des Landes zu spüren kriegen.

Herrschaft durch Verbot

Es ist die Herrschaft durch gesetzliches Verbot, das solches Rechtsverständnis charakterisiert. Die Regierung und deren ausführenden staatlichen Organe bedienen sich der Zensur auf der Grundlage eigens erlassener Gesetze, die dadurch eine Rechtsstaatlichkeit vorgaukeln. So wird ständig betont, dass Verbote rechtens sind. Angesichts des Vollzugs solcher Scheinrechtmässigkeit bleibt das Konzept von Gerechtigkeit als Grundkategorie legitimer (im Unterschied zu legaler) staatlicher Justiz auf der Strecke.

Dabei macht die Strategie des Verbots auch nicht vor regierungsloyalen Medienproduktionen Halt und enthüllt den umfassenden Kontrollanspruch des intoleranten Systems. Ein besonders prominentes Beispiel ist die Einstellung der live ausgestrahlten Fernsehsendung ?Talk of the Nation? (ja, so hieß diese auch in Zimbabwe) zu Mitte des Jahres 2001. Zur Begründung gab ein Sprecher der staatlichen Zimbabwe Broadcasting Corporation (ZBC) an, bei live-Produktionen wisse man schliesslich nie, was jemand sagen würde. Es gebe keine Möglichkeit, dies zu kontrollieren.

Medien, die unabhängig vom Staat oder jenseits direkter Kontrolle durch die Regierung operieren, kommen zunehmend stärker unter Druck oder werden aufgrund konstruierter ?Gesetzesverstöße? dicht gemacht. Dies geschah spektakulär mit der Schließung von ?Daily News? und ?Sunday News?. Im Juni 2004 musste auch ?The Tribune? und deren Sonntagsausgabe die Auflagen einstellen. Dem Verlag wurde vorgeworfen, gegen eine Klausel des berüchtigten ?Access to Information and Protection of Privacy Act? (AIPPA) verstossen zu haben, einem der Gesetze zum missbräuchlichen Einsatz gegen unliebsame Medien durch die ?Media and Information Commission? (MIC). Der ?Tribune?-Verleger war selber Parlamentsabgeordneter der Regierungspartei ZANU-PF und wurde von der Partei seines Mandats suspendiert, nachdem er in seiner ersten Rede im Parlament das Mediengesetz AIPPA kritisiert hatte.

So überrascht es nicht, dass der letzte Überblick über die Pressefreiheit im Südlichen Afrika, der von MISA am 26. April (?World Press Freedom Day?) veröffentlicht wurde, für das Jahr 2003 über die Hälfte aller 188 erfasster Verstösse gegen die Medienfreiheit und freie Meinungsäusserung in den zehn untersuchten Ländern alleine in Zimbabwe verortete. Mit der Verengung öffentlicher Meinungsvielfalt durch die Einschränkung der unabhängigen Berichterstattung wird der geduldete Diskurs auf eine zunehmender staatsoffizielle Version von Geschichte und Gegenwart getrimmt. Abweichende Positionen werden zensiert, deren Medienorgane verboten, die als unbotmässig betrachteten Journalisten abgestraft. Viele unter ihnen wurden verhaftet, des Landes verwiesen oder mussten aus Sicherheitsgründen ins Exil gehen. Viele andere fielen durch Verlust des Arbeitsplatzes der Armut und psychischen Not anheim.

Die drakonischen Eingriffe in einen Grundbestandteil demokratischer Praxis dokumentieren jenseits der vordergründigen Stärke solcher Repression aber zugleich auch die eigentliche Schwäche der Regierungspartei. Sie kann es sich anscheinend nicht mehr erlauben, angesichts der massiven Opposition die öffentliche Äußerung abweichender Meinungen zu dulden. So zeigt die drastische Einschränkung unabhängiger Berichterstattung letztlich nur, dass die politisch Mächtigen im Lande glauben, ein wesentlichen Element demokratischer Grundprinzipien nicht mehr hinnehmen zu können: das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Hinweis: Anfang August veröffentlicht das Nordic Africa Institute in Uppsala in der Serie ?Current African Issues? (Nr. 27) Beiträge zu ?Media, Public Discourse and Political Contestation in Zimbabwe?. Die Publikation ist dann auch auf der web site des Instituts frei zugänglich (www.nai.uu.se <http://www.nai.uu.se>).

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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