Namibias DDR-Kinder als Auszubildende im Schwarzwald
Geboren in Afrika und aufgewachsen in der DDR, zieht es viele der sogenannten DDR-Kinder seit ihrer Rückführung in das unabhängige Namibia wieder nach Deutschland. Ein im Schwarzwald ansässiger Verein hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Jugendlichen, von denen sich viele in Namibia nicht heimisch fühlten, Ausbildungsstellen in der Bundesrepublik zu vermitteln. Das auf zehn Jahre befristete Projekt läuft nun aus. WAZon besuchte im November die letzten Auszubildenden in der Kleinstadt Trossingen im Schwarzwald.
Die leere Bierflasche wandert von einer Hand in die nächste. Kritisch beäugen die drei jungen Männer das Etikett, diskutieren in einem nur für Insider verständlichen Kauderwelsch aus Oshivambo und Deutsch. "Die war doch immer braun, oder etwa nicht?", fragt Petrus schließlich indigniert und hält die grüne Flasche mit dem neuen Windhoek-Lager-Design hoch. Die anderen beiden brechen in amüsiertes Gelächter aus, winken ab. Es ist nicht wichtig.
Für Marwin Helau und Martin Kaputu findet das Leben fernab von Namibia und dem Genuss eines kühlen Windhoek Lager statt. Am liebsten würden sie gar nicht wieder zurückkehren. "I han schon immer das G"fühl g"habt, dass i in Namibia fehl am Platz bin", sagt Marwin in breitem Schwäbisch.
Seit knapp dreieinhalb Jahren lebt der 27-jährige gebürtige Namibier in der Kleinstadt Trossingen im Schwarzwald. Bei einem KFZ-Mechaniker im benachbarten Spaichingen ist er in die Lehre gegangen, hat dort gelernt, mit Bordcomputer die Fehlerursache bei reparaturbedürftigen Wagen zu orten. Wenn er nach abgeschlossener Lehre Ende Februar nach Namibia zurückkehren muss, wird ihm diese fortschrittliche Technik allerdings nicht viel bringen, weiß Marwin. Aber das macht nichts. "I bevorzug eigendlich sowieso das herkömmliche Rumbaschdeln. Hier werden so viel Teil" am Auto ersetzt, die man eigendlich noch gut brauche könnt. Mit dem, was hier wegg"schmissen wird, könnt i in Namibia a" eigene Garage uffmache."
Marwin ist einer von 18 Namibiern, die eine vom Deutsch-Namibischen Hilfsfonds Quandt e.V. vermittelte Ausbildungsstelle in der Bundesrepublik Deutschland bekommen haben. Das Azubi-Projekt wurde ein knappes Jahr nach der Unabhängigkeitwerdung Namibias eingeführt. Ziel war, den sogenannten DDR-Kindern, die mit der Unabhängigkeit Namibias aus der DDR in eine ihnen fremde "Heimat" zurückgeführt wurden, die Chance zu einer Ausbildung in der Bundesrepublik zu geben. Einer Ausbildung, mit der sie in Namibia gute Berufschancen haben, Aufbauarbeit leisten können. Damals unterzeichnete die Bundesregierung eine Vereinbarung mit Namibia. Inhalt: Für die Dauer der Ausbildung sollten die deutschsprachigen Schwarzen eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Das Abkommen allerdings war auf zehn Jahre begrenzt.
Marwin Helau (27), Martin Kaputu (27) und Petrus Mwashekuna (23) sind die letzten Nutznießer dieses Projektes. Ein Großteil der ehemaligen Azubis übt heute den in der Bundesrepublik gelernten Beruf erfolgreich in Namibia aus. So beispielsweise der 29-jährige Bankkaufmann Thomas Nashixwa. Er ging bei dem Vorsitzenden des Deutsch-Namibischen Hilfsfonds und Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Trossingen, Georg Quandt, für drei Jahre in die Lehre. Anschließend machte er ein internationales Management-Diplom in Köln, arbeitete dann als Finanzanalytiker bei der Commercial Bank in Windhoek. Eine erfolgreiche Karriere als Kreditbeurteiler, Geschäftsanalysator und später Filialleiter für Otjiwarongo bei der Namibia Development Corporation (NDC) hat er hinter sich. Heute ist Thomas Geschäftsentwicklungs- und Marketing-Manager beim Qualitätskontrollinstitut SABS (South African Bureau of Standards). "Was ich in Deutschland gelernt habe, war die Grundlage für alles, was ich heute erreicht habe", sagt Thomas rückblickend.
Nicht bei allen Auszubildenden war das Projekt des Deutsch-Namibischen Hilfsfonds erfolgreich, meint Initiator Georg Quandt. "Zwei Jungs haben die Lehre abgebrochen, weil sie Heimweh nach Namibia hatten. Drei sind später zurückgekommen nach Deutschland, weil sie es in Namibia nicht ausgehalten haben. Einer davon hat eine deutsche Frau geheiratet, weil er hierbleiben wollte. Das funktioniert natürlich nicht", meint Quandt mit wegwerfender Handbewegung.
Petrus, Martin und Marwin schweigen dazu. Artig sitzen sie in ihren Stühlen im Konferenzraum der Volksbank Trossingen, wohin Quandt die drei zum Interview beordert hat.
"Sich eine Frau schnappe und heirate, um hier bleibe zu könne - das ist nicht mein Ding", sagt Marwin später. Aber auf Max - den ehemaligen Azubi, der nun durch Heirat legal in der Nähe von Trossingen bleiben darf -, wollen die drei Azubis aus dem Schwarzwald nichts kommen lassen. "Das gab damals eine unschöne Schlammschlacht in der Zeitung", sagen sie ausweichend. Der "Schwarzwälder Bote" hatte über die Differenzen des Lehrlings mit dem Vereinsvorsitzenden Quandt berichtet.
Am späten Nachmittag holt Max seine drei Kumpels zum Fußballspielen ab. "Die Jungs haben sich hier gut eingelebt", erzählt der Hausmeister der Volksbank Trossingen. "Das sind lustige Kerls, sie sind hier sehr beliebt." Auch bei den Frauen, scheints. "Wenn wir hier weggehen, hat Petrus viel zu tun", witzeln Marwin und Martin. Für den KFZ-Mechaniker Helau und den gelernten Bankkaufmann Kaputu ist die Zeit im Schwarzwald bald abgelaufen. Am 28. Februar ist ihre Lehre abgeschlossen, am gleichen Tag endet auch ihre Aufenthaltsgenehmigung, geht ihr Flieger zurück nach Namibia.
Petrus hat noch eineinhalb Jahre, bevor er sein Bankkaufmann-Diplom in der Tasche hat. Der 23-Jährige mit den kurzen Rastalocken gehörte zu der letzten Gruppe von Kindern, die kurz vor der Unabhängigkeit Namibias von der Swapo in die DDR geschickt wurden. Als Neunjähriger kehrte er nach nur knapp zwei Jahren nach Namibia zurück. Von der Ausbildungsvermittlung durch den Deutsch-Namibischen Hilfsfonds erfuhr er während einer Deutschlandtournee mit dem Schulchor der Ella du Plessis Schule von Windhoek, der einen Auftritt in Trossingen hatte.
Im Gegensatz zu Marwin und Martin freut sich Petrus schon auf die Rückkehr nach Namibia. "Ich vermisse meine Familie und Freunde", sagt er in gebrochenem Deutsch. "Meine Wurzeln sind da unten."
Die leere Bierflasche wandert von einer Hand in die nächste. Kritisch beäugen die drei jungen Männer das Etikett, diskutieren in einem nur für Insider verständlichen Kauderwelsch aus Oshivambo und Deutsch. "Die war doch immer braun, oder etwa nicht?", fragt Petrus schließlich indigniert und hält die grüne Flasche mit dem neuen Windhoek-Lager-Design hoch. Die anderen beiden brechen in amüsiertes Gelächter aus, winken ab. Es ist nicht wichtig.
Für Marwin Helau und Martin Kaputu findet das Leben fernab von Namibia und dem Genuss eines kühlen Windhoek Lager statt. Am liebsten würden sie gar nicht wieder zurückkehren. "I han schon immer das G"fühl g"habt, dass i in Namibia fehl am Platz bin", sagt Marwin in breitem Schwäbisch.
Seit knapp dreieinhalb Jahren lebt der 27-jährige gebürtige Namibier in der Kleinstadt Trossingen im Schwarzwald. Bei einem KFZ-Mechaniker im benachbarten Spaichingen ist er in die Lehre gegangen, hat dort gelernt, mit Bordcomputer die Fehlerursache bei reparaturbedürftigen Wagen zu orten. Wenn er nach abgeschlossener Lehre Ende Februar nach Namibia zurückkehren muss, wird ihm diese fortschrittliche Technik allerdings nicht viel bringen, weiß Marwin. Aber das macht nichts. "I bevorzug eigendlich sowieso das herkömmliche Rumbaschdeln. Hier werden so viel Teil" am Auto ersetzt, die man eigendlich noch gut brauche könnt. Mit dem, was hier wegg"schmissen wird, könnt i in Namibia a" eigene Garage uffmache."
Marwin ist einer von 18 Namibiern, die eine vom Deutsch-Namibischen Hilfsfonds Quandt e.V. vermittelte Ausbildungsstelle in der Bundesrepublik Deutschland bekommen haben. Das Azubi-Projekt wurde ein knappes Jahr nach der Unabhängigkeitwerdung Namibias eingeführt. Ziel war, den sogenannten DDR-Kindern, die mit der Unabhängigkeit Namibias aus der DDR in eine ihnen fremde "Heimat" zurückgeführt wurden, die Chance zu einer Ausbildung in der Bundesrepublik zu geben. Einer Ausbildung, mit der sie in Namibia gute Berufschancen haben, Aufbauarbeit leisten können. Damals unterzeichnete die Bundesregierung eine Vereinbarung mit Namibia. Inhalt: Für die Dauer der Ausbildung sollten die deutschsprachigen Schwarzen eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Das Abkommen allerdings war auf zehn Jahre begrenzt.
Marwin Helau (27), Martin Kaputu (27) und Petrus Mwashekuna (23) sind die letzten Nutznießer dieses Projektes. Ein Großteil der ehemaligen Azubis übt heute den in der Bundesrepublik gelernten Beruf erfolgreich in Namibia aus. So beispielsweise der 29-jährige Bankkaufmann Thomas Nashixwa. Er ging bei dem Vorsitzenden des Deutsch-Namibischen Hilfsfonds und Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Trossingen, Georg Quandt, für drei Jahre in die Lehre. Anschließend machte er ein internationales Management-Diplom in Köln, arbeitete dann als Finanzanalytiker bei der Commercial Bank in Windhoek. Eine erfolgreiche Karriere als Kreditbeurteiler, Geschäftsanalysator und später Filialleiter für Otjiwarongo bei der Namibia Development Corporation (NDC) hat er hinter sich. Heute ist Thomas Geschäftsentwicklungs- und Marketing-Manager beim Qualitätskontrollinstitut SABS (South African Bureau of Standards). "Was ich in Deutschland gelernt habe, war die Grundlage für alles, was ich heute erreicht habe", sagt Thomas rückblickend.
Nicht bei allen Auszubildenden war das Projekt des Deutsch-Namibischen Hilfsfonds erfolgreich, meint Initiator Georg Quandt. "Zwei Jungs haben die Lehre abgebrochen, weil sie Heimweh nach Namibia hatten. Drei sind später zurückgekommen nach Deutschland, weil sie es in Namibia nicht ausgehalten haben. Einer davon hat eine deutsche Frau geheiratet, weil er hierbleiben wollte. Das funktioniert natürlich nicht", meint Quandt mit wegwerfender Handbewegung.
Petrus, Martin und Marwin schweigen dazu. Artig sitzen sie in ihren Stühlen im Konferenzraum der Volksbank Trossingen, wohin Quandt die drei zum Interview beordert hat.
"Sich eine Frau schnappe und heirate, um hier bleibe zu könne - das ist nicht mein Ding", sagt Marwin später. Aber auf Max - den ehemaligen Azubi, der nun durch Heirat legal in der Nähe von Trossingen bleiben darf -, wollen die drei Azubis aus dem Schwarzwald nichts kommen lassen. "Das gab damals eine unschöne Schlammschlacht in der Zeitung", sagen sie ausweichend. Der "Schwarzwälder Bote" hatte über die Differenzen des Lehrlings mit dem Vereinsvorsitzenden Quandt berichtet.
Am späten Nachmittag holt Max seine drei Kumpels zum Fußballspielen ab. "Die Jungs haben sich hier gut eingelebt", erzählt der Hausmeister der Volksbank Trossingen. "Das sind lustige Kerls, sie sind hier sehr beliebt." Auch bei den Frauen, scheints. "Wenn wir hier weggehen, hat Petrus viel zu tun", witzeln Marwin und Martin. Für den KFZ-Mechaniker Helau und den gelernten Bankkaufmann Kaputu ist die Zeit im Schwarzwald bald abgelaufen. Am 28. Februar ist ihre Lehre abgeschlossen, am gleichen Tag endet auch ihre Aufenthaltsgenehmigung, geht ihr Flieger zurück nach Namibia.
Petrus hat noch eineinhalb Jahre, bevor er sein Bankkaufmann-Diplom in der Tasche hat. Der 23-Jährige mit den kurzen Rastalocken gehörte zu der letzten Gruppe von Kindern, die kurz vor der Unabhängigkeit Namibias von der Swapo in die DDR geschickt wurden. Als Neunjähriger kehrte er nach nur knapp zwei Jahren nach Namibia zurück. Von der Ausbildungsvermittlung durch den Deutsch-Namibischen Hilfsfonds erfuhr er während einer Deutschlandtournee mit dem Schulchor der Ella du Plessis Schule von Windhoek, der einen Auftritt in Trossingen hatte.
Im Gegensatz zu Marwin und Martin freut sich Petrus schon auf die Rückkehr nach Namibia. "Ich vermisse meine Familie und Freunde", sagt er in gebrochenem Deutsch. "Meine Wurzeln sind da unten."
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Allgemeine Zeitung
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