Namibischer Machtpoker
Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Selbst für die unmittelbar Betroffenen kam die kurzfristig anberaumte Presseerklärung von Präsident Sam Nujoma am Morgen des 27. August gänzlich unerwartet. Unter Verweis auf seine verbrieften Rechte kündigte das Staatsoberhaupt eine dramatische Kabinettsumbildung an. Sie sei im hauptsächlichen Kern kurz rekapituliert: Mit sofortiger Wirkung wurde der seit der Unabhängigkeit amtierende Premierminister Hage Geingob seines Postens enthoben und durch den ebenso lang gedienten bisherigen Außenminister Theo-Ben Gurirab ersetzt. Dessen außenpolitischer Zuständigkeitsbereich wurde dem Handels- und Industrieminister Hidipo Hamutenya übertragen. Alle drei gehörten bislang zum altgedienten Exil-Kader der Swapo und den Konkurrenten um die höchsten Ämter in Partei und Regierung. Mit der Demontage Geingobs - der die herablassende Geste ausschlug, als Minister für Regional- und Lokalverwaltung sein Gnadenbrot zu verdienen (was er im materiellen Sinne ohnehin nicht nötig hat, denn nach zwölf Jahren als Premierminister hat er seine Schäfchen im Trockenen und kann sich der Vermögensverwaltung und den erworbenen Ländereien widmen) - scheint einer nunmehr aus dem Rennen.
Erinnern wir uns: Erst vor weniger als einem Jahr sorgte die Ankündigung für Aufsehen, dass Nujoma keinesfalls mehr eine weitere (von der bereits einmal diesbezüglich als Ausnahmeregelung abgeänderten Verfassung ohnehin nicht vorgesehene) Amtszeit erwäge. Allerdings wurde diese Erklärung nicht von ihm selber abgegeben, sondern von Hifikepunye Pohamba, dem damaligen Generalsekretär der Swapo. Dieser gilt als Vertrauter des Präsidenten und wurde von ihm im Vorfeld des Swapo-Kongresses Anfang August für die Wahlen als stellvertretender Parteipräsident (und damit Nachfolger des aus Gesundheitsgründen nicht mehr kandidierenden Hendrik Witbooi) nominiert. Dies wird auch als die Verleihung einer möglichen Anwartschaft auf die Thronfolge interpretiert. Auch für die Ämter des Generalsekretärs und dessen Vize in der Partei hatte Nujoma seine eigenen Kandidaten parat, mit denen kaum jemand gerechnet hatte. Obwohl die Präferenzen des Präsidenten durchaus nicht ungeteilte Zustimmung fanden, gab es keine anderen Vorschläge. Die Wahl der auserkorenen Günstlinge war somit (wenn auch für viele zähneknirschend) reine Formsache. So viel zur Lage der innerparteilichen Demokratie.
Jenseits der unverkennbare Missbilligung solch selbstherrlichen Vorgehens gab es schließlich doch noch offenen Protest, als der Präsident seine zunehmend autokratischeren Züge im Laufe des Kongresses (23. bis 26. August) zu erkennen gab. Als der von ihm erwartete geschlechtspezifische Proporz durch zu wenige nominierte Kandidatinnen für die zu wählenden Mitglieder des Zentralkomitees nicht eingelöst werden konnte, verfiel er auf die Idee, dieses Manko durch die eigenmächtige Ernennung der entsprechenden Zahl von Frauen beheben zu wollen. Die Umsetzung seiner Allmachtsvorstellung hätte bedeutet, den Teufel (die Diskriminierung und mangelnde Repräsentanz von Frauen auch im nachkolonialen politischen Alltag) mit Beelzebub (der Abschaffung wenigstens halbwegs demokratischer Wahlen zum Zentralkomitee) austreiben zu wollen.
Einige der Genossen, die dabei auch um ihre eigene Position im ZK zu bangen begannen, warfen wohl nicht in erster Linie aus demokratischer Prinzipientreue ihrem Parteiobersten zu dessen unverhohlenem Ärger diktatorische Anmaßung vor und bügelten die Schnapsidee ab. Es wird spekuliert, dass dieser Konflikt der berühmte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Anders ausgedrückt: die schon länger schwelende unterschwellige Spannung zwischen Nujoma und Geingob, die sich auch darin artikulierte, dass letzterer als einer der Kritiker am Gebaren des Präsidenten galt, ließ dessen sprichwörtlichen Geduldsfaden reißen. Die brüskierende Art, in der Nujoma mit seinem altgedienten Weggefährten (der immerhin als Leiter der Swapo-Wahlkampagne die Rückkehr Nujomas als Präsident der Republik Namibia maßgeblich mitgestaltete) seit Beginn letzten Jahres zunehmend umsprang, schürt diese Mutmaßung.
Allerdings greifen solch nahe liegenden personifizierenden Erklärungen - so verführerisch stichhaltig sie scheinen - zu kurz. Es gibt Grundsätzlicheres anhand der weiteren innenpolitischen Entwicklungen zu prüfen. So ist dies gewiss die bislang markanteste Ouvertüre zum sich abzeichnenden Kampf um die Nachfolge Nujomas - so es eine solche dann tatsächlich schon geben wird. Ende 2004 stehen die Parlaments- und Präsidentenwahlen an. Die innerparteilichen Rivalitäten und die Grabenkämpfe der Seilschaften (bei denen die drei Hauptbetroffenen der Kabinettsumbildung maßgeblich mit von der Partie waren) sind bereits in vollem Gange. Aus dem Revirement kann zuvorderst nur geschlossen werden, dass Geingob dabei den Kürzeren gezogen hat Alles Weitere bleibt abzuwarten.
Ein "Kriegskabinett" hingegen, wie nur wenige Tage zuvor vom benachbarten Busenfreund Robert Mugabe proklamiert, ist die umgemodelte namibische Ministerrunde (in der ein paar weitere, im Wesentlichen Bedeutungszusammenhang allerdings weniger drastische Rochaden vorgenommen wurden) keinesfalls.
Signifikant (um nicht zu sagen alarmierend) ist jedoch der Umstand, dass das neue Außenministerium unter Hamutenya nicht mehr für den staatlichen Informationsbereich (insbesondere Rundfunk und Fernsehen) zuständig ist. Die Verantwortung dafür hat sich Nujoma selbst zuerteilt - obwohl Hamutenya als Informationsminister im ersten Kabinett Namibias einschlägige Erfahrungen sammeln konnte. Das lässt nichts Gutes ahnen, denn die Medienkontrolle ist gewiss kein unerhebliches Manipulationsinstrument im Zuge der Weichenstellung für die künftigen politischen Entwicklungen. So bleibt abzuwarten, ob denn der Präsident tatsächlich nach der dritten Amtszeit zumindest formal und offiziell in den Ruhestand überwechselt - und falls ja, ob ein Nachfolger seines Vertrauens künftig nominell und als Befehlsempfänger die Staatsgeschäfte leiten soll. Gewiss ist in keiner Hinsicht das letzte Wort darüber gesprochen, wer denn während der 2005 beginnenden neuen fünfjährigen Legislaturperiode das Präsidentenviertel beziehen wird, das in den kommenden Jahren mit großem materiellen Aufwand auf ausdrücklichem Wunsch und mehrfaches Drängen Nujomas erbaut werden soll.
Es fällt jedenfalls auf, dass sich die Begleiterscheinungen einer innenpolitischen Radikalisierung häufen. Den Auftakt bildete Anfang August eine Demonstration traditioneller Ovambo-Führer in der nördlichen Hochburg der Swapo. Sie fühlten sich dazu berufen, eine weitere Amtszeit von Nujoma zu fordern. Angeblich ist ihnen die Inspiration dazu nicht ganz allein gekommen. Zum Stimmungswandel gehört auch, dass der Präsident selber das populistisch-rhetorische Säbelgerassel in den letzten Wochen wieder deutlich steigerte, indem er anlässlich eines Gewerkschaftskongresses Mitte August die Schwulen- und Lesbenhetze in gewohnt unappetitlicher Manier reaktivierte und sie mit - an Rassismus grenzenden - antiimperialistischen Geschmacksverstärkern würzte. Schließlich gehört dazu auch, dass von ihm im Rahmen des Swapo-Kongresses und danach die Position zur Landfrage mit ähnlichen Tönen und dem Versöhnungsgedanken ganz und gar abhold angeheizt wurde. Vor der neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (Nepad) und deren Kodex zu guter Regierungsführung warnte er als dräuendem neokolonialem Vereinnahmungsversuch und Angriff auf die Souveränität afrikanischer Staaten. - Mugabe und Co. lassen grüßen.
Dass anlässlich der Eröffnung einer pompösen Gedenkstätte am namibischen Heldengedenktag (26. August) der ehemalige Swapo-Funktionär und jetzige Oppositionspolitiker Ben Ulenga bei einer Kranzniederlegung im Rahmen der Feierlichkeiten von einem Teil der einstigen Genossen mit Missfallenskundgebungen bedacht wurde, passt ins gleiche Bild. Toleranz, Aufgeschlossenheit und ein demokratisches Verständnis gehörten noch nie zu den Tugenden, die innerhalb der ehemaligen Befreiungsbewegung gepflegt wurden. Es steht zu befürchten, dass sie im Zuge der wahlvorbereitenden politischen Machtkämpfe in den kommenden Monaten noch mehr auf der Strecke bleiben. Sehr zum Schaden des Landes und seiner Menschen, für deren Wohlergehen sich die Swapo-Politiker zu engagieren behaupten.
Erinnern wir uns: Erst vor weniger als einem Jahr sorgte die Ankündigung für Aufsehen, dass Nujoma keinesfalls mehr eine weitere (von der bereits einmal diesbezüglich als Ausnahmeregelung abgeänderten Verfassung ohnehin nicht vorgesehene) Amtszeit erwäge. Allerdings wurde diese Erklärung nicht von ihm selber abgegeben, sondern von Hifikepunye Pohamba, dem damaligen Generalsekretär der Swapo. Dieser gilt als Vertrauter des Präsidenten und wurde von ihm im Vorfeld des Swapo-Kongresses Anfang August für die Wahlen als stellvertretender Parteipräsident (und damit Nachfolger des aus Gesundheitsgründen nicht mehr kandidierenden Hendrik Witbooi) nominiert. Dies wird auch als die Verleihung einer möglichen Anwartschaft auf die Thronfolge interpretiert. Auch für die Ämter des Generalsekretärs und dessen Vize in der Partei hatte Nujoma seine eigenen Kandidaten parat, mit denen kaum jemand gerechnet hatte. Obwohl die Präferenzen des Präsidenten durchaus nicht ungeteilte Zustimmung fanden, gab es keine anderen Vorschläge. Die Wahl der auserkorenen Günstlinge war somit (wenn auch für viele zähneknirschend) reine Formsache. So viel zur Lage der innerparteilichen Demokratie.
Jenseits der unverkennbare Missbilligung solch selbstherrlichen Vorgehens gab es schließlich doch noch offenen Protest, als der Präsident seine zunehmend autokratischeren Züge im Laufe des Kongresses (23. bis 26. August) zu erkennen gab. Als der von ihm erwartete geschlechtspezifische Proporz durch zu wenige nominierte Kandidatinnen für die zu wählenden Mitglieder des Zentralkomitees nicht eingelöst werden konnte, verfiel er auf die Idee, dieses Manko durch die eigenmächtige Ernennung der entsprechenden Zahl von Frauen beheben zu wollen. Die Umsetzung seiner Allmachtsvorstellung hätte bedeutet, den Teufel (die Diskriminierung und mangelnde Repräsentanz von Frauen auch im nachkolonialen politischen Alltag) mit Beelzebub (der Abschaffung wenigstens halbwegs demokratischer Wahlen zum Zentralkomitee) austreiben zu wollen.
Einige der Genossen, die dabei auch um ihre eigene Position im ZK zu bangen begannen, warfen wohl nicht in erster Linie aus demokratischer Prinzipientreue ihrem Parteiobersten zu dessen unverhohlenem Ärger diktatorische Anmaßung vor und bügelten die Schnapsidee ab. Es wird spekuliert, dass dieser Konflikt der berühmte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Anders ausgedrückt: die schon länger schwelende unterschwellige Spannung zwischen Nujoma und Geingob, die sich auch darin artikulierte, dass letzterer als einer der Kritiker am Gebaren des Präsidenten galt, ließ dessen sprichwörtlichen Geduldsfaden reißen. Die brüskierende Art, in der Nujoma mit seinem altgedienten Weggefährten (der immerhin als Leiter der Swapo-Wahlkampagne die Rückkehr Nujomas als Präsident der Republik Namibia maßgeblich mitgestaltete) seit Beginn letzten Jahres zunehmend umsprang, schürt diese Mutmaßung.
Allerdings greifen solch nahe liegenden personifizierenden Erklärungen - so verführerisch stichhaltig sie scheinen - zu kurz. Es gibt Grundsätzlicheres anhand der weiteren innenpolitischen Entwicklungen zu prüfen. So ist dies gewiss die bislang markanteste Ouvertüre zum sich abzeichnenden Kampf um die Nachfolge Nujomas - so es eine solche dann tatsächlich schon geben wird. Ende 2004 stehen die Parlaments- und Präsidentenwahlen an. Die innerparteilichen Rivalitäten und die Grabenkämpfe der Seilschaften (bei denen die drei Hauptbetroffenen der Kabinettsumbildung maßgeblich mit von der Partie waren) sind bereits in vollem Gange. Aus dem Revirement kann zuvorderst nur geschlossen werden, dass Geingob dabei den Kürzeren gezogen hat Alles Weitere bleibt abzuwarten.
Ein "Kriegskabinett" hingegen, wie nur wenige Tage zuvor vom benachbarten Busenfreund Robert Mugabe proklamiert, ist die umgemodelte namibische Ministerrunde (in der ein paar weitere, im Wesentlichen Bedeutungszusammenhang allerdings weniger drastische Rochaden vorgenommen wurden) keinesfalls.
Signifikant (um nicht zu sagen alarmierend) ist jedoch der Umstand, dass das neue Außenministerium unter Hamutenya nicht mehr für den staatlichen Informationsbereich (insbesondere Rundfunk und Fernsehen) zuständig ist. Die Verantwortung dafür hat sich Nujoma selbst zuerteilt - obwohl Hamutenya als Informationsminister im ersten Kabinett Namibias einschlägige Erfahrungen sammeln konnte. Das lässt nichts Gutes ahnen, denn die Medienkontrolle ist gewiss kein unerhebliches Manipulationsinstrument im Zuge der Weichenstellung für die künftigen politischen Entwicklungen. So bleibt abzuwarten, ob denn der Präsident tatsächlich nach der dritten Amtszeit zumindest formal und offiziell in den Ruhestand überwechselt - und falls ja, ob ein Nachfolger seines Vertrauens künftig nominell und als Befehlsempfänger die Staatsgeschäfte leiten soll. Gewiss ist in keiner Hinsicht das letzte Wort darüber gesprochen, wer denn während der 2005 beginnenden neuen fünfjährigen Legislaturperiode das Präsidentenviertel beziehen wird, das in den kommenden Jahren mit großem materiellen Aufwand auf ausdrücklichem Wunsch und mehrfaches Drängen Nujomas erbaut werden soll.
Es fällt jedenfalls auf, dass sich die Begleiterscheinungen einer innenpolitischen Radikalisierung häufen. Den Auftakt bildete Anfang August eine Demonstration traditioneller Ovambo-Führer in der nördlichen Hochburg der Swapo. Sie fühlten sich dazu berufen, eine weitere Amtszeit von Nujoma zu fordern. Angeblich ist ihnen die Inspiration dazu nicht ganz allein gekommen. Zum Stimmungswandel gehört auch, dass der Präsident selber das populistisch-rhetorische Säbelgerassel in den letzten Wochen wieder deutlich steigerte, indem er anlässlich eines Gewerkschaftskongresses Mitte August die Schwulen- und Lesbenhetze in gewohnt unappetitlicher Manier reaktivierte und sie mit - an Rassismus grenzenden - antiimperialistischen Geschmacksverstärkern würzte. Schließlich gehört dazu auch, dass von ihm im Rahmen des Swapo-Kongresses und danach die Position zur Landfrage mit ähnlichen Tönen und dem Versöhnungsgedanken ganz und gar abhold angeheizt wurde. Vor der neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (Nepad) und deren Kodex zu guter Regierungsführung warnte er als dräuendem neokolonialem Vereinnahmungsversuch und Angriff auf die Souveränität afrikanischer Staaten. - Mugabe und Co. lassen grüßen.
Dass anlässlich der Eröffnung einer pompösen Gedenkstätte am namibischen Heldengedenktag (26. August) der ehemalige Swapo-Funktionär und jetzige Oppositionspolitiker Ben Ulenga bei einer Kranzniederlegung im Rahmen der Feierlichkeiten von einem Teil der einstigen Genossen mit Missfallenskundgebungen bedacht wurde, passt ins gleiche Bild. Toleranz, Aufgeschlossenheit und ein demokratisches Verständnis gehörten noch nie zu den Tugenden, die innerhalb der ehemaligen Befreiungsbewegung gepflegt wurden. Es steht zu befürchten, dass sie im Zuge der wahlvorbereitenden politischen Machtkämpfe in den kommenden Monaten noch mehr auf der Strecke bleiben. Sehr zum Schaden des Landes und seiner Menschen, für deren Wohlergehen sich die Swapo-Politiker zu engagieren behaupten.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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