Namibismen, Helvetismen auf der Insel Arandis
Auf der Bildungsinsel Arandis mitten in der Namib haben deutschsprachige Lehrer und Erzieher mit Referenten vor einer Woche über drei Tage, vom 18. bis 20. Juli 2008, die deutsche Sprache in den Mittelpunkt gerückt. In 15 gemeinsamen und gesonderten Vorlesungen, Arbeitsgruppen und Plenumgesprächen gingen 65 Teilnehmer an ein breites Spektrum der Themen, vom Verständnis des Deutschen als "plurizentrische" Sprache, über Fördermaßnahmen, Lehrmethoden bis zu einer aktuellen literarischen Betrachtung.
Die seit rund 20 Jahren einberufene Tagung wird von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schulvereine in Namibia (AGDS), der Namibisch-Deutschen Stiftung (NaDS) und der Universität von Namibia (UNAM) bewusst im Rahmen einer Inselveranstaltung abgehalten, um dem Dauerthema Deutsch, insbesondere Deutsch in Namibia, genügend Zeit einzuräumen, aber auch um Sonderthemen aufzuarbeiten. Von der schweizerischen Referentin Dr. Sara Hägi (in Köln lehrend) erfuhren die Teilnehmer, was eine plurizentrische Sprache ist. Wie beim Spell-Check des Computers so blieb dieser Begriff beim Publikum zunächst rot unterstrichen, weil niemand damit vertraut war. Wie Englisch, Spanisch und Portugiesisch ist Deutsch als Standardsprache in mehreren Ländern, auch in Namibia, zu Hause. Dadurch entstehen nationale Varianten, die die Lexikographen der Standardsprache zuordnen. So erfuhren die Teilnehmer, dass solche sprachlichen Varianten in der Schweiz als Helvetismen, in Österreich als Austriazismen und in Deutschland als Teutonismen gehandelt werden. Die Deutschen tun sich angeblich schwer mit dem Begriff und manche quälen sich lieber mit "deutschländischen" Varianten. Die Arandis-Teilnehmer waren sich schnell einig, dass wir in Namibia ohne Vorbehalt von Namibismen sprechen können: das Rivier kommt ab, Bakkie etc. Dazu ein griffiges Beispiel gleichwertiger Varianten im deutschsprachigen Europa: Korinthenkacker heißt der Teutonismus vom Gegenpart Tüpflischeisser in der Schweiz (Helvetismus) und in Wien begnügt man sich mit Tüpferlreiter (Austriazismus). Laut Sara Hägi gibt es jetzt ein trinationales Zertifikat Deutsch (ZD) als Befähigungszeugnis, das dem plurizentrischen Charakter des Deutschen in Europa Rechnung trägt. Sara Hägi hat in einem zweiten Vortrag eindrucksvoll Methoden der spielenden und interaktiven Vertiefung von Sprachmustern in einer Klassensituation vermittelt, wodurch Schüler durch Eigendynamik in die Lernübung eingebunden werden. Dr. Michael Maintz, Leiter des Goethe-Zentrums in Johannesburg, informierte über die Partnerschul-Initiative aus Deutschland - in Namibia sind es die DHPS und demnächst die Martin-Luther-Schule von Okombahe, die von einem vielseitigen Programm des Austauschs und der Begegnung profitieren. Maintz bot auch den neuesten Stand über andere Fördermaßnahmen und regte die Gründung einer deutschen Lehrervereinigung in Namibia an. Seit dem G 8-Gipfel der Industriestaaten in Heiligendamm, Deutschland, ist die Berliner Bundesregierung laut Maintz bereit, mehr Mittel und Kräfte für die Sprach- und Kulturarbeit in anderen Ländern aufzuwenden.
Besondere Beachtung erhielt die zentrale Podiumsdiskussion im Plenum über einen Dauerbrenner deutschsprachiger Namibier: "Die Zukunft des deutschsprachigen Schulwesens in Namibia". Leicht sinkende Zahlen von Kindern mit Deutsch als Muttersprache, Mangel an Lehrernachwuchs, vor allem unter männlichen Kräften, standen auf der negativen Seite der Bilanz. Auf der positiven Seite wurden die traditionelle Mehrsprachigkeit deutschsprachiger Namibier, die über Generationen hinweg erhalten ist, und die wachsende Zahl von Schülern mit Deutsch als Zweit- und Fremdsprache sowie ihre Förderung angesprochen. Mit Arbeitsgruppen zur politischen Urteilsbildung (Referent Christoph Gnau), Drogenprävention (Gesche Roxin), Technik und Innovation (Ingo Lange), Laientheater an der Grundschule (Reinhild Erb, Maren von Kühne und Anke Riedel), Schulverwaltung und Führungsebene (Peter Schlenther und Jürgen Koch) und Erfahrungsberichten über einen Austausch in Deutschland (Luise Spijker, Monika Trossbach) waren die Stunden auf Arandis schnell verplant.
Wie bei jeder Tagung hatten die Veranstalter, jetzt unter dem AGDS-Vorsitz von Dieter Esslinger, wieder ein aktuelles Thema außerhalb des Lehrbetriebs in die Mitte gestellt: Reiner Jagau vom namibischen Energieproduzenten NamPower klärte die Teilnehmer über die Hintergründe der Energiekrise Namibias im Kontext des südlichen Afrika auf, ein Beitrag, der die Erzieher wieder in den Alltag zurückholte. Als krönenden Abschluss ohne Leistungsdruck, aber mit hohem anekdotischem Unterhaltungswert bot Prof. Volker Gretschel (UNAM) eine sensationelle Besprechung und Lesung aus einer skurrilen Geschichte vom Tanganjikasee, die im Roman "Eine Frage der Zeit" oder die "endlose Fahrt der Liemba" ihren Niederschlag gefunden hat. Es geht um ein schier unsterbliches deutsches Schiff, das seit dem 1. Weltkrieg zwar zweimal im See versenkt war, aber heute noch fährt. Der Schweizer Autor Alex Capus hat dabei ein bei den Deutschen beliebtes Dogma nicht unterschlagen, der Kolonialismus als Verbrechen, aber Capus "wedelt dabei nicht mit dem Zeigefinger", so Gretschel.
Mit vielerlei Anregung sind die Teilnehmer am Sonntagmittag wieder in alle Himmelsrichtungen fortgefahren. Die gesellig informativen Stunden zwischen Gruppenarbeit und Braaivleisfeuer haben Nachklang.
Die seit rund 20 Jahren einberufene Tagung wird von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schulvereine in Namibia (AGDS), der Namibisch-Deutschen Stiftung (NaDS) und der Universität von Namibia (UNAM) bewusst im Rahmen einer Inselveranstaltung abgehalten, um dem Dauerthema Deutsch, insbesondere Deutsch in Namibia, genügend Zeit einzuräumen, aber auch um Sonderthemen aufzuarbeiten. Von der schweizerischen Referentin Dr. Sara Hägi (in Köln lehrend) erfuhren die Teilnehmer, was eine plurizentrische Sprache ist. Wie beim Spell-Check des Computers so blieb dieser Begriff beim Publikum zunächst rot unterstrichen, weil niemand damit vertraut war. Wie Englisch, Spanisch und Portugiesisch ist Deutsch als Standardsprache in mehreren Ländern, auch in Namibia, zu Hause. Dadurch entstehen nationale Varianten, die die Lexikographen der Standardsprache zuordnen. So erfuhren die Teilnehmer, dass solche sprachlichen Varianten in der Schweiz als Helvetismen, in Österreich als Austriazismen und in Deutschland als Teutonismen gehandelt werden. Die Deutschen tun sich angeblich schwer mit dem Begriff und manche quälen sich lieber mit "deutschländischen" Varianten. Die Arandis-Teilnehmer waren sich schnell einig, dass wir in Namibia ohne Vorbehalt von Namibismen sprechen können: das Rivier kommt ab, Bakkie etc. Dazu ein griffiges Beispiel gleichwertiger Varianten im deutschsprachigen Europa: Korinthenkacker heißt der Teutonismus vom Gegenpart Tüpflischeisser in der Schweiz (Helvetismus) und in Wien begnügt man sich mit Tüpferlreiter (Austriazismus). Laut Sara Hägi gibt es jetzt ein trinationales Zertifikat Deutsch (ZD) als Befähigungszeugnis, das dem plurizentrischen Charakter des Deutschen in Europa Rechnung trägt. Sara Hägi hat in einem zweiten Vortrag eindrucksvoll Methoden der spielenden und interaktiven Vertiefung von Sprachmustern in einer Klassensituation vermittelt, wodurch Schüler durch Eigendynamik in die Lernübung eingebunden werden. Dr. Michael Maintz, Leiter des Goethe-Zentrums in Johannesburg, informierte über die Partnerschul-Initiative aus Deutschland - in Namibia sind es die DHPS und demnächst die Martin-Luther-Schule von Okombahe, die von einem vielseitigen Programm des Austauschs und der Begegnung profitieren. Maintz bot auch den neuesten Stand über andere Fördermaßnahmen und regte die Gründung einer deutschen Lehrervereinigung in Namibia an. Seit dem G 8-Gipfel der Industriestaaten in Heiligendamm, Deutschland, ist die Berliner Bundesregierung laut Maintz bereit, mehr Mittel und Kräfte für die Sprach- und Kulturarbeit in anderen Ländern aufzuwenden.
Besondere Beachtung erhielt die zentrale Podiumsdiskussion im Plenum über einen Dauerbrenner deutschsprachiger Namibier: "Die Zukunft des deutschsprachigen Schulwesens in Namibia". Leicht sinkende Zahlen von Kindern mit Deutsch als Muttersprache, Mangel an Lehrernachwuchs, vor allem unter männlichen Kräften, standen auf der negativen Seite der Bilanz. Auf der positiven Seite wurden die traditionelle Mehrsprachigkeit deutschsprachiger Namibier, die über Generationen hinweg erhalten ist, und die wachsende Zahl von Schülern mit Deutsch als Zweit- und Fremdsprache sowie ihre Förderung angesprochen. Mit Arbeitsgruppen zur politischen Urteilsbildung (Referent Christoph Gnau), Drogenprävention (Gesche Roxin), Technik und Innovation (Ingo Lange), Laientheater an der Grundschule (Reinhild Erb, Maren von Kühne und Anke Riedel), Schulverwaltung und Führungsebene (Peter Schlenther und Jürgen Koch) und Erfahrungsberichten über einen Austausch in Deutschland (Luise Spijker, Monika Trossbach) waren die Stunden auf Arandis schnell verplant.
Wie bei jeder Tagung hatten die Veranstalter, jetzt unter dem AGDS-Vorsitz von Dieter Esslinger, wieder ein aktuelles Thema außerhalb des Lehrbetriebs in die Mitte gestellt: Reiner Jagau vom namibischen Energieproduzenten NamPower klärte die Teilnehmer über die Hintergründe der Energiekrise Namibias im Kontext des südlichen Afrika auf, ein Beitrag, der die Erzieher wieder in den Alltag zurückholte. Als krönenden Abschluss ohne Leistungsdruck, aber mit hohem anekdotischem Unterhaltungswert bot Prof. Volker Gretschel (UNAM) eine sensationelle Besprechung und Lesung aus einer skurrilen Geschichte vom Tanganjikasee, die im Roman "Eine Frage der Zeit" oder die "endlose Fahrt der Liemba" ihren Niederschlag gefunden hat. Es geht um ein schier unsterbliches deutsches Schiff, das seit dem 1. Weltkrieg zwar zweimal im See versenkt war, aber heute noch fährt. Der Schweizer Autor Alex Capus hat dabei ein bei den Deutschen beliebtes Dogma nicht unterschlagen, der Kolonialismus als Verbrechen, aber Capus "wedelt dabei nicht mit dem Zeigefinger", so Gretschel.
Mit vielerlei Anregung sind die Teilnehmer am Sonntagmittag wieder in alle Himmelsrichtungen fortgefahren. Die gesellig informativen Stunden zwischen Gruppenarbeit und Braaivleisfeuer haben Nachklang.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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