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Nationalspielerin Starke ist überzeugt: "DFB-Frauen gewinnen WM!"

AZ: Sandra, vor fünf Jahren bist du nach Deutschland gezogen. Fühlst du dich überhaupt noch als Namibierin?
Starke: Ja, ich habe zwar einen deutschen Pass und bin im vergangenen Jahr bei der U17-WM für Deutschland angetreten, aber wenn mich jemand nach meinem Heimatland fragt, sag ich immer Namibia.
AZ: Was vermisst du am meisten aus der Heimat?
Starke: Die Sonne! Das Wetter in Deutschland ist schon sehr gewöhnungsbedürftig. Und natürlich meine Freunde und die Familie.
AZ: Dein zweieinhalb Jahre älterer Bruder Manfred spielt ebenfalls in Deutschland für Hansa Rostock. Wie oft seht ihr euch?
Starke: Leider nur selten und unregelmäßig, weil unsere Wochenenden ja in der Regel durch Fußball verplant sind.
AZ: Wurdest du auf deinem Weg als Fußballerin von Manfred unterstützt oder hat er dich eher belächelt?
Starke: Als Kinder haben wir oft zusammen im Innenhof gekickt. Er hat mich mit seiner Fußballbegeisterung angesteckt und mich zum Wechsel nach Deutschland inspiriert. Ohne ihn hätte ich den Sprung wohl nie gewagt. Gerade in der Anfangszeit war es gut, zu wissen, dass ich mich jederzeit an ihn wenden kann, wenn es mal nicht so läuft.
AZ: Im vergangenen Jahr habt ihr mit euren Vereinen jeweils die deutsche Meisterschaft in eurer Altersklasse gewonnen. Gab es anschließend eine gemeinsame Meisterfeier?
Starke: Leider nicht, denn Grund genug hatten wir ja. Das war schon ein perfektes Jahr für uns! Ich hab mir Manfreds Finalsieg gegen Bayer Leverkusen live im Stadion angesehen und ihm direkt persönlich gratulieren können. Er hat mir dann sein Trikot gegeben, musste aber anschließend mit der Mannschaft gleich wieder nach Rostock zurückfahren. Unser Endspiel war eine Woche davor, da konnte er leider nicht, weil er mit Hansa mitten in der Finalvorbereitung steckte.
AZ: Für dich war es mit Turbine Potsdam der dritte U17-Meistertitel in Folge. Seit letztem Jahr trainierst und spielst du nun mit den Frauenteams. Wie war der Übergang aus dem Juniorenbereich und wie lautet dein nächstes sportliches Ziel?
Starke: Gespielt habe ich in der vergangenen Saison für die zweite Mannschaft von Turbine (2. Bundesliga, die Redaktion) und da war der Sprung nicht ganz so groß. Trainieren tue ich allerdings mit dem Bundesligateam und der Niveauunterschied ist schon enorm, weil das Tempo viel höher ist. In der kommenden Saison möchte ich mir einen festen Platz im Erstliga-Kader erkämpfen.
AZ: Während die erste Mannschaft deutscher Meister wurde, habt ihr mit der Zweitligamannschaft den dritten Platz belegt. Auf wie viele Einsätze bist du gekommen und wie viele Treffer hast du erzielt?
Starke: Wegen der U17-WM habe ich vier Spiele verpasst, aber in den übrigen 18 Partien wurde ich eingesetzt und habe dabei neun Tore gemacht. Wir hätten in der Liga eigentlich Erster werden müssen, aber während der WM hat die Mannschaft ohne uns Nationalspielerinnen wichtige Punkte abgegeben.
AZ: War die U17-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Trinidad und Tobago einer der Höhepunkte in deiner bisherigen Laufbahn?
Starke: Es war natürlich ein Riesenerlebnis, als Spielerin bei einer WM dabei zu sein und dann noch an einem so exotischen Ort. Allerdings bin ich nicht ein einziges Mal eingesetzt worden. Das war eine ziemliche Enttäuschung.
AZ: Wie oft hast du bislang für Deutschland gespielt und bist du aktuelle Nationalspielerin?
Starke: Für die U17-Nationalmannschaft habe ich viermal gespielt. In die U19 bin ich bislang noch nicht berufen worden, aber das ist eines meiner Ziele für die neue Saison.
AZ: Wie verlief der Beginn deiner fußballerischen Entwicklung hier in Namibia?
Starke: Als Fünfjährige habe ich als Straßenfußballerin auf unserem Innenhof und im Kindergarten angefangen (lacht). Nach meiner Einschulung an der DHPS habe ich dann für die Schulmannschaft gespielt. Das Mädchenteam beim SKW wurde erst eingeführt, als ich schon in Deutschland war.
AZ: SKW-Jugendkoordinator Martin Brosda hat kürzlich die Girls League Soccer ins Leben gerufen. Wie beurteilst du die Liga und die Situation im namibischen Frauenfußball?
Starke: Ja, vorletzten Freitag habe ich mir ein Spiel der neuen Mädchenliga angesehen und die Spielerinnen haben da echt gute Ansätze gezeigt. Der namibische Frauenfußball steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber ich finde es sehr positiv, dass nun für die unter 18-jährigen Fußballerinnen endlich mal ein geregelter Spielbetrieb angeboten wird.
AZ: Dein Vater Richard ist als ehemaliger Cheftrainer des Sportklubs Windhoek eine bekannte Figur in der hiesigen Fußballszene. Hat er dich auf deinem Weg zum Fußball-Profi bestärkt?
Starke: Er war zunächst nicht begeistert, als ich mit der Idee ankam, nach Deutschland gehen zu wollen. Über den DFB-Trainerausbilder Heinz Werner hat er dann aber den Kontakt zu Turbine hergestellt. Insgeheim hat er wohl gehofft, dass es mir dort nicht gefallen würde. Als der Wechsel perfekt war, hat er sich aber mit mir gefreut und mir immer seine volle Rückendeckung gegeben.
AZ: Wie ist sein Standpunkt heute?
Starke: Er hätte mich am liebsten wieder zurück hier in Namibia, aber das sind wohl ganz normale Vatergefühle (lacht).
AZ: War es schwierig für dich, fußballerisch in Deutschland Fuß zu fassen?
Starke: Das war eigentlich kein Problem. Da ich auf der Straße und an der DHPS fast ausschließlich mit Jungs zusammen gespielt hatte, war ich es gewohnt, mich durchsetzen zu müssen. Auch fußballerisch hatte ich kaum Anpassungsschwierigkeiten.
AZ: Und aus schulischer Sicht?
Starke: Ich war nie eine besonders gute Schülerin, weil ich zu faul bin, aber irgendwie komme ich immer durch (lacht).
AZ: Wie verträgt sich deine Faulheit mit dem Leistungssport?
Starke: Das ist was anderes. Fußball ist meine Leidenschaft, da geb ich immer Vollgas!
AZ: Wie ist der Profifußball mit den schulischen Verpflichtungen vereinbar?
Starke: Ich gehe auf die Sportschule Potsdam, wo der Unterricht an die Trainingszeiten angepasst ist und sogar extra Trainingseinheiten angeboten werden. So trainieren wir mit dem Verein fünfmal am Nachmittag und zwei Mal vormittags und an der Schule zusätzlich noch zweimal morgens.
AZ: Wie ist deine Wohnsituation in Potsdam?
Starke: Seit ein paar Monaten wohne ich in einer Wohngemeinschaft mit zwei Mitspielerinnen und einer Leichtathletin. Wir gehen alle auf die gleiche Schule und unsere WG ist voll cool. Vorher war ich auf dem Schulinternat, das war auch nicht schlecht, aber jetzt genieße ich die neuen Freiheiten (lächelt verschmitzt).
AZ: Wie viele Schuljahre hast du noch vor dir?
Starke: Ich komme jetzt in die zwölfte Klasse und habe dann hoffentlich übernächstes Jahr mein Abitur in der Tasche. Weil es eine Sportschule ist und wir aufgrund der Trainingszeiten reduzierten Unterricht haben, müssen wir 13 Jahre absolvieren.
AZ: Wie lange läuft dein Vertrag mit Turbine Potsdam noch?
Starke: Noch zwei Jahre, dann dürfte ich ja auch mit der Schule durch sein.
AZ: Hast du schon Pläne für die Zeit danach?
Starke: Eine Möglichkeit wäre, an einem College in den USA zu studieren. Der Frauenfußball hat dort einen hohen Stellenwert und die Spielerinnen bekommen Stipendien. Ich würde auf jeden Fall gerne ein neues Land kennenlernen. Allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob Studieren das Richtige für mich ist (lacht).
AZ: Zurzeit läuft in Deutschland die Frauen-WM? Verfolgst du das Geschehen mit Interesse?
Starke: Auf jeden Fall, einige meiner Club-Kameradinnen spielen ja für Deutschland und werden hoffentlich den WM-Titel holen.
AZ: Wer zum Beispiel?
Starke: Fatmire Bajramaj, Barbett Peter und Bianca Schmidt, wobei Bajramaj in der kommenden Saison für den 1.FFC Frankfurt spielen wird.
AZ: Traust du der DFB-Auswahl den Titelgewinn zu und wer ist ihr größter Konkurrent?
Starke: Ich denke schon, dass sie gute Chancen haben. Weil sie die beste Mannschaft sind und dazu noch Heimvorteil haben. Brasilien hat auch ein gutes Team, aber für mich ist Deutschland Favorit.
AZ: Das DFB-Team hat die ersten beiden Gruppenspiele knapp gewonnen. Wie beurteilst du die bisherigen Auftritte der deutschen Elf?
Starke: Bei den Auftaktsiegen gegen Kanada (2:1, die Redaktion) und Nigeria (1:0) haben sie unter ihren Möglichkeiten gespielt, aber am Ende zählen die Siege. Um wirklich den WM-Titel zu holen, müssen sie sich aber im Laufe des Turniers gewaltig steigern.
AZ: Hast du einen Erfolgstipp für Nationaltrainerin Silvia Neid?
Starke: Ich würde Birgit Prinz in der Startelf durch Alexandra Popp ersetzen, um das Offensivspiel zu beleben. Sie sollte den jungen Spielerinnen eine Chance geben, die holen den WM-Titel!
AZ: Wirst du dir in Deutschland ein WM-Spiel live im Stadion ansehen?
Starke: Zum Eröffnungsspiel in Berlin wäre ich hingegangen, aber am Montag (heute, die Redaktion) beginnt mit Turbine die Saisonvorbereitung. Bei drei Trainingseinheiten am Tag bleibt da wohl keine Zeit mehr für einen Stadionbesuch. Schade, ich hätte mir gerne ein WM-Spiel angesehen.
AZ: In Brandenburg haben die Sommerferien erst am 30. Juni begonnen. Wie kommt es, dass du fast zwei Wochen früher von der Schule frei gestellt worden bist?
Starke: Turbine hat das mit der Schule so geregelt, damit ich nach Namibia fliegen konnte, ohne einen Teil der Saisonvorbereitung zu verpassen.
AZ: Hast du schon den nächsten Heimaturlaub geplant?
Starke: Voraussichtlich komme ich wie gewohnt über Weihnachten wieder nach Namibia, um dem deutschen Winter zu entfliehen und mal wieder kräftig Sonne zu tanken.

Zur Person:
Sandra Starke ist eine deutsch-namibische Nachwuchsfußballerin, die seit fünf Jahren beim Bundesligaverein Turbine Potsdam in Deutschland ausgebildet wird. In den vergangenen drei Jahren gewann die 17-Jährige mit ihrem Club die nationale Meisterschaft in ihrer Altersklasse. Im vergangenen Jahr nahm die Stürmerin mit der deutschen Nationalmannschaft an der U17-Weltmeisterschaft in Trinidad und Tobago teil. Starkes 20 Jahre alter Bruder Manfred steht beim deutschen Fünftligisten FC Hansa Rostock II unter Vertrag, ihr Vater Richard trainierte einst die Premierligamannschaft des Sportklubs Windhoek.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-05

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