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Nächste Station Vergangenheit

Praktikant Praktikant
Von U.K., Windhoek


Das Stimmengewirr der Reisenden, der energische Pfiff des Schaffners, das behäbige Anschnaufen der Dampflok - auf vielen bis heute erhaltenen Ansichtskarten aus den Jahren um 1905 lebt die kurze Blütezeit der Eisenbahn in Namibia auf. Zugleich transportiert so manches Sammlerstück die damalige Euphorie der Deutsch-Südwester. „Hurrah“, steht auf eine gemalte Karte gedruckt, die heiter koloriert einen Bierkrug schwenkenden Zugführer zeigt: „Die Eisenbahn ist nun im Land. Jetzt werden die Minen weltbekannt!“ Es ist die Karte, die Albert für das Titelblatt seiner Reiseberichte gewählt hat.


Albert ist ein Zeitreisender. 2008 begann der Westfahle, die ehemaligen deutschen Bahnstationen abzufahren, um die verbliebenen Spuren der Kolonialeisenbahn zu erkunden. Schnell wurden aus den Tagestouren mehrtägige „Expeditionen“ mit einheimischen Reisebegleitern. Bald wusste er, dass er sich einem langjährigen Vorhaben verschrieben hat. Dem Vorhaben, möglichst landesweit zu dokumentieren, was nach über 100 Jahren vom einstigen Schienennetz noch existiert und in welchem Zustand die Anlagen an den Bahnlinien heute sind. Was er vor Ort vorfindet, hält er in Reiseberichten fest. Ein besonderer Wert besteht in deren historischen Bezügen. Albert fotografiert jede Station aus möglichst der gleichen Perspektive, aus der sie jeweils auch auf alten Ansichtskarten aufgenommen oder gemalt wurde. „Mich reizt es, den Vergleich von damals und heute anzustellen“, verrät der 66-Jährige mit Blick auf seinen enormen Bestand an Ansichtskarten. So überschreibt er seine Reiseberichte denn auch mit „Damals und Heute“. Entstanden ist, wie er selbst sagt, „eine in sich geschlossene historisch-philatelistische Abhandlung“.


Dabei ist die Philatelie, sprich die Kunde von den Briefmarken, in seinem Fall sogar das ältere Hobby. Schon als Kind entwickelte er sich zum leidenschaftlichen Sammler, ebenso von Ansichtskarten und zeitgeschichtlichen Belegen wie etwa Fahrkarten oder Telegrammen. Doch thematisch galt sein Interesse bereits im Alter von zehn Jahren besonders der Postgeschichte und Eisenbahn in Deutsch-Südwestafrika bzw. dem späteren Südwestafrika. Kein Wunder: Den kleinen Uwe fesselten die Erzählungen des Großvaters. Dessen Wissen über die deutschen Kolonien war groß, obwohl er sie selbst nie betreten hat. All die Geschichten über fremde Volksstämme, jene anschaulichen Berichte über die Kolonialisierung durch die Deutschen und schließlich die Schilderungen des betagten Mannes vom harten Bau der Bahnstrecken - sie ließen Albert sein Leben lang nicht mehr los.


Jahrzehnte blieb es beim Sammeln. „Den Wunsch, alles mal direkt im Land zu sehen, gab es schon lange“, erzählt er. „Auch die inzwischen kennen gelernten Südwester-Sammler drängten mich dazu, mal vor Ort nach den Spuren der deutschen Kolonialisten zu suchen.“ 2006 reiste er dann zum ersten Mal nach Namibia. Kein Jahr verging seitdem, in dem er nicht zurückgekehrt ist.


Gerade vor wenigen Wochen, im April, hat er während einer 14-tägigen Tour die 1908 gebaute Bahnlinie von Seeheim bis Karasburg (früher Kalkfontein-Süd) erkundet. Und wieder ließ er sich überraschen, ob denn irgendwo noch alte Bahnhofsgebäude stehen oder nur Ruinen vorzufinden sind. Zur Station Kleinkaras schreibt er: „Das Gebäude ist heute noch gut erkennbar, da es sehr solide gebaut wurde.“ Noch größer ist die Begeisterung über den Zustand in Karasburg: „Das stillgelegte Stationsgebäude befindet sich im Jahre 2014 fast noch im alten deutschen Zustand“, heißt es im Reisebericht von Albert. „Alles ist sauber und ordentlich und könnte morgen wieder in Betrieb genommen werden, aber leider halten hier keine Züge mehr.“


Alle Reisen finanziert der in der Holzbranche tätige Verkaufsleiter aus eigener Tasche. „Andere Fernreisen nehme ich nicht vor“, sagt er. „Ich habe mit den Ausarbeitungen meiner Reiseerfahrungen genügend zu tun.“ Eines will er dabei unbedingt beibehalten: Für seine Touren setzte er sich stets Ziele, die über die Eisenbahnrecherche hinausgingen. „In den ersten Jahren war ich dabei behilflich, mit einem Bekannten im Okavango-Gebiet Lehrbücher in den Schulen zu verteilen, die man vorher in Windhoek gedruckt hatte“, erzählt er. Inzwischen ist der Verein „Namibia Hilfe EWF“ gegründet worden, dem Albert angehört. Diese Hilfsorganisation kümmert sich sowohl um schulische Belange als auch um Lebensmittel und Unterstützung für Waisen und Blinde.


Albert publiziert auch zu anderen Themen als der Bahn. Beispiele sind die Internierungslager der Deutschen, Rehoboth oder - ganz aktuell - Bahnpoststempel. Äußerst dankbar wäre er über Kontakte und Ratschläge zum Vertrieb, erzählt er, speziell für Bücher zu Zensurstempeln, Zensurzetteln, deutschen Stempeln. Zurzeit zieht er in Erwägung, künftige Bücher entweder als CD oder als frei lesbare Ausgabe auf seiner Internet-Webseite zu veröffentlichen.


Seit 2008 hat er die Strecke der Staatsbahn zwischen Windhoek und Swakopmund ausgiebig „erforscht“. Die ehemalige Bahnstation Jakalswater, bereits 1899 eröffnet, beschreibt er im Reisebericht auch anhand einer Bestellung, die der Pächter des am Bahnhof gelegenen Restaurants aufgibt: „Wo bleibt denn das seit 5. d. Mts. bestellte Bier, wir sitzen jetzt wieder trocken, obwohl wir mit der Bestellung zeitig dran waren.“ Fotos dokumentieren die Mittagspause von Albert und seinem Reisebegleiter vor der Hotel-Ruine im wuchernden Gras. „Leider kam trotz mehrfachen Rufens keine Bedienung zu uns an den Tisch“, scherzt er.


Auch die Lüderitzbahn hat der Namibia-Freund inzwischen vollständig mit dem Auto abgefahren. Zwei Ansichtskarten von Lüderitzbucht bildet er ab: „Stehender Zug vor der Bahnstation“ und „Abfahrender Zug Richtung Kolmanskuppe“. Klassisch kontrastiert er Damals und Heute mit aktuellen Fotos und dem Kommentar: „Die Gleise enden vor dem Kapps Hotel, danach nur noch schienenlose Trassen.“


Neben der Staats- und der Lüderitzbahn kennt Albert auch die Reste der Marmorbahn in Karibib und der Stichbahn von Karibib nach Onguati bestens. Doch damit ist er längst nicht am Ziel. Er beabsichtigt weitere Reisen, denn jeden Tag verschwinden mehr Spuren der Vergangenheit.


Die vollständigen Reiseberichte finden Sie auf der Internetseite www.deutschsuedwester.de. Der größte Teil wurde in den Berliner Protokollen Nr. 93, 99, 110, 123 und 126 veröffentlicht. Zurzeit arbeitete er an einem Buch über die Bahnpoststempel von 1922-1989 (210 Seiten). Informationen gibt es auf oben genannter Homepage.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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