Neue Steine auf den Mauern der Ideologie
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Und so erfüllt auch nicht jeder prominente Besucher aus dem Ausland mit seinem öffentlichen Auftritt in Namibia die Erwartungen des Publikums. Der bundesdeutsche Journalist und Afrika-Korrespondent der Deutschen Welle, Gerd Meuer, der kürzlich auf Einladung der Namibisch-Deutschen Stiftung für kulturelle Zusammenarbeit (NaDS) einen Vortrag in Windhoek hielt, war eine Enttäuschung.
Meuer sollte über die Ansätze zu einer Versöhnungskultur des nigerianischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Wole Soyinka sprechen. Soyinkas Theorie kam im Vortrag bei der NaDS am 4. April allerdings zu kurz. Meuers Ausführungen über den nigerianischen Philosophen gingen nicht über das hinaus, was er als Vorankündigung über die NaDS der Presse hatte zukommen lassen (WAZ on vom 4.4.2003). Stattdessen: eine lange Schilderung des eigenen Lebenslaufes, die einer recht unbescheidenen Selbstbeweihräucherung gleichkam, und eine stellenweise witzige, meist aber sehr polemische Schilderung seiner Eindrücke von Afrika beziehungsweise Namibia.
So hat Meuer sich unter anderm über vermeintlich rassistische Bemerkungen von Schülern der Deutschen Höheren Privatschule Windhoek (DHPS) bei einem Vortrag an der Schule echauffiert - wogegen sich die DHPS in zwei Leserbriefen in der heutigen Ausgabe der AZ wehrt. Das Beispiel, das Meuer anführte, entbehrt, wenn man Lehrern der Schule glauben darf, jeder Realitätsgrundlage. (Das Gespräch ging um Reparationszahlungen an die Opfer der Apartheid und des Kolonialismus. Angeblich soll ein Schüler sinngemäß gemeint haben: Wenn man "denen" Geld gäbe, würden sie ja nur noch mehr Kinder produzieren und gar nichts mehr tun.)
Ob diese Bemerkung an der DHPS nun gefallen ist oder nicht - sowohl von Seiten der Schule als auch von Seiten Meuers wäre eine Verifizierung zur Klärung der Sachlage wünschenswert -, kommt Meuers Umgang mit dieser vermeintlichen Aussage jedenfalls einer Politik der Versöhnung nicht entgegen. Keiner kann bestreiten, dass rassistisches und neo-kolonialistisches Gedankengut (leider!) immer noch seine Wurzeln in unserer Gesellschaft hat. Wir sind alle Kinder unserer Zeit und viele haben das Apartheid-Erbe auch 13 Jahre nach der Wende noch nicht ganz abschütteln können. Es bedarf einer sachlichen und offenen Diskussion, um ein Umdenken zu bewirken, nicht der verachtenden Polemik eines Gerd Meuer.
Wenn jemand über nationale Versöhnung spricht und dabei den gleichen Fanatismus an den Tag legt, den er Rassisten vorwirft, dann findet seine Rede wahrscheinlich gerade bei denen, die er erreichen will, kein Gehör. Stattdessen setzen beide Seiten weitere Steine auf ihre "Mauern der Ideologie".
Sehr viel nützlicher wäre dagegen ein Dialog, bei dem jeder den Versuch unternimmt, das Gegenüber wenigstens ansatzweise zu verstehen. Vielleicht wird mit den Leserbriefen der DHPS nun ein solcher, längst überfälliger sachlicher Diskurs in Gang gesetzt. Als Leitwort kann dabei folgende Aussage von Max Frisch dienen: "Voraussetzung der Toleranz ist das Bewusstsein, dass unser Denken stets ein bedingtes ist.'
Meuer sollte über die Ansätze zu einer Versöhnungskultur des nigerianischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Wole Soyinka sprechen. Soyinkas Theorie kam im Vortrag bei der NaDS am 4. April allerdings zu kurz. Meuers Ausführungen über den nigerianischen Philosophen gingen nicht über das hinaus, was er als Vorankündigung über die NaDS der Presse hatte zukommen lassen (WAZ on vom 4.4.2003). Stattdessen: eine lange Schilderung des eigenen Lebenslaufes, die einer recht unbescheidenen Selbstbeweihräucherung gleichkam, und eine stellenweise witzige, meist aber sehr polemische Schilderung seiner Eindrücke von Afrika beziehungsweise Namibia.
So hat Meuer sich unter anderm über vermeintlich rassistische Bemerkungen von Schülern der Deutschen Höheren Privatschule Windhoek (DHPS) bei einem Vortrag an der Schule echauffiert - wogegen sich die DHPS in zwei Leserbriefen in der heutigen Ausgabe der AZ wehrt. Das Beispiel, das Meuer anführte, entbehrt, wenn man Lehrern der Schule glauben darf, jeder Realitätsgrundlage. (Das Gespräch ging um Reparationszahlungen an die Opfer der Apartheid und des Kolonialismus. Angeblich soll ein Schüler sinngemäß gemeint haben: Wenn man "denen" Geld gäbe, würden sie ja nur noch mehr Kinder produzieren und gar nichts mehr tun.)
Ob diese Bemerkung an der DHPS nun gefallen ist oder nicht - sowohl von Seiten der Schule als auch von Seiten Meuers wäre eine Verifizierung zur Klärung der Sachlage wünschenswert -, kommt Meuers Umgang mit dieser vermeintlichen Aussage jedenfalls einer Politik der Versöhnung nicht entgegen. Keiner kann bestreiten, dass rassistisches und neo-kolonialistisches Gedankengut (leider!) immer noch seine Wurzeln in unserer Gesellschaft hat. Wir sind alle Kinder unserer Zeit und viele haben das Apartheid-Erbe auch 13 Jahre nach der Wende noch nicht ganz abschütteln können. Es bedarf einer sachlichen und offenen Diskussion, um ein Umdenken zu bewirken, nicht der verachtenden Polemik eines Gerd Meuer.
Wenn jemand über nationale Versöhnung spricht und dabei den gleichen Fanatismus an den Tag legt, den er Rassisten vorwirft, dann findet seine Rede wahrscheinlich gerade bei denen, die er erreichen will, kein Gehör. Stattdessen setzen beide Seiten weitere Steine auf ihre "Mauern der Ideologie".
Sehr viel nützlicher wäre dagegen ein Dialog, bei dem jeder den Versuch unternimmt, das Gegenüber wenigstens ansatzweise zu verstehen. Vielleicht wird mit den Leserbriefen der DHPS nun ein solcher, längst überfälliger sachlicher Diskurs in Gang gesetzt. Als Leitwort kann dabei folgende Aussage von Max Frisch dienen: "Voraussetzung der Toleranz ist das Bewusstsein, dass unser Denken stets ein bedingtes ist.'
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen