Neufarmer: Nur 3100 Dollar Gewinn pro Monat
Windhoek - "Es gibt viele Erfolgsbeispiele, aber die sind eher die Seltenheit. Denn es gibt ganz konkrete strukturelle Probleme", sagte Dr. Wolfgang Werner, der an der Fachhochschule (Polytech) in Windhoek in der Abteilung für Landmanagement arbeitet, am Freitag zur AZ. Am Abend zuvor war er Gastreferent auf einer Veranstaltung der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Windhoek zum Thema Landreform. Rund 80 Personen hatten sich dazu in der Lukaskirche in Windhoek versammelt. Man wolle "keine Politik machen, sondern informieren", hatte Bischof Erich Hertel zu Beginn des Abends vorausgeschickt.
Zu den strukturellen Problemen führte Werner aus, dass Anspruch und Realität der Zielgruppe weit auseinander gingen. Mangelndes Wissen und Erfahrung der Neufarmer stellten eine weitere Hürde dar. Außerdem fehle es oft an Infrastruktur (Einzäunung, Wasser usw.) sowie an rentablen Größen der zugewiesenen Parzellen. Werner habe eine Berechnung angestellt und dafür Zahlen bzw. Formeln des Ministeriums für Länderein genutzt: Demnach habe ein neu angesiedelter Farmer in der Omaheke-Region unter günstigsten Bedingungen (Größe der Parzelle: 1000 ha, Niederschläge, Tiergesundheit usw.) einen Nettogewinn von 37500 N$ im Jahr bzw. ca. 3100 N$ im Monat. Hellmut Förtsch vom kommerziellen Landwirtschaftsverband NLU gab zu bedenken, dass ein Farmarbeiter mit Gehalt und geldwerten Leistungen (freies Wohnen, Fleischration usw.) es auf ein monatliches Einkommen von 2800 N$ bringen würde.
Experte Werner resümierte aus vielen Gesprächen und Beispielen, dass die Umsiedlung viele Menschen "materiell ärmer gemacht" habe. Sie hätten zwar Tiere, aber keinen Finanzfluss (cash flow). Werde Bargeld benötigt (z.B. für Reparaturen, Anschaffungen und andere betriebliche oder private Ausgaben), werde ein Teil der Herde verkauft - doch diese soll doch gerade aufgebaut und vergrößert werden, so Werner. Er habe eine weitere Erfahrung gemacht: Etwa 50% der angesiedelten Neufarmer hätten einen Job, oft im öffentlichen Dienst, und seien deshalb keine (aktiven) Farmer. Die Volkswirtschaft verliere, die Fleischproduktion gehe zurück. "Wenn man konkurrenzfähig bleiben will, muss man mehr Menge produzieren und die Gewinnmargen senken. Die Landreform hier bewirkt genau das Gegenteil. Wo bleibt da die Nachhaltigkeit?", fragte Werner.
Harald Marggraff, Leiter Agrarrohstoffe bei der NLU, rief ins Gedächtnis, dass die Regierung bis 2020 insgesamt 15 Millionen Hektar umverteilen möchte. "Es wurden schon gute Fortschritte gemacht", kommentierte er angesichts der bereits angekauften 9,5 Mio. Hektar. Allerdings räumte er ein, dass der Staat von seinem Vorkaufsrecht nur selten Gebrauch mache: 80% aller angebotenen Farmen seien in den vergangenen zwei Jahren von der Regierung für den Verkauf an andere Interessenten freigegeben worden. Den Vorwurf, dass kommerzielle Farmer an der schleppenden und/oder geringen Umverteilung von Grund und Boden Schuld seien, bezeichnete Werner deshalb schlichtweg als "Unfug".
Hinsichtlich der Produktivität habe bei der Regierung ein Umdenkprozess begonnen, sagte Werner. Zwar ganz langsam, aber immerhin: "Vor 15 Jahren gab es das noch nicht." Wenn die Landreform funktionieren soll, dann müsse den Neufarmern "mehr geholfen werden", ist der Experte überzeugt. Er nannte Beratungen, Weitergabe von Wissen und Erfahrungen, Subventionen und Steuervergünstigungen - "so wie es das früher gab und was auch zum Erfolg der weißen Farmer beigetragen hat", sagte Werner. Überdies müsste vor der Neuansiedlung mehr in die Infrastruktur des Farmlands investiert werden (Zäune, Wasserbohrlöcher usw.).
Im Rahmen des Vortrags wurde auch die Neuberechnung der Bodensteuer scharf kritisiert, weil diese für nicht wenige Farmer zur Existenzfrage werde (mehr dazu demnächst in der AZ).
Zahlen & Fakten
- Im Jahr 1990 waren ca. 38 Millionen Hektar bzw. 44% der Fläche Namibias in freiem Grundbesitz (kommerzielles Farmland), während sich das Kommunalgebiet auf 35,4 Millionen Hektar bzw. 41% der Fläche erstreckte.
- Nach der großen Landkonferenz (1991) wurden zwei Modelle für die Landumverteilung entwickelt: 1. National Ressetlement Programme, NRP (die Regierung kauft Land und siedelt Neufarmer auf mehreren Parzellen an, die in der Regel keine Pacht zahlen) und 2. Affirmative Action Loan Scheme, AALS (Neufarmer kaufen Farmen zu zinsgünstigen Krediten).
- Die Regierung will bis 2020 insgesamt 15 Millionen Hektar umverteilt haben. Bislang wurden rund 9,5 Mio. ha bzw. 25% der einstigen 38 Mio. ha umverteilt, davon drei Viertel im Rahmen von AALS und der Rest über NRP.
- Bei 80% der angebotenen Farmen in den vergangenen zwei Jahren hat die Regierung von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch gemacht.
- Der jährliche Reinerlös eines NRP-Farmbetriebs in der Omaheke-Region unter besten Bedingungen beträgt: 37500 N$ (1000 ha) bzw. 77000 N$ (3000 ha).
Quellen: NLU und Dr. Wolfgang Werner
Zu den strukturellen Problemen führte Werner aus, dass Anspruch und Realität der Zielgruppe weit auseinander gingen. Mangelndes Wissen und Erfahrung der Neufarmer stellten eine weitere Hürde dar. Außerdem fehle es oft an Infrastruktur (Einzäunung, Wasser usw.) sowie an rentablen Größen der zugewiesenen Parzellen. Werner habe eine Berechnung angestellt und dafür Zahlen bzw. Formeln des Ministeriums für Länderein genutzt: Demnach habe ein neu angesiedelter Farmer in der Omaheke-Region unter günstigsten Bedingungen (Größe der Parzelle: 1000 ha, Niederschläge, Tiergesundheit usw.) einen Nettogewinn von 37500 N$ im Jahr bzw. ca. 3100 N$ im Monat. Hellmut Förtsch vom kommerziellen Landwirtschaftsverband NLU gab zu bedenken, dass ein Farmarbeiter mit Gehalt und geldwerten Leistungen (freies Wohnen, Fleischration usw.) es auf ein monatliches Einkommen von 2800 N$ bringen würde.
Experte Werner resümierte aus vielen Gesprächen und Beispielen, dass die Umsiedlung viele Menschen "materiell ärmer gemacht" habe. Sie hätten zwar Tiere, aber keinen Finanzfluss (cash flow). Werde Bargeld benötigt (z.B. für Reparaturen, Anschaffungen und andere betriebliche oder private Ausgaben), werde ein Teil der Herde verkauft - doch diese soll doch gerade aufgebaut und vergrößert werden, so Werner. Er habe eine weitere Erfahrung gemacht: Etwa 50% der angesiedelten Neufarmer hätten einen Job, oft im öffentlichen Dienst, und seien deshalb keine (aktiven) Farmer. Die Volkswirtschaft verliere, die Fleischproduktion gehe zurück. "Wenn man konkurrenzfähig bleiben will, muss man mehr Menge produzieren und die Gewinnmargen senken. Die Landreform hier bewirkt genau das Gegenteil. Wo bleibt da die Nachhaltigkeit?", fragte Werner.
Harald Marggraff, Leiter Agrarrohstoffe bei der NLU, rief ins Gedächtnis, dass die Regierung bis 2020 insgesamt 15 Millionen Hektar umverteilen möchte. "Es wurden schon gute Fortschritte gemacht", kommentierte er angesichts der bereits angekauften 9,5 Mio. Hektar. Allerdings räumte er ein, dass der Staat von seinem Vorkaufsrecht nur selten Gebrauch mache: 80% aller angebotenen Farmen seien in den vergangenen zwei Jahren von der Regierung für den Verkauf an andere Interessenten freigegeben worden. Den Vorwurf, dass kommerzielle Farmer an der schleppenden und/oder geringen Umverteilung von Grund und Boden Schuld seien, bezeichnete Werner deshalb schlichtweg als "Unfug".
Hinsichtlich der Produktivität habe bei der Regierung ein Umdenkprozess begonnen, sagte Werner. Zwar ganz langsam, aber immerhin: "Vor 15 Jahren gab es das noch nicht." Wenn die Landreform funktionieren soll, dann müsse den Neufarmern "mehr geholfen werden", ist der Experte überzeugt. Er nannte Beratungen, Weitergabe von Wissen und Erfahrungen, Subventionen und Steuervergünstigungen - "so wie es das früher gab und was auch zum Erfolg der weißen Farmer beigetragen hat", sagte Werner. Überdies müsste vor der Neuansiedlung mehr in die Infrastruktur des Farmlands investiert werden (Zäune, Wasserbohrlöcher usw.).
Im Rahmen des Vortrags wurde auch die Neuberechnung der Bodensteuer scharf kritisiert, weil diese für nicht wenige Farmer zur Existenzfrage werde (mehr dazu demnächst in der AZ).
Zahlen & Fakten
- Im Jahr 1990 waren ca. 38 Millionen Hektar bzw. 44% der Fläche Namibias in freiem Grundbesitz (kommerzielles Farmland), während sich das Kommunalgebiet auf 35,4 Millionen Hektar bzw. 41% der Fläche erstreckte.
- Nach der großen Landkonferenz (1991) wurden zwei Modelle für die Landumverteilung entwickelt: 1. National Ressetlement Programme, NRP (die Regierung kauft Land und siedelt Neufarmer auf mehreren Parzellen an, die in der Regel keine Pacht zahlen) und 2. Affirmative Action Loan Scheme, AALS (Neufarmer kaufen Farmen zu zinsgünstigen Krediten).
- Die Regierung will bis 2020 insgesamt 15 Millionen Hektar umverteilt haben. Bislang wurden rund 9,5 Mio. ha bzw. 25% der einstigen 38 Mio. ha umverteilt, davon drei Viertel im Rahmen von AALS und der Rest über NRP.
- Bei 80% der angebotenen Farmen in den vergangenen zwei Jahren hat die Regierung von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch gemacht.
- Der jährliche Reinerlös eines NRP-Farmbetriebs in der Omaheke-Region unter besten Bedingungen beträgt: 37500 N$ (1000 ha) bzw. 77000 N$ (3000 ha).
Quellen: NLU und Dr. Wolfgang Werner
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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