Nibelungentreue bei Wahl am Kap
Vorsprung der ANC wird kleiner - DA gewinnt Stimmen - EFF schwächer als erwartet
Von Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Seit dem Ende der Apartheid vor 25 Jahren haben Wahlen in Südafrika die Eigenschaft, hundertprozentig vorhersehbar zu sein. Dank der tiefen Dankbarkeit vieler schwarzer Wähler gegenüber dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und dessen Kampf gegen die weiße Vorherrschaft, wird die Politik am Kap total von der früheren Befreiungsbewegung dominiert. Bei jeder Wahl seit 1994 glich das Ergebnis dabei einem ethnischen Zensus: Die überwältigende Mehrheit der Schwarzen votierte für den ANC. Das Gros der Minderheiten stimmte für die oppositionelle liberale Demokratische Allianz (DA). Wechselwähler sind am Kap eine eher rare Spezies.
Trotz der Plünderung des Staates durch den inzwischen abgelösten Präsidenten Jacob Zuma (2009 - 2018) und seine Helfershelfer hat der ANC nun auch die sechste Wahl in Folge mit absoluter Mehrheit gewonnen - allerdings mit „nur“ etwa 56 Prozent aller Stimmen und damit einem kleineren Vorsprung als je zuvor (2014: 62 Prozent). Die Aura, Südafrika vom Joch der weißen Vorherrschaft befreit zu haben, wiegt noch immer schwer.
Dass die ethnischen Loyalitäten jedoch langsam schwinden, zeigt das gute Abschneiden der oppositionellen Democratic Alliance (DA), die ihren Stimmenanteil diesmal leicht auf rund 23% steigern konnte (2014: 22 Prozent) und auch die Provinz Westkap verteidigte. (Alle anderen acht Provinzen dürften mit jeweils absoluter Mehrheiten an den ANC fallen) Bemerkenswert war zudem, dass die linksradikalen Economic Freedom Fighters (EFF), die Verstaatlichungen von Industrie und Farmland fordert, wohl nur knapp 10 Prozent aller Stimmen erhalten werden - und damit schlechter als erwartet abschnitten dürfte.
Dennoch: Anderswo wäre eine Regierung wie der ANC nach einem solch eklatanten Versagen wie in den letzten zehn Jahren gewiss abgewählt worden. Dass dies hier auch diesmal nicht geschah, zeigt deutlich, wie tief die rassischen Ressentiments in (Süd)Afrika vielerorts noch immer sitzen.
Die verheerende Politik hat inzwischen auch die Wirtschaft in den Abstiegssog gerissen: So liegt die Arbeitslosigkeit bei über 27 Prozent, inoffiziell sogar bei fast 40 Prozent - die mit Abstand höchste in einem Industrieland. Während das Wirtschaftswachstum auf mickrige 0.7 Prozent geschrumpft ist, hat sich der Schuldenberg in nur zehn Jahren fast verdoppelt - und droht Südafrika zu ersticken.
Daneben hat es der ANC jahrelang versäumt, das marode Bildungs- und Gesundheitswesen zu reformieren. Es ist ein Armutszeugnis für die Nachfolger von Nelson Mandela, dass Kinder in Ghana oder dem Tschad heute besser als in Südafrika lesen und schreiben können.
Während Skeptiker Südafrika deshalb bereits in die Unregierbarkeit abrutschen sehen, glauben Optimisten, dass der vor 15 Monaten an die Macht gelangte Cyril Ramaphosa das Land nach seinem Wahlsieg in einer herkulischen Anstrengung wieder auf Kurs bringen - und dazu die bis ins Mark korrupte Regierungspartei säubern kann. Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass ein einzelner Mann, der noch dazu vier Jahre lang unter Zuma Teil der Machtmaschinerie war, Südafrika quasi im Alleingang retten kann. Mehr als alles andere braucht das Land dazu eine starke Opposition, die den ANC scharf überwacht und eine echte Alternative bietet.
Eigentlich hat Ramaphosa keine echte Option, wenn er das Land aus seiner Notlage befreien und der zum Stillstand gekommenen Wirtschaft neue Impulse geben will. Dazu müsste er zunächst die übergroße Macht der radikalen Gewerkschaften brechen und die strikten Rassenquoten lockern, die Südafrikas Institutionen stark geschwächt haben, weil Hautfarbe und Loyalität am Kap seit langem Leistung und Verdienst stechen.
Am wahrscheinlichsten ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit jedoch, dass sich der ANC auf den Lorbeeren des Wahlsieges ausruhen, den von Zuma hinterlassenen Augiasstall nur zum Teil ausmisten - und das Staatsschiff deshalb weiter ziellos dahintreiben wird.
Seit dem Ende der Apartheid vor 25 Jahren haben Wahlen in Südafrika die Eigenschaft, hundertprozentig vorhersehbar zu sein. Dank der tiefen Dankbarkeit vieler schwarzer Wähler gegenüber dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und dessen Kampf gegen die weiße Vorherrschaft, wird die Politik am Kap total von der früheren Befreiungsbewegung dominiert. Bei jeder Wahl seit 1994 glich das Ergebnis dabei einem ethnischen Zensus: Die überwältigende Mehrheit der Schwarzen votierte für den ANC. Das Gros der Minderheiten stimmte für die oppositionelle liberale Demokratische Allianz (DA). Wechselwähler sind am Kap eine eher rare Spezies.
Trotz der Plünderung des Staates durch den inzwischen abgelösten Präsidenten Jacob Zuma (2009 - 2018) und seine Helfershelfer hat der ANC nun auch die sechste Wahl in Folge mit absoluter Mehrheit gewonnen - allerdings mit „nur“ etwa 56 Prozent aller Stimmen und damit einem kleineren Vorsprung als je zuvor (2014: 62 Prozent). Die Aura, Südafrika vom Joch der weißen Vorherrschaft befreit zu haben, wiegt noch immer schwer.
Dass die ethnischen Loyalitäten jedoch langsam schwinden, zeigt das gute Abschneiden der oppositionellen Democratic Alliance (DA), die ihren Stimmenanteil diesmal leicht auf rund 23% steigern konnte (2014: 22 Prozent) und auch die Provinz Westkap verteidigte. (Alle anderen acht Provinzen dürften mit jeweils absoluter Mehrheiten an den ANC fallen) Bemerkenswert war zudem, dass die linksradikalen Economic Freedom Fighters (EFF), die Verstaatlichungen von Industrie und Farmland fordert, wohl nur knapp 10 Prozent aller Stimmen erhalten werden - und damit schlechter als erwartet abschnitten dürfte.
Dennoch: Anderswo wäre eine Regierung wie der ANC nach einem solch eklatanten Versagen wie in den letzten zehn Jahren gewiss abgewählt worden. Dass dies hier auch diesmal nicht geschah, zeigt deutlich, wie tief die rassischen Ressentiments in (Süd)Afrika vielerorts noch immer sitzen.
Die verheerende Politik hat inzwischen auch die Wirtschaft in den Abstiegssog gerissen: So liegt die Arbeitslosigkeit bei über 27 Prozent, inoffiziell sogar bei fast 40 Prozent - die mit Abstand höchste in einem Industrieland. Während das Wirtschaftswachstum auf mickrige 0.7 Prozent geschrumpft ist, hat sich der Schuldenberg in nur zehn Jahren fast verdoppelt - und droht Südafrika zu ersticken.
Daneben hat es der ANC jahrelang versäumt, das marode Bildungs- und Gesundheitswesen zu reformieren. Es ist ein Armutszeugnis für die Nachfolger von Nelson Mandela, dass Kinder in Ghana oder dem Tschad heute besser als in Südafrika lesen und schreiben können.
Während Skeptiker Südafrika deshalb bereits in die Unregierbarkeit abrutschen sehen, glauben Optimisten, dass der vor 15 Monaten an die Macht gelangte Cyril Ramaphosa das Land nach seinem Wahlsieg in einer herkulischen Anstrengung wieder auf Kurs bringen - und dazu die bis ins Mark korrupte Regierungspartei säubern kann. Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass ein einzelner Mann, der noch dazu vier Jahre lang unter Zuma Teil der Machtmaschinerie war, Südafrika quasi im Alleingang retten kann. Mehr als alles andere braucht das Land dazu eine starke Opposition, die den ANC scharf überwacht und eine echte Alternative bietet.
Eigentlich hat Ramaphosa keine echte Option, wenn er das Land aus seiner Notlage befreien und der zum Stillstand gekommenen Wirtschaft neue Impulse geben will. Dazu müsste er zunächst die übergroße Macht der radikalen Gewerkschaften brechen und die strikten Rassenquoten lockern, die Südafrikas Institutionen stark geschwächt haben, weil Hautfarbe und Loyalität am Kap seit langem Leistung und Verdienst stechen.
Am wahrscheinlichsten ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit jedoch, dass sich der ANC auf den Lorbeeren des Wahlsieges ausruhen, den von Zuma hinterlassenen Augiasstall nur zum Teil ausmisten - und das Staatsschiff deshalb weiter ziellos dahintreiben wird.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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