Nigerias U20 im Halbfinale - Pfannenstiel sichtet für Hoffenheim

Wenn morgen das Dobsonville-Stadion im Johannesburger Stadtteil Soweto zur Austragungsstätte für die Halbfinalpartien der besten afrikanischen U20-Fußballer wird, ist die gastgebende Auswahl Südafrikas nicht mehr vertreten. Mit einer 2:4-Auftaktpleite gegen Mali waren die südafrikanischen Nachwuchskicker in das Turnier gestartet. Nach dem 2:1-Erfolg im zweiten Gruppenspiel gegen Lesotho war bei den heimischen Fans noch einmal Hoffnung aufgekeimt. Angreifer Letsie Koapeng mit einem Kopfballtor in der 25. Spielminute und dessen Sturmpartner Lucky Nguzana (35.), der einen Freistoß direkt zu seinem dritten Turniertreffer verwertete, hatten Südafrika in Führung gebracht, ehe ein von Litsepe Marabe (74.) verwandelter Foulelfmeter für Lesotho lediglich noch Ergebniskosmetik bedeutete.
Doch der Dreipunkteerfolg war für die Elf der Gastgeber am Ende wertlos, da sie drei Tage später am Ostersamstag das abschließende Gruppenspiel gegen Ägypten mit 0:1 verlor. Im entscheidenden Duell um die Spitzenposition in der Gruppe A waren die Ägypter zuvor Mali mit 0:1 unterlegen. Malis Kapitän Amara Konate (67.) schoss sein Team gegen die Nordafrikaner mit einem direkt verwandelten Freistoß vorzeitig in das Halbfinale. Dem Tabellenschlusslicht Lesotho gelang zum Abschluss mit einem 1:1 gegen das bereits qualifizierte Mali zumindest noch ein Achtungserfolg.
Bender mit Nigeria im Halbfinale
In der Gruppe B sicherten sich die U20-Kicker aus Kamerun mit zwei 1:0-Siegen gegen Gambia und Nigeria sowie einem abschließenden 1:1 gegen Ghana als erste Mannschaft das Halbfinalticket. Am Ostersonntag komplettierte Nigeria die Vorschlussrunde der Kontinentalmeisterschaft. Den Nigerianern, bei denen der langjährige Bundesliga-Profi Manfred Bender (266 Spiele für die SpVgg Unterhaching, den FC Bayern München, den Karlsruher SC, 1860 München und den 1. FC Saarbrücken) seit Februar dieses Jahres als Assistenzcoach tätig ist, reichten ein 2:1-Sieg gegen Ghana und ein 2:0-Erfolg gegen Gambia, um das Halbfinalticket zu lösen. Gegen Gambia zeichneten sich Ramón Azeez (53.) und Stanley Okoro (71.) als Torschützen aus.
"Wir waren die klar bessere und aktivere Mannschaft", sprach Nigerias Co-Trainer Bender anschließend zufrieden von einem verdienten Sieg seiner Mannschaft. Mit Philemon Daniel war ein zentraler Mittelfeldspieler der herausragende Akteur der nigerianischen Elf, die nun im Halbfinale am heutigen Donnerstag um 12 Uhr auf die physisch starken Malier trifft. "Mali hat sich im Laufe der ersten Turnierwoche in die Rolle des Favoriten gespielt und unsere Jungs müssen sich kräftig steigern, wenn sie den Sprung in das Endspiel schaffen wollen", analysierte Bender die Chancen seines Teams auf den Finaleinzug. Doch das Hauptziel ist bereits erreicht. Denn die vier Halbfinalisten haben sich zugleich auch die Teilnahme an der U20-Weltmeisterschaft gesichert, die vom 29. Juli bis zum 20. August 2011 in Kolumbien ausgetragen wird. Neben Mali und Nigeria sind dies Kamerun und Ägypten, die sich heute Nachmittag um 15 Uhr im zweiten Halbfinale der U20-Afrikameisterschaft ebenfalls im Johannesburger Dobsonville-Stadion gegenüber stehen werden.
Pfannenstiel sucht Super-Talente
Auf der Tribüne wird dann wie schon in der Vorwoche ein Fußball-Experte Platz nehmen, der sich in den vergangenen Jahren in Namibia einen Namen gemacht hat. Der frühere Assistenztrainer der namibischen Nationalmannschaft, Lutz Pfannenstiel, ist seit ein paar Monaten beim Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim für den Bereich internationale Beziehungen und Scouting zuständig. Der aufstrebende Club aus der Nähe von Heidelberg hat in der jüngsten Vergangenheit gute Erfahrungen mit afrikanischen Spielern (Demba Ba/Senegal, Chinedu Obasi/Nigeria und Isaac Vorsah/Ghana) gesammelt und mit dem Afrika-Experten Pfannenstiel, der 1996 im Rahmen seiner illustren Karriere (in 18 Jahren war er für 25 Vereine auf sechs Kontinenten aktiv) für vier Monate das Tor des südafrikanischen Spitzenvereins Orlando Pirates hütete, soll dieser Markt nun weiter ausgeschöpft werden.
"Der afrikanische Markt ist hart umkämpft, aber in der Bundesliga ist kein Club so aktiv auf diesem Kontinent wie Hoffenheim und wir werden in den kommenden Jahren weitere großartige Fußballer aus Afrika in unsere Mannschaft integrieren", ist Pfannenstiel überzeugt. Aus zahlreichen europäischen Ländern wie England, Frankreich und Russland sind die Talent-Scouts und Agenten nach Johannesburg gereist, um bei der U20-Afrikameisterschaft nach den Stars von morgen Ausschau zu halten. Mit dem ghanaischen Ex-Nationalspieler Ibrahim Tanko (158 Bundesliga-Spiele für Borussia Dortmund und den SC Freiburg) und dem sambischen Rekordnationalspieler Kalusha Bwalya haben sich in diesen Tagen auch afrikanische Fußball-Fachleute im Dobsonville-Stadion eingefunden, um Kontakte zu pflegen und Talente in Augenschein zu nehmen.
Niveau erfüllt Erwartungen nicht
Von den bisher gezeigten Leistungen der afrikanischen U20-Elite zeigt sich Pfannenstiel im Gespräch mit der AZ wenig beeindruckt. "Das Niveau ist niedriger als ich erwartet hatte", fasste der 37-jährige Bayer am Ostermontag seine Eindrücke von der ersten Turnierwoche zusammen. Teilweise führt er dies auf den überstrapazierten Rasen der Spielstätte in Soweto zurück. "Wenn man sich die katastrophalen Platzverhältnisse hier ansieht, war es ein Fehler, das Turnier nicht in mehreren Stadien auszutragen." Starke Regenfälle und die tägliche Beanspruchung haben den Boden in einen schwer bespielbaren Untergrund verwandelt. Lediglich zwei der insgesamt zwölf Vorrundenspiele wurden im Milpark-Stadion im Zentrum Johannesburgs ausgetragen, die übrigen zehn in Dobsonville, wo das errichtete Medienzentrum die Live-Übertragung der Spiele im Fernsehen möglich macht.
Das Niveau des Turniers leidet zudem daran, dass nicht alle Top-Nachwuchsspieler von ihren Vereinen freigestellt wurden. Ursprünglich sollte die U20-Kontinentalmeisterschaft bereits einen Monat zuvor in Libyen ausgetragen werden, doch aufgrund der dortigen politischen Unruhen wurde der Wettkampf zunächst komplett abgesagt. Erst wenige Wochen vor dem ersten Anstoß im Dobsonville-Stadion hatte der Afrikanische Fußball-Verband (CAF) Südafrika Mitte März zum Ersatzaustragungsort ernannt. Einige europäische Vereine argumentierten, die Neuansetzung sei zu kurzfristig erfolgt und der neue Termin falle in die entscheidende Phase des Liga-Betriebes, sodass einige der afrikanischen U20-Kicker, die in ihren Clubs bereits zu Leistungsträgern herangereift sind, in diesen Tagen in Johannesburg nicht gegen den Ball treten.
Probetraining in Hoffenheim winkt
Für einen Großteil der Teilnehmer des Turniers geht es dagegen noch um den Sprung nach Europa. In den Abendstunden sieht man die herausragenden Spieler des Tages in der Lobby des Mannschaftshotels in Gesprächen mit den Talent-Scouts der europäischen Vereine und den internationalen Agenten verwickelt. Auch Pfannenstiel ist nicht untätig. "Wir werden den ein oder anderen hoffnungsvollen Spieler zum Probetraining nach Deutschland einladen, aber ich habe noch kein Super-Talent gesehen, bei dem ich überzeugt bin, dass er sich sofort in der Bundesliga durchsetzen könnte." Auch die Torhüter kommen für einen Transfer nach Deutschland kaum in Frage. "Im Rahmen dieser Meisterschaft hat sich wieder einmal bestätigt, dass die Qualität der afrikanischen Torhüter in der Regel nicht für die europäischen Ligen ausreicht", analysierte der Experte die durchwachsenen Leistungen der jungen Schlussleute. Als Favorit auf den kontinentalen U20-Titel sieht Pfannenstiel die Mannschaft von Mali. "Die haben das physisch stärkste und taktisch am besten geschulte Team und werden im Finale gegen Ägypten gewinnen", prophezeit der langjährige Fußball-Profi den Ausgang des Turniers.
Abseits der U20-Meisterschaft nutzt Pfannenstiel seinen Südafrika-Aufenthalt für die Beobachtung von Spielern aus der südafrikanischen Profi-Liga PSL. "Wir haben eine Handvoll Spieler aus der PSL im Visier, die uns sofort weiterbringen könnten, aber sie sind allesamt bei Traditionsvereinen unter Vertrag und nur für relativ hohe Ablösesummen zu haben", erklärt der Hoffenheim-Scout. In der vergangenen Woche fuhr Pfannenstiel für zwei Tage in die Küstenstadt Durban, wo er sich mit dem einflussreichsten Fußball-Agenten Südafrikas, Mike Makaab, traf, um sich über den aktuellen Marktwert der PSL-Topspieler zu informieren. In Hoffenheim steht ein personeller Umbruch an, wenn zur neuen Saison der 42-jährige Holger Stanislawski (aktuell noch Trainer des FC St. Pauli) das Ruder übernimmt. "Wir werden etwa sieben neue Spieler holen und ich gehe davon aus, dass auch der ein oder andere Afrikaner darunter sein wird", verrät Pfannenstiel, bevor er sich im Hotel Garden Court am Johannesburger Flughafen zu Bender, Tanko und Kalusha an den Frühstückstisch gesellt.

Ansetzungen für das Halbfinale

Donnerstag, 28. April, Dobsonville-Stadion/Soweto:
Mali - Nigeria (12 Uhr)
Kamerun - Ägypten (15 Uhr)