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NUR 24 ZEILEN (18. Folge)
NUR 24 ZEILEN (18. Folge)

NUR 24 ZEILEN (18. Folge)

Eine wahre Geschichte über den Krieg, die Liebe und den langen Weg zurück nach Afrika
Claudia Reiter
Geschichte, südliches Afrika, II. Weltkrieg, Internierung, Kurt Falk, Erika von Wietersheim, Gefangenenlager, „nur 24 Zeilen“

Was ist das Geheimnis einer großen Liebe? Wie übersteht sie Trennung und Entfernung? Was bedeutet Heimat und wo ist sie, wenn der Krieg eine Heimkehr unmöglich macht? Eine fesselnde Erzählung die einen neuen Blick auf die Geschichte der Deutschen in Afrika wirft und die zeigt, wie eng verflochten die Fäden sind, die die Kriegsgeneration noch immer mit der heutigen verbinden. Erika von Wietersheim erzählt die Geschichte ihrer Eltern.

EIN TRAURIGES HÄUFLEIN (Kapitel 7, Teil 2/3)

Was war geschehen? Erst sehr viel später erfahren die geretteten Internierten, dass die Arandora Star vierundzwanzig Stunden, nachdem sie von Liverpool aus in See gestochen war, vor der Westküste Irlands von einem deutschen U-Boot, der U-47, torpediert worden war, und zwar unter dem anschließend in Deutschland als U-Boot-Helden gefeierten Kommandanten Prien. Der Torpedo traf die Arandora Star voll mittschiffs, durchdrang die Bordwand und zertrümmerte den Maschinenraum und die Lichtanlage. Sofort spülten gewaltige Wassermassen durch das riesige Loch in der Bordwand und überfluteten mit bedrohlicher Geschwindigkeit das Schiff. Ein Großteil der Besatzung fand in diesen ersten Augenblicken den Tod, bevor die Männer überhaupt verstehen konnten, was geschehen war.

„Es war unbegreiflich, daß die englische Kriegsführung einen solchen Kardinalfehler gemacht und die Meldung, daß ein Interniertenschiff sich auf dem Weg nach Kanada befand, nicht durchgegeben hatte“, schrieb Kurt später.

Kurt hat großes Glück. Er ist rechtzeitig gesprungen und auch weit genug, um nicht von dem Sog des untergehenden Schiffs mitgerissen zu werden. Zwei lange Stunden schwimmt er im immer kälter werdenden Meer herum. Dann sieht er plötzlich ein Boot:

„Ein englischer Matrose, der das Ruder in der Hand hatte, rief mir zu: ,Are you a sailor?' – ,Aye-aye, Sir!’, antwortete ich prompt, und schon hievte ich mich ins Boot, ergriff ein Ruder und ließ es auch nicht mehr los. Ein anderer Matrose im Boot gab mir sein Lumber Jacket, um meinen nackten Oberkörper zu schützen.

Ein jeder war damit beschäftigt, sein Leben zu retten, und doch konnte man am Rande dieses erschütternden Erlebnisses vieles um sich herum wahrnehmen. Ich sah, wie junge Leute nach vergeblichen Hilferufen mit einem ,Good-bye!‘ auf den Lippen sich der Tiefe des Meeres hingaben. Ich sah, wie andere um ein vermeintlich rettendes Floß kämpften oder versuchten, sich an Tonnen festzuhalten. Viele, besonders die Italiener, klammerten sich verzweifelt an schwimmende Seeleute oder Soldaten, aber oft nur, um auch diese mit sich in den Tod zu ziehen. Einigen wenigen konnten wir noch helfen, mit ins Boot zu klettern, bis auch unseres überfüllt war.

Hinter mir auf einer der Bänke murmelte ein Italiener wirre, unverständliche Worte vor sich hin und begann dann, seine Pfundnoten auf dem Sitz auszubreiten, um sie in der Sonne zu trocknen – er hatte wenig Verständnis dafür, daß der Platz für einen Überlebenden wichtiger war!

Ich hörte auch jemanden in meiner Nähe in einem unverfälschten Sächsisch sprechen. Ich schaute ihn an – er kam mir bekannt vor, doch konnte ich ihn zunächst nicht einordnen. Wiederholt versuchten wir, einen gemeinsamen Nenner zu finden, bis sich herausstellte, dass er gleichzeitig mit mir gedient hatte und der einzige Brillenträger in der 11. Kompanie gewesen war, ich wiederum der einzige in der 12.! So waren wir uns gegenseitig in unserer Dienstzeit aufgefallen, ohne uns näher zu kennen. Welch sonderbare Zufälle in dieser Situation!

Wohin man schaute, sah man nur Wasser und blauen Himmel. Man hörte die Hilfeschreie der Verwundeten und Verletzten. Um jeden leeren Rettungsring wurde gekämpft.

Auch sein Internierten-Kamerad Hans Daniels, mit dem Kurt eine lebenslange Freundschaft verbinden wird, wird gerettet und erzählt Folgendes: „Als ich an Deck kam und sah, daß das Schiff schon am Sinken war, beschloß ich, so schnell wie möglich ins Wasser zu springen. Das Schiff stand schon steil, und das Heck war noch etwa einen Meter über dem Wasser. Ich ergriff die Log-Leine und sprang ins Meer, über das sich bereits ein Ölteppich verbreitet hatte. Ich hatte nur eine Pyjamahose an. Unmittelbar in meiner Nähe sah ich ein Rettungsboot, in dem ich einen Mann erkannte, der mir im Internierungslager durch seinen auffallend bunten Pyjama in Erinnerung war. Ich rief ihm zu, und er half mir beim Einsteigen ins Boot. Da meine Pyjamahose mit Öl beschmiert war, zog ich sie aus, und ein englischer Marineoffizier gab mir seinen Marinemantel als Schutz gegen die eisige Kälte.“

Zu dieser Zeit befinden sich nach späteren Berichten noch fast eintausend Mitglieder der Besatzung und der Wachmannschaften sowie Internierte, in kleinen Gruppen oder einzeln, über ein paar Quadratkilometer Atlantik verstreut am Leben, ölverschmierte Leiber treiben ziellos im Licht der untergehenden Sonne auf den Wellen. Zum Glück ist es windstill und das Meer ruhig, aber das Wasser ist bitterkalt und immer mehr Schwimmer oder Menschen, die sich an Planken oder Trümmer klammern, gehen unter. Viele ertrinkende Männer schreien nach ihrer Mutter, in allen Sprachen, viele haben Öl geschluckt, sie können kaum sprechen, man kann sie nicht abreiben, sie bekommen keine Luft.

Nach einer schier endlosen Zeit hört man plötzlich neben dem plätschernden Geräusch des Wassers einen neuen Ton, der von oben kommt. Es ist ein Flugzeug. Alle winken ihm entgegen, hoffen inbrünstig, dass es sie sieht. Tatsächlich zieht es große Kreise über dem Ort der Katastrophe und jemand hängt ein weißes Tuch mit einem roten Kreuz heraus. Jetzt kann man zumindest hoffen, dass sich die Nachricht vom Schicksal der Arandora Star verbreitet hat und dass auf irgendeine Weise Hilfe geschickt wird.

Es dauert noch acht Stunden, bis die ersehnte Rettung kommt. Erst am Nachmittag nähert sich am Horizont ein Schiff. Der Kapitän steht auf der Brücke, neben ihm der Erste Offizier. Zwei große Boote gleiten unter ihren wachsamen Augen ins Wasser und rudern auf die Rettungsboote zu. Es sind Kanadier, ihr Schiff der Zerstörer St. Laurent. Mit allergrößter Mühe ziehen sie die zum Teil schwer verletzten und inzwischen völlig erschöpften Männer in ihre Boote; deren vom Wasser vollgesogene Kleidung erschwert jede Rettungsaktion zusätzlich. Über Stunden sucht die Besatzung der St. Laurent in den Rettungsbooten ihres Schiffes den Atlantik ab. Irgendwann geben sie völlig ermattet auf. Über 200 Überlebende haben sie gerettet. Nach Kurts Memoiren geht es so weiter:

An Bord wurden die Mannschaften des Zerstörers angewiesen, schnellstens trockene Kleidung zu verteilen und die Verletzten und Verwundeten zu versorgen. In kürzester Zeit gab es auch zu essen und zu trinken.

Auch ich stieg die Leiter hoch. Die Überlebenden begrüßten sich. Von uns Internierten wurden nur etwa 200 gerettet. Ich legte mich aufs Deck, in der Nähe des Schornsteins, um mich zu schützen und zu wärmen, und fühlte mich wie nach einer zweiten Geburt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-25

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