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NUR 24 ZEILEN (23. Folge)
NUR 24 ZEILEN (23. Folge)

NUR 24 ZEILEN (23. Folge)

Eine wahre Geschichte über den Krieg, die Liebe und den langen Weg zurück nach Afrika
Claudia Reiter
Geschichte, südliches Afrika, II. Weltkrieg, Internierung, Kurt Falk, Erika von Wietersheim, Gefangenenlager, „nur 24 Zeilen“

Was ist das Geheimnis einer großen Liebe? Wie übersteht sie Trennung und Entfernung? Was bedeutet Heimat und wo ist sie, wenn der Krieg eine Heimkehr unmöglich macht? Eine fesselnde Erzählung die einen neuen Blick auf die Geschichte der Deutschen in Afrika wirft und die zeigt, wie eng verflochten die Fäden sind, die die Kriegsgeneration noch immer mit der heutigen verbinden. Erika von Wietersheim erzählt die Geschichte ihrer Eltern Hildegard und Kurt Falk.

HÖLLENSCHIFF DUNERA (Kapitel 8, Teil 4/5)

„Die Situation an Bord wurde immer unerträglicher“, schreibt Kurt. „Wir kamen weiterhin nur ein oder zwei Mal am Tag an die frische Luft. Die unteren Räume waren stickig und warm. Die sanitären Bedingungen ließen immer mehr zu wünschen übrig. Wasser wurde knapp. Wir begannen, unser Äußeres zu vernachlässigen. Auch wurde es immer heißer. Wir näherten uns dem Äquator.

Ein besonderes Problem verursachte die Wäsche unserer spärlichen Kleidung. Wenn es uns gelungen war, ein Kleidungsstück zu waschen, mußten wir es in der Sonne festhalten, bis es trocken war, denn ließ man es auch nur einen kurzen Augenblick unbeobachtet liegen, war es verschwunden. Zudem waren unsere Sachen durch das Waschen mit Salzwasser zerschlissen und zerfleddert.“

Dreimal legt die Dunera an der afrikanischen Westküste zum Auffüllen der Treibstoff- und Lebensmittelvorräte an: das erste Mal, am 24. Juli, im Hafen von Freetown in Sierra Leone, wo Kurt und seine Kameraden vor neun Monaten nach der Beschlagnahme der Uhenfels eine Woche lang in der „Eingeborenenschule“ im Regenwald interniert waren. Der zweite Zwischenstopp, am 27. Juli, ist in Takoradi, im heutigen Ghana, damals noch als Goldküste bekannt. Der erste längere Halt wird im südafrikanischen Kapstadt gemacht. Sie kommen am 8. August dort an. Es ist auf den Tag genau elf Monate her, dass Kurt Südafrika verlassen hat und Richtung Mosambik geflüchtet ist. Durch das kleine Bullauge sieht er den majestätischen Tafelberg und einen Teil des Löwenkopf-Massivs. An der gleichen Stelle, von der aus er der Internierung zu entkommen versucht hat, steht er nun im Bauch eines Schiffs als Internierter hinter Stacheldraht, hungrig und in zerfetzter Kleidung.

Nach Tausenden von Kilometern auf drei großen Schiffen, von denen eines beschlagnahmt und eines untergegangen ist, nach Wochen in englischen und schottischen Internierungslagern, ist er der Frau, die ihn durch Gedanken und Briefe psychisch am Leben gehalten hat, ganz nah – und doch als Gefangener in einer anderen Welt, die keine Verbindung möglich macht. Macht er sich Vorwürfe? Bedauert er seine Flucht? In Südafrika wäre es ihm als Interniertem besser ergangen, Hildegard wäre in seiner Nähe gewesen, hätte ihn besuchen können.

Er blickt auf den Tafelberg, auf den er so oft gestiegen ist, auf den Löwenkopf und das Meer und denkt an seine Jahre am Kap als freier, junger Mann, die Lichtjahre entfernt erscheinen. Er denkt an Hildegard, inzwischen eine junge Frau von achtzehn Jahren, die an der kleinen deutschen Schule in Kapstadt ohne jegliche Ausbildung deutsche Kinder unterrichtet. Vielleicht sieht sie die Dunera sogar von ihrem Elternhaus aus in der Belmont Avenue im Kapstädter Hafen liegen? Nur wenige Kilometer von seinem Bullauge entfernt, und doch so weit und unerreichbar, als befände er sich am Ende der Welt.

Später schreibt Kurt an Hildegard: Wenn Du wüßtest, wie ich mir in Kapstadt die Augen nach Dir ausgeschaut habe, wie meine Augen auf dem Löwenkopf und Tafelberg herumgewandert sind! Vielleicht haben wir beide uns gegenseitig angesehen, ohne daß es uns bewußt geworden ist. Auf der anderen Seite jedoch wäre ich, glaube ich, sehr erschrocken, wenn Du plötzlich am Kai gestanden hättest. Ich hinter Stacheldraht und bewacht, äußerlich und durch meine Kleidung sehr verändert, und ich wäre wahrscheinlich überhaupt nicht der gewesen, den Du in Erinnerung hast.

Hildegard hat zu der Zeit schon monatelang nichts mehr von Kurt gehört. In einem Brief beschreibt sie den Tag, als Kurt im Bauch der Dunera in Kapstadt hockte, aus ihrer Sicht: An dem Tag, als Du hier im Hafen warst, ging das Gerücht, daß Kriegsgefangene aus England hier sein sollten, und so waren meine Gedanken viel unten im Hafen, obwohl ich nicht wußte, ob Du unter ihnen warst. Am Nachmittag machten meine Freundin Lotte und ich eine lange Wanderung um den Löwenkopf, von wo aus wir den Hafen sehen konnten, und überlegten, ob Du wohl auf dem großen Schiff wärst, das dort ankerte. Ich wollte winken, doch Lotte hielt mich davon ab, da es von Beobachtern falsch ausgelegt hätte werden können. Wir haben uns damals noch das Datum gemerkt.

Nach einigen Tagen geht die Reise weiter. Anscheinend haben sich in Kapstadt einige der Wachmannschaften mit ihren von den Internierten gestohlenen Wertsachen und dem Geld aus dem Staub gemacht. Doch die Schikane hört nicht auf: „Bald nachdem wir Kapstadt wieder verlassen hatten, war die vierwöchige Strafe für Professor Erler und Jerry Grünewaldt verbüßt. Auf einige Stunden wurden sie zu den anderen Internierten gebracht, doch dann schafften die Sergeanten sie wieder in die Einzelzellen, wo sie ohne Verfahren erneut zu 28 Tagen Haft verurteilt wurden. Dr. Sennsfelder, der sich daraufhin für Professor Erler verwandte, wurde sofort ebenfalls in Einzelhaft genommen.

„Die Zustände auf dem Schiff wurden immer unerträglicher. Das Essen war eintönig – ab und zu gab es Fisch, Bratwurst, Kartoffeln, ansonsten Brot von schlechter Qualität mit ranziger Butter oder Margarine. Die sogenannten sanitären Einrichtungen blieben katastrophal. Nicht nur gab es zu wenig Latrinen und Eimer, auch das Wasser wurde rationiert. Die Belüftung war schlecht und die Bullaugen meist geschlossen. Wenn sie geöffnet waren, standen die Männer in Schlangen, um einmal frische Luft einzuatmen. Es gab ein Handtuch für zehn Mann und ein Mal in der Woche ein Stück Seife für zwanzig Mann.“

Einer der Gefangenen auf der Dunera, Max Zimmering, fasst seine Gedanken und Gefühle in einem Gedicht, „The Porthole“, zusammen. Er beschreibt die im Schiffsbauch zusammengepferchten Männer, ihre hohlen Augen, ihren Hunger - den Wachmann mit seinem Gewehr immer in der Nähe, die Außenwelt nur noch durch den kleinen Ausschnitt des Bullauges sichtbar – ein winziges Rund, halb Meer, halb Himmel. Wer für eine Minute hinausschauen darf, der „atmet das Wasser und hat die Farbe des Himmels in den Augen“. In den ersten Tagen fühlen sich die Gefangenen wie „mit Blei gefüllt“ – dann nur noch „ganz leer“, die Zeit wird zur Ewigkeit, das graue Meer zu einer Fläche ohne Ende.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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