NUR 24 ZEILEN (32. Folge)
Eine wahre Geschichte über den Krieg, die Liebe und den langen Weg zurück nach Afrika
DAS ZWEITE LANGE JAHR (Kapitel 10, Teil 4/4)
Nachdem die Japaner im Dezember 1941 die amerikanische Flotte in Pearl Harbour angegriffen haben, erklärt Hitler als Verbündeter Japans auch den USA den Krieg. Wie viel an Information über den Krieg wohl in das Lager dringt? Kurt schreibt in diesen Tagen: Wir wissen, daß in Deutschland alles seinen Gang geht, und alle voller Zuversicht sind. Dass er inzwischen schon den zweiten Bruder durch den Krieg verloren hat, weiß er zu dieser Zeit immer noch nicht. Kurz vor Weihnachten erhält Kurt endlich wieder einen Brief. Er spürt schmerzlich, wie die Welt, in der Hildegard lebt, ihm immer fremder wird:
Du schreibst viel von Deinen Sorgen gegen Ende des Vierteljahrs, an die ich mich auch ganz dunkel aus weit zurückliegenden Zeiten erinnern kann. Ich kann mir gar nicht mehr so recht die Schulkinder vorstellen und habe wohl innerlich schon einen weiten Abstand von meiner eigentlichen Tätigkeit gewonnen. – Von zu Hause habe ich lange nichts gehört, und dem nächsten Brief sehe ich mit großer Spannung und Erwartung entgegen.
Von zu Hause wird er vermutlich nicht gehört haben, dass im Jahr 1941 die SS im eroberten Polen das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau errichtet hat, als Arbeits- und als Vernichtungslager für Juden, mit Gaskammern und Krematorien. Ob die jüdischen Internierten in Australien davon gehört haben? Im gleichen Jahr, wahrscheinlich ebenfalls relativ ahnungslos, was das grausame Geschehen in Europa betrifft, warten diese immer noch auf eine Antwort aus England auf ihr Gesuch nach Freilassung. Nach einer Wartezeit von mehreren Monaten schickt die britische Regierung endlich einen höheren Beamten nach Australien mit dem Auftrag, alle jüdischen Internierten, die nach England zurückkehren wollen, zurückkommen zu lassen. Mitte des Jahres werden die ersten Internierten mit einem Passagierdampfer nach England verschifft. Ein anderer Rücktransport aus Tatura kommt dagegen nicht in England an. Er wird im Pazifischen Ozean versenkt, ohne dass es Überlebende gibt. Nur wenige der nach Großbritannien Zurückgekehrten bleiben auf Dauer in ihrer alten Heimat in Europa. Viele lassen sich in Palästina nieder und wirken nach der Gründung des Staates Israel 1948 an dessen Aufbau mit. Viele bleiben aber auch in Australien, lassen sich naturalisieren und werden zum Teil bekannte Wissenschaftler, Professoren, Richter und Musiker – finden einen neuen Anfang nach der doppelten Zurückweisung durch die Alte Welt.
Das dritte Weihnachtsfest in der Internierung naht. Die Hoffnung, dass es das letzte in Gefangenschaft sein wird, besteht nicht mehr. Wir haben uns abgewöhnt, darüber zu sprechen, ob diese Weihnacht die letzte hinter Stacheldraht sein wird, schreibt Kurt. Nach mehr als zwei Jahren Internierung kommt man in eine zunehmend fatalistische Stimmung hinein. Der Alltag geht an einem vorbei, alles ist belanglos geworden. Dennoch geben sich die Internierten Mühe, wieder ein schönes Fest zu gestalten. Die Schule wird für ein paar Wochen geschlossen, auch andere Aktivitäten kommen zum Stillstand. Die unregelmäßig eintreffenden Briefe aus Südafrika bleiben eine lebenswichtige Verbindung zur Außenwelt und eines der wenigen Zeichen, dass es eine Zukunft gibt, der Kurt entgegensehen kann.
In Kapstadt packt Mutter Mereis 150 Weihnachtspakete für die Internierten in Südafrika. Und im Leben Hildegards gibt es eine einschneidende Veränderung.
Nachdem die Japaner im Dezember 1941 die amerikanische Flotte in Pearl Harbour angegriffen haben, erklärt Hitler als Verbündeter Japans auch den USA den Krieg. Wie viel an Information über den Krieg wohl in das Lager dringt? Kurt schreibt in diesen Tagen: Wir wissen, daß in Deutschland alles seinen Gang geht, und alle voller Zuversicht sind. Dass er inzwischen schon den zweiten Bruder durch den Krieg verloren hat, weiß er zu dieser Zeit immer noch nicht. Kurz vor Weihnachten erhält Kurt endlich wieder einen Brief. Er spürt schmerzlich, wie die Welt, in der Hildegard lebt, ihm immer fremder wird:
Du schreibst viel von Deinen Sorgen gegen Ende des Vierteljahrs, an die ich mich auch ganz dunkel aus weit zurückliegenden Zeiten erinnern kann. Ich kann mir gar nicht mehr so recht die Schulkinder vorstellen und habe wohl innerlich schon einen weiten Abstand von meiner eigentlichen Tätigkeit gewonnen. – Von zu Hause habe ich lange nichts gehört, und dem nächsten Brief sehe ich mit großer Spannung und Erwartung entgegen.
Von zu Hause wird er vermutlich nicht gehört haben, dass im Jahr 1941 die SS im eroberten Polen das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau errichtet hat, als Arbeits- und als Vernichtungslager für Juden, mit Gaskammern und Krematorien. Ob die jüdischen Internierten in Australien davon gehört haben? Im gleichen Jahr, wahrscheinlich ebenfalls relativ ahnungslos, was das grausame Geschehen in Europa betrifft, warten diese immer noch auf eine Antwort aus England auf ihr Gesuch nach Freilassung. Nach einer Wartezeit von mehreren Monaten schickt die britische Regierung endlich einen höheren Beamten nach Australien mit dem Auftrag, alle jüdischen Internierten, die nach England zurückkehren wollen, zurückkommen zu lassen. Mitte des Jahres werden die ersten Internierten mit einem Passagierdampfer nach England verschifft. Ein anderer Rücktransport aus Tatura kommt dagegen nicht in England an. Er wird im Pazifischen Ozean versenkt, ohne dass es Überlebende gibt. Nur wenige der nach Großbritannien Zurückgekehrten bleiben auf Dauer in ihrer alten Heimat in Europa. Viele lassen sich in Palästina nieder und wirken nach der Gründung des Staates Israel 1948 an dessen Aufbau mit. Viele bleiben aber auch in Australien, lassen sich naturalisieren und werden zum Teil bekannte Wissenschaftler, Professoren, Richter und Musiker – finden einen neuen Anfang nach der doppelten Zurückweisung durch die Alte Welt.
Das dritte Weihnachtsfest in der Internierung naht. Die Hoffnung, dass es das letzte in Gefangenschaft sein wird, besteht nicht mehr. Wir haben uns abgewöhnt, darüber zu sprechen, ob diese Weihnacht die letzte hinter Stacheldraht sein wird, schreibt Kurt. Nach mehr als zwei Jahren Internierung kommt man in eine zunehmend fatalistische Stimmung hinein. Der Alltag geht an einem vorbei, alles ist belanglos geworden. Dennoch geben sich die Internierten Mühe, wieder ein schönes Fest zu gestalten. Die Schule wird für ein paar Wochen geschlossen, auch andere Aktivitäten kommen zum Stillstand. Die unregelmäßig eintreffenden Briefe aus Südafrika bleiben eine lebenswichtige Verbindung zur Außenwelt und eines der wenigen Zeichen, dass es eine Zukunft gibt, der Kurt entgegensehen kann.
In Kapstadt packt Mutter Mereis 150 Weihnachtspakete für die Internierten in Südafrika. Und im Leben Hildegards gibt es eine einschneidende Veränderung.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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