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NUR 24 ZEILEN (62. Folge)  28.05
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WAZon-Redakteur
Eine wahre Geschichte über den Krieg, die Liebe und den langen Weg zurück nach Afrika

Was ist das Geheimnis einer großen Liebe? Wie übersteht sie Trennung und Entfernung? Was bedeutet Heimat und wo ist sie, wenn der Krieg eine Heimkehr unmöglich macht? Eine fesselnde Erzählung die einen neuen Blick auf die Geschichte der Deutschen in Afrika wirft und die zeigt, wie eng verflochten die Fäden sind, die die Kriegsgeneration noch immer mit der heutigen verbinden. Erika von Wietersheim erzählt die Geschichte ihrer Eltern Hildegard und Kurt Falke.

EPILOG (Kapitel 19, Teil 2/2)

Sieben Jahre später kehrten sie, nach Ablauf des Vertrags mit dem Auswärtigen Amt, mit unserer jüngsten Schwester zurück nach Hamburg, wo unser Vater 1998 starb, ein Jahr vor der Goldenen Hochzeit. Unsere Mutter starb 2015 in Namibia.

Liebe Geschwister!

Wir haben dieselben Eltern. Wir tragen ihr biologisches Erbgut in uns, aber wir sind auch alle von ihnen erzogen und geprägt worden, bewusst und gezielt, aber vielleicht in noch größerem Maße unbewusst. Unsere Eltern trugen viel Unausgesprochenes in sich.

Nachdem ich diese Geschichte über die Liebe unserer Eltern viele Monate lang niedergeschrieben und dabei vor allem unseren Vater immer besser kennengelernt habe – obwohl er schon seit neunzehn Jahren tot ist –, habe ich mit Staunen bemerkt, wie stark er uns durch seine Gedanken und Ideen beeinflusst hat, obwohl er vieles nie direkt ausgesprochen, uns nie belehrt hat. Es muss etwas dran sein, dass auch das Ungesagte, das Geschehene, über das nicht gesprochen wird, in den Kindern einer Familie fortlebt.

Zum Beispiel die Liebe: Eigentlich musste eine richtige Liebe so sein wie die zwischen unseren Eltern.

Die Haltung gegenüber der Religion: immer zweifeln, neu suchen, allein, auf sich gestellt, sich keinen Dogmen und Verordnungen unterwerfen – und doch immer im Bewusstsein, dass es eine irgendwie geartete göttliche Ordnung gibt. Oder doch nicht?

Die Haltung gegenüber der Politik: skeptisch bleiben gegenüber jeglicher Parteipolitik, in einer Demokratie immer die Opposition stärken, das Ganze sehen, nicht eingleisig fahren. Keines von uns Kindern ist in einer politischen Partei oder in einem Verein.

Unter den Menschen: Klassenunterschiede, Geld, Status spielen keine Rolle, jeder Mensch ist auf seine Weise interessant, hat Erfahrungen gemacht, von denen man lernen kann, der Koch in der Küche genauso wie der Boss bei Siemens. Für uns Kinder war das von klein auf selbstverständlich, belehrt wurden wir darüber nicht.

Und dann das ganze Leid – auch das war ja in unserer Familie immer gegenwärtig, auch wenn wir es nicht selbst erlebt hatten. Die Trauer über die toten Brüder unseres Vaters, über seine an gebrochenem Herzen so früh verstorbene Mutter, die Hoffnungslosigkeit während seiner langen Gefangenschaft, der Bruch mit unserer Mutter, seine Einsamkeit in der Fremde – auch das ist in uns Kindern tief verborgen und beeinflusst unser Lebensgefühl, mal bewusst, mal unterschwellig.

Die Liebe zur deutschen Sprache und Kultur: Ja, auch die hat uns unser Vater vermittelt. Und als wir in Pretoria lebten und ich auf eine englische Schule ging, erlebte ich den ganzen Zwiespalt unserer Mutter aufs Neue, zwischen der englischsprachigen Welt, die mich in sich hineinzog, und der deutschsprachigen meiner Eltern und des Deutschlands, das ich kennengelernt hatte – obwohl unsere Mutter nie mit mir darüber gesprochen hatte.

Wenn man es genau betrachtet – mal abgesehen von der Liebesgeschichte: Unser Vater ist nach Afrika, und bewusst nach Südwestafrika, zurückgekommen, damit seine Kinder deutsch aufwachsen konnten. Nicht afrikanisch. Zu Afrika hatte unser Vater ein typisches Siedlerverhältnis: Er liebte die afrikanische Landschaft, auch die afrikanischen Menschen, aber als Deutscher musste man sich als eine Minderheit auf dem schwarzen Kontinent behaupten, seine eigene Sprache und Kultur pflegen, den anderen Kulturen freundlich begegnen, aber fest verwurzelt in der eigenen bleiben. In Südwestafrika war das damals möglich, auch ein gesetzlicher Rahmen war dafür geschaffen worden.

Erst wir, seine Kinder und Enkelkinder, mussten uns, wie unsere Mutter es schon gewollt hatte, dem afrikanischen Kontinent auch als Afrikaner und Afrikanerinnen öffnen, denn in unserer Zeit ist das Abschotten als Minderheit nicht mehr möglich. Nicht als Deutsche, nicht als Weiße. Zu viel hat sich in Afrika verändert. Die Kolonialzeit ist seit über hundert Jahren vorbei, die Apartheid, die uns als Weiße jahrzehntelang Sonderrechte eingeräumt hat, seit siebenundzwanzig Jahren. Ich bin nicht aus Europa hierhergekommen, weil ich dem alten Kontinent entfliehen wollte. Ich wurde hier geboren. Ich bin hier aufgewachsen. Ich lebe hier, ich gehöre hierher. Ich bin eine weiße Afrikanerin. Dies mit all seinen Widersprüchen und Möglichkeiten zu erkennen war ein langer Prozess. Aber das ist eine ganz neue Geschichte.



ENDE

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-14

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