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Ostafrika steht vor einer Hungersnot

WAZon-Redakteur
Von Katharina Moser

Windhoek

Es sind erschreckende Zahlen, die die Kinderhilfsorganisation World Vision anlässlich des Weltgesundheitstages am vergangenen Mittwoch veröffentlicht hat. In Ostafrika seien sieben Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Betroffen sind vor allem sechs Länder. Den Regierungen fehlten die Ressourcen, um die akut bevorstehende Katastrophe abzuwenden.

Besonderes Sorgenkind des internationalen Vereins ist der Sudan: 100 000 Menschen leiden unter Nahrungsmangel und täglich sterben viele an Unterernährung. Laut World Vision befindet man sich bereits in einem „katastrophalen Stadium“. Der Verein bezeichnet sich als christliches, international agierendes Kinderhilfswerk. Seit siebzig Jahren leistet er in Krisengebieten und Entwicklungsländern „Hilfe zur Selbsthilfe“, um vor allem für Kinder und Familien gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit zu kämpfen. Nach eigenen Angaben ist der Verein in 100 Ländern aktiv und arbeitet an 1 511 Entwicklungsprojekten.

Die Organisation sieht dringenden Handlungsbedarf. „Fast sieben Millionen Menschen in Ostafrika sind nur einen kleinen Schritt von einer Hungersnot entfernt. Bis zu 26 Millionen weitere Frauen, Männer und Kinder könnten bald in die gleiche Situation kommen, wenn sie nicht schnell Hilfe erhalten“, so die Organisation. Sie appelliert an die internationale Gemeinschaft und hat selbst einen länderübergreifenden Nothilfeeinsatz für Äthiopien, Somalia, Südsudan, Sudan, Kenia und Uganda eingerichtet. 2,4 Millionen Menschen, ein Fünftel davon Kinder, sollen profitieren. Während World Vision eigentlich eher daran arbeitet, langfristig Lebensgrundlagen für die arme Bevölkerung aufzubauen und landwirtschaftliche Strukturen zu erneuern, ist es jetzt jedoch notwendig, akut unterernährte Kinder zu retten und Lebensmittelhilfen zu beschaffen. Noch sei es nicht zu spät, so Joseph Kamara, Regionaldirektor für Humanitäre Hilfe bei World Vision Ostafrika, um die Eskalation der Krise zu verhindern. Aber schnelles Handeln sei nun unabdingbar.

Die Gründe für das Wiederaufflammen der Versorgungsprobleme auf dem Kontinent sind zahlreich. Die Wüstenheuschrecken-Plage, die seit 2019 wütet, hat Weideland und Ernten vernichtet; Überschwemmungen im letzten Jahr haben Erträge zerstört. Auch die instabile politische Situation, zum Beispiel in Äthiopien durch den Tigray-Konflikt, trägt dazu bei, dass die Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden. Gerade auch Frauen und Mädchen werden gehäuft Opfer von Gewalt, Ausbeutung und sexuellem Missbrauch.

Natürlich hat auch besonders die Corona-Pandemie tiefe Spuren hinterlassen. Den Menschen wurden durch die Gesundheitskrise die Arbeitsmöglichkeiten entzogen, Einkommensquellen sind weggefallen. Entweder können sich die Menschen die Lebensmittel kaum noch leisten, oder die Versorgung ist schlicht gänzlich weggebrochen. Anders als in Europa gibt es kaum Unterstützung oder soziale Auffangnetze für die Opfer solcher Krisen.

Auch die Caritas bemüht sich um Unterstützung für die Menschen. Es sei vor allem der

Klimawandel, der strukturelle Schwächen aufdecke und unproportional die Armen belaste. In den Ländern, in denen die Landwirtschaft an einen regelmäßigen Zyklus von zwei Regenzeiten im Jahr ausgerichtet ist, bedeuten klimatische Veränderungen einen Einbruch der Versorgung. Denn seit Jahren regnet es kaum noch. In den letzten 17 Jahren kam es Wissenschaftlern zufolge jährlich zu Dürren, die stets Hungerkrisen nach sich zogen. In Kenia wiederum leben viele von der Viehzucht. Bei ausbleibendem Regen verenden die Tiere elendig. Da die meisten Menschen als Kleinbauern von der Hand in den Mund leben, bedeuten ein Ernteausfall oder dezimierter Viehbestand einen direkten Mangel an Nahrung. Wenn der Regen dann kommt, so berichtet die Caritas, kommt er in Sturzfluten und verursacht Überschwemmungen.

Krieg und Vertreibung, wie im Südsudan, verschärfen die Notlage der Menschen weiter. Dort leben die Menschen seit Ausbruch des Bürgerkriegs als Vertriebene im eigenen Land. Es gibt nirgendwo fließendes Wasser oder Stromnetze; ein Drittel aller Brunnen sind nicht funktionstüchtig.

Dem Medienreferenten von World Vision, Dirk Bathe, macht vor allem die Heuschreckenplage Sorgen. Im Gespräch mit dem SWR sagte er, „diese Schwärme bestehen aus zigmillionen Exemplaren und die ziehen an einem Tag über Ländergrenzen hinweg. Die fressen Ernten, von denen zigtausende Menschen monatelang hätten leben können.“ Die Länder selbst hätten jedoch nicht genug Mittel, um Pestizide zu kaufen. Auch die Hilfsorganisationen beklagen, die Spendenbereitschaft reiche bei Weitem nicht aus, um den Bedarf an Mitteln für Nahrungsmittelhilfen und langfristige Entwicklungsprojekte zu decken. Schon vor zwei Jahren, als der Zyklon Idai weite Teile Südostafrikas heimsuchte und viele Menschenleben forderte, richteten Verbände wie Oxfam einen Hilfsappell an die westliche Bevölkerung. Gegenüber dem Spiegel äußerte Oxfam-Nothilfekoordinator Ulrich Wagner schon damals, die Menschen fühlten sich vergessen, und die Katastrophen seien vor allem Folge des Klimawandels, den der reiche Norden verursache. „Es geht nicht nur um humanitäre Solidarität, sondern um das Verursacherprinzip. Der Norden darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen und muss angemessen helfen und vorsorgen.“ Seitdem hat sich die Lage kaum verbessert.

Für eine tiefgehende Katastrophenhilfe fehlen jedoch auch jetzt wieder, so Kamara von World Vision, an allen Enden die finanziellen Mittel. Obwohl oder gerade weil sich momentan die ganze Welt im Ausnahmezustand befindet, darf die internationale Gemeinschaft nicht einfach wegschauen. Denn diese Hungerkatastrophe wird viele Menschenleben fordern.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-27

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