Partnerschaft zweier Hauptstädte über 11 000 Kilometer

Besteht die Partnerschaft zwischen zwei Städten - und hier handelt es sich sich um zwei Hauptsädte - nur als rituelles Dekorum für das Plenum des Stadtparlaments? Oder gibt es darüber hinaus konkrete Projekte und „Win-Win-Berührungspunkte“, wie man in Windhoek zu sagen pflegt? Die 20-jährige Städtepartnerschaft zwischen Windhoek und Berlin steht vor der konkreten Kulisse kolonialer Besitzergreifung 1884, der Windhoeker Stadtgründung 1890 und dem vielseitigen Wandel der Stadt über die kaiserliche und südafrikanische Hegemonial- und Apartheidsepoche hinweg bis 30 Jahre in die national-namibische Souveränität hinein. Um einiges extremer haben sich das Stadtbild Berlins und seine Funktion in der Beziehung zu Windhoek gewandelt: von der kaiserlichen, weisungsbefugten Kolonialmetropole, geprägt von Reichskanzler Bismarck, zur desolaten Trümmerstadt 1945, zur vermauerten gespaltenen Festung des Kalten Krieges 1961, bis zur modernen, weltoffenen Partnerstadt 2020. Einmal steht die Parnerschaft im Rahmen der Resolutionen des Deutschen Bundestags von 1989 und 2004, dass zwischen Deutschland und Namibia besondere Beziehungen auf Augenhöhe unterhalten werden, im Gegensatz zur deutschen Kolonialherrschaft von 1884 bis 1915. Zum Anderen hatte der Berliner Senat nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990, aber insbesondere nachdem sich Berlin gegen die Interimsmetropole West-Deutschlands, Bonn am Rhein, als Hauptstadt durchsetzen konnte, auch zu entscheiden, welche Städtepartnerschaften die nunmehr vereinte Stadt eingehen sollte. Der Ost-Sektor als Hauptstadt der kommunistischen DDR und der West-Sektor als Enklave des kaspitalistischen Westens hatten jeweils schon diverse Partnerschaften abgeschlossen. Berliner Wahl fiel auf Windhoek Walter Momper, ehemaliger Regierender Bürgermeister West-Berlins während der Öffnung der Trenn-Mauer des Kalten Krieges 1989 und erster Bürger der Metropole während des ersten Jahres in der wiedervereinigten Stadt, 1991, hat bei einem Gespräch mit der Allgemeinen Zeitung Namibias im Jahre 2000 im Roten Rathaus der Stadt die Frage der Städtepartnerschaft erläutert. Die Entscheidung für Windhoek war gerade gefallen. Der Senat könne keinesfalls die Dutzenden von Städtepartnerschaften übernehmen, die Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR eingegangen sei. Die deutsche Hauptstadt müsse ihre Städtepartnerschaften ganz neu bestimmen und zwar nach der Maßgabe, dass bei Abschluss einer derartigen Beziehung schon feststehe, dass es reellen und konkreten Austausch sowie Bereiche der Kooperation gebe. Das sollten nicht mehr als 16 Städte sein, so Momper. Der Berliner Senat wollte unter den anvisiertn Partnerschaften auch eine Stadt in Afrika gewinnen. Johannesburg und Windhoek kamen in die endgültige engere Wahl. Die namibische Hauptstadt erhielt den Vorzug und wurde somit die einzige Stadt des Kontinents Afrika im Netzwerk der Berliner Städteverbindungen. Folgende Groß- und Hauptstädte befinden sich im „Twinning-Verhältnis“ mit Berlin: Los Angeles, Paris, Madrid, Istanbul, Moskau, Warschau, Budapest, Prag, Brüssel, Jakarta, Taschkent, Mexiko-Stadt, Buenos Aires, Peking, Tokio und Windhoek. Das Medienblatt des Berliner Senats beschreibt die Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Windhoek wie folgt: „Die gemeinsame Erklärung zur Begründung einer Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Windhuk in Berlin wurde am 6. Juli 2000 unterzeichnet. Die Partnerschaft Berlins mit Windhuk wurde vereinbart vor dem Hintergrund der geschichtlichen Verflechtung und der engen politischen und entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia und mit Blick auf die besondere Verantwortung, die der Deutsche Bundestag gegenüber Namibia zum Ausdruck gebracht hat. Herzblut und Zeitaufwand Neben der klassischen Zusammenarbeit im Verwaltungsbereich, die sich hier mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf die Bereiche Polizei und Stadtentwicklung konzentriert, findet der Austausch vor allem auf den Gebieten Schule und Ausbildung, Umweltschutz, Sport und Kultur statt.“ Dazu bemerkt die bildende namibische Künstlerin Imke Rust, die mit dem Berliner Oliver Schruoffeneger über fünf Jahre künstlerische Projekte zwischen Windhoek und Berlin initiiert und gestemmt hat: „Die Städtepartnerschaft auf kultureller Ebene ist nach dem Projekt p.art.ners berlin-windhoek GmbH fast gänzlich eingeschlafen. Es liegt halt doch immer an einzelnen, persönlichen Initiativen, die mit viel Herzblut, Zeitaufwand und Arbeit, aber vor allem Leidenschaft verbunden sind, dass etwas passiert.“ Und wie gehen Windhoeker mit der so viel größeren deutschen Partnerstadt um, deren Einwohnerzahl um Etliches größer ist als die Gesamtbevölkerung Namibias? Matheus Shikongo, Windhoeks Bürgermeister, der die Städtepartnerschaft nach drei Jahre dauernden Anlauf mit seinem Amtskollegen in Berlin unterzeichnet hat, weiß mit dem Größenunterschied umzugehen: Bei der Beziehung geh es nicht um Größe. Die Anlehnung an eine „große internationale Stadt“ wecke allerdings viele Erwartungen. Zu Beginn standen standen auf dem Programm: Kooperation im weiteren Ausbau der Windhoeker Wasserwerke, Kulturaustausch und Tourismus, Förderung kleiner Wirtschaftsunternehmen sowie Bekämpfung der Kriminalität, was zu Beistand bei der Gründung der ersten Stadtpolizei Namibias führte, die inzwischen zum festen Bestandteil der kommunalen Sicherheitswahrung zählt. Eberhard Hofmann ------------------------------------------------------------------------------------- 4473 (Info-Kasten) Städtedaten im Vergleich Windhoek - Berlin Windhoek Berlin Einwohnerzahl Ca 400 000 3,8 Millionen Gründungsdaten 1890 Windhoek löst Otjimbingwe 13. Jahrhundert als Verwaltungszentrum von Deutsch-Südwestafrika ab und wird Hauptstadt des Territoriums DSWA Höhenlage über dem Meeresspiegel 1655 Meter 34 Meter Bürgermeisterin Regierender Bürgermeister Fransina Kahungu Michael Müller --------------------------Local News Feature BErlin, Windhoek, Städtepartnerschaft, Hauptstadt, Deutschland, Namibia

Partnerschaft zweier Hauptstädte über 11 000 Kilometer

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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