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Perspektivwechsel: Kunst und Wissenschaft

Von einem Künstler, der die Forschung für sich entdeckte
Clemens von Alten
Von Caroline Niebisch

In der namibischen Welt der Wissenschaft steht zurzeit ein Mann im Fokus: Linus Malherbe. Der Architekt und Künstler, der in Namibia geboren wurde und für einige Zeit in den Staaten lebte, legte seine Kunst im vergangenen Jahr beiseite um sich der Forschung zu widmen. Dabei kam er nun, nach über einem Jahr Recherche zu einem polarisierenden Ergebnis: die berühmte „Weiße Dame“ vom Brandberg ist – seiner Auffassung nach – eine Wikingerin. Für diese Veröffentlichung erntet Malherbe nun Kritik, aber auch Unterstützung. Nur eben nicht von den Personen, von denen er sie bräuchte.

Linus Malherbe ist Architekt. Mit seinem Büro realisierte er bereits einige Projekte, doch die meiste Zeit seines Seins ist er Künstler. Besonderes künstlerisches Interesse fand er in menschlichen Gesichtern und den Geschichten, die sie erzählen. Eine Meisterdisziplin, wie er selbst sagt. Doch wie kommt ein Künstler wie Malherbe dazu, solch eine These aufzustellen? Als Architekt habe man bei jedem Auftrag dieselbe Herausforderung, nämlich etwas zu errichten, was es so noch nicht gebe, sagt er. Dafür sei Recherche von Nöten, jedes Gebäude ist eine Theorie für sich. Recherche sei also etwas Natürliches für Architekten, so Malherbe.

Konkret begann sein spezielles Interesse für die Weiße Dame auch durch die Kunst, nämlich im Jahr 2016, als eines seiner ausgestellten Bilder, das die Malerei zeigt, rege Aufmerksamkeit erlangte. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Künstler nicht viel über die Weiße Dame – was sich rasch ändern sollte. Malherbe begann – dem 21. Jahrhundert sei Dank – eine intensive Internetrecherche. Als ihm bei genaueren Betrachtungen auffiel, dass die Weiße Dame Schuhe trägt, war die Verwunderung groß. Seinen Worten nach wächst man in Namibia mit dem Glauben auf, die Weiße Dame sei eine Frau. Später wurde sie zum männlichen Schamanen erklärt – und nun trägt sie Schuhe? Für Malherbe ein Paradoxon. Und so kam das eine zum anderen: er begann eine visuelle Analyse der Weißen Dame. Konkret verglich er Abbildungen und Skizzen des Forschers Dr. Henri Breuil, da die Original-Malereien in der Vergangenheit massiv unter Tourismus und Vandalismus litten. Breuil fertigte Skizzen an, bevor die Felsmalerei beschädigt wurde.

So war der Ausgangspunkt Malherbes folgender: die Weiße Dame ist ein schwitzender männlicher Schamane in einem Trance-Zustand, einen Kelch haltend, ca. 1000 bis 2000 Jahre alt. Ein Buschmann-Bildnis von Buschmännern. Malherbe argumentiert, die Weiße Dame sei sehr viel detaillierter, sie hebe sich regelrecht von den anderen Malereien ab – seine Neugierde ist geweckt. Doch Malherbe ist kein Wissenschaftler, er ist Künstler. Und auch die Weiße Dame ist seiner Meinung nach Kunst, da sie durch ihren Detailreichtum heraussticht. So begann er also eine Kunst-Analyse, in der er einzelne Merkmale des Bildnisses genauestens untersuchte. Genitalien, Kleidung, Frisur und Accessoires – Malherbe findet für alles seine eigene, alternative Erklärung, die da lautet: Die Weiße Lady sei eine Wikingerin aus Iberien, in zweiter oder dritter Generation in Afrika.

Malherbes Theorie nach fuhren die Wikinger von Iberien aus auf Entdeckungsreisen gen Süden entlang der afrikanischen Küste, wozu deren Schiffe dem Künstler zufolge in der Lage waren. Diese Route wurde bisher jedoch nie bestätigt. Da der Brandberg der höchste Berg Namibias ist, man ihn von der Küste aus sieht und er nur 50km von dem Atlantik entfernt ist, nimmt Malherbe an, dass die Wikinger eine Entdeckungstour dorthin starteten. Dabei stützt sich Malherbe auf Theorien wie die jene, die besagt, dass die Wikinger schon vor Kolumbus in Amerika waren. Er ist überzeugt von deren Entdeckungstrieb. Malherbe selbst hat auch eine Verbindung zu den Wikingern – seine Vorfahren waren ihresgleichen. Seine Ergebnisse würden auch die Wikinger-Geschichte erweitern, da – wie bereits erwähnt – zuvor niemals von Wikingern in Namibia berichtet wurde. In erster Linie, so sagt Malherbe, sei es ihm aber wichtig die Fakten zu aktualisieren und „richtig zu stellen“. Er möchte es auf eine wissenschaftliche Art beweisen, allerdings mit einem künstlerischen Forschungsansatz.

Für seine Hypothesen erntet Malherbe reichlich Kritik. Seine Ergebnisse stimmen angeblich nicht mit der zeitlichen Achse der Ereignisse überein. Zwar, sagt er, gibt es mehr Anerkennung, jedoch sitzen die Kritiker dort, wo er sie nicht gebrauchen kann. Nämlich im Nationalen Denkmalrat. Er braucht deren Erlaubnis dafür, sich einen Metalldetektor zu schnappen und seine Forschung fortzuführen – ihm zufolge wurde derartiges niemals zuvor dort getan. Denn auch der Künstler sieht ein, dass seine Ergebnisse nun verifiziert werden müssen.

Die Weiße Dame sei etwas Heiliges für die Einheimischen und auch diese nehmen sie als Kunst wahr, erklärt Waltraut Fritzsche von der wissenschaftlichen Gesellschaft in Namibia. Zudem betont sie in diesem Zusammenhang, dass Kunst immer und in jedem Fall subjektiv sei. Außerdem sei die Weiße Dame gerade mal eine von rund 50000 Felszeichnungen – um eine Aussage treffen zu können, müsse man die Ergebnisse in Zusammenhang mit allen anderen Malereien stellen.

Malherbe verteidigt: „Jeder neuer Fund bringt Kritik und Rückstöße mit sich.“ Er sei darauf gefasst und bereit, für seine Sache einzustehen. Das müsse man, wenn man wirklich an etwas glaubt.

Weitere Schritte werden ihm jedoch untersagt, da der Nationale Denkmalschutz fürchtet, er könne das Kulturgut weiter schädigen – schließlich sei er kein Archäologe. Und auch die Suche nach einem Archäologen gestalte sich laut Malherbe schwierig: in Namibia selbst gibt es wenige Archäologen; die internationalen Wissenschaftler fühlen sich dahingegen nicht genug mit der Materie vertraut. Eine Patt-Situation.

Ob Malherbes These an den Haaren herbeigezogen ist, oder ob an ihr doch etwas dran ist, lässt sich jedenfalls nur mit weiterer Forschung ermitteln. Fakt ist: durch die Recherche des Künstlers wurden einige Fragen aufgewirbelt und deutlich, dass die Natur Namibias nach wie vor ein Mysterium ist, in dem es noch viel zu entdecken gibt – auf welche Weise auch immer. Malherbes Ansatz ist zwar kein klassisch wissenschaftlicher, aber ein Schritt in die richtige Richtung, um mehr über die Geschichte Namibias und der Welt zu erfahren.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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