"Pflaumenmus statt Zigaretten"
"Meine Mutter stammte aus einer Beamtenfamilie in Frankenberg. Großvater Friedrich Wilhelm Rosenthal diente während des Ersten Weltkriegs als Sergeant im 1. Nassauischen Infanterie Regiment Nr. 81 und wurde nach Kriegsende nach Frankenberg versetzt." Mit diesen Worten beginnt das erste Kapitel von Helmut Finkeldeys Biografie "Lebenserinnerungen". Geschichtlich, sachlich, emotionslos. Beinahe 90 Jahre Erinnerungen -gebündelt auf 178 Seiten.
"Die Idee, ein Buch zu schreiben, spukt seit fast 90 Jahren in meinem Kopf herum", scherzt der 89-Jährige, stellt sein Hörgerät ein und macht es sich in seinem drehbaren schwarzen Ledersessel gemütlich. "Alle wichtigen Ereignisse habe ich schriftlich festgehalten. Irgendwann hatte ich eine Art Zeitstrahl mit zahlreichen Notizen und Fotografien zusammen, den ich meinem Bundesbruder Hans-Dieter Vautrin geschickt habe", erzählt Finkeldey. Vautrin hat die Erstellung der Biografie übernommen. "Der Plan, dieses Buch herauszubringen, steht wirklich schon Jahrzehnte", bestätigt seine Frau Annerose. "Aber ehrlich gesagt habe ich nie daran geglaubt, dass aus diesem Hirngespinst jemals etwas wird", fügt sie lachend hinzu.
Die ersten Bände sind bereits verkauft. Auch bei der Eröffnung der diesjährigen Karnevalssaison am 11. November konnte man "Lebenserinnerungen" erwerben - ein Heimspiel für Finko. Beim WIKA hat er wohl seine größten Fans. Er war es, der vor knapp 60 Jahren den Karneval mit nach Namibia gebracht hat. Ein ganzes Kapitel widmet er diesem Teil seines Lebens.
Nicht minder bedeutend ist der darauffolgende Abschnitt, der sein zweitgrößtes Hobby aufgreift: die Schlangen. "Schon im Krieg in Russland habe ich meine ersten Schlangen gesammelt", sagt Finkeldey. Einen Ruf als Schlangenexperte machte er sich aber erst in Namibia.
Über die Fotografie kam er zu diesem ungewöhnlichen Hobby. Eine Hornviber hatte es ihm angetan und sollte sein nächstes Motiv werden. Er knipste, sie biss. "Am Finger hat sie mich erwischt. Ich dachte, es wäre nicht so schlimm", sagt Finkeldey. Eine Stunde später konnte er seinen Arm nicht mehr bewegen. Ein Arzt spritze ihm ein Serum ein. Die Folge waren Hautausschläge und schwere Atemnot. Nicht der Schlangenbiss verursachte diese Reaktionen, sondern das Serum. Diese allergische Reaktion hat ihn allerdings nie davon abgehalten, sich weiter mit seinen Lieblingstieren zu umgeben. Acht weitere Bisse folgten. "Zwischenzeitlich hatten wir bis zu 70 Schlangen bei uns zu Hause. Helmut hat alles, was ihm vor die Linse kam, gesammelt und in Schuhkartons im Haus und Garten verteilt. Oft wusste man nicht, ob in dem Karton jetzt Schuhe sind oder eine giftige Schlange. Beschriftet hat er natürlich nichts", sagt seine Frau spitz.
Er selbst hatte nie Angst vor Schlangen. Überhaupt kenne er das Wort Angst gar nicht. Das sagt er zumindest: "Ach, Angst habe ich doch nie gehabt. Ich habe doch den Krieg überlebt."
Daher hatte er auch nicht die Spur von Angst, als er 1950 das Schiff verließ und im damaligen Südwestafrika an Land ging. "Der einzige Grund für meine Auswanderung war die Jobsituation in Deutschland. Als Ingenieur hatte ich damals keine Perspektive", sagt Finkeldey. Und so nahm er die Herausforderung an und startet einen Neuanfang rund 8000 Kilometer entfernt.
Herausforderungen gehören fest zu seinem Leben. "Die werden sofort angenommen und erledigt", sagt der humorvolle Tatmensch. Auch das hat er im Krieg gelernt. Erledigen, was erledigt werden muss.
Vom Krieg erzählt der sympathische Mann mit den klaren blauen Augen viel. "Ich war zwar im Krieg, aber eigentlich hatte ich nie Feinde", sagt er nachdenklich. "Selbst im Russlandfeldzug wurden wir in den Familien immer freundlich aufgenommen. Ich hatte immer das Gefühl, unter Menschen zu sein."
Fünf Mal ist er insgesamt im Krieg verwundet worden. Fast ein wenig stolz zeigt er seinen durchschossenen linken Oberschenkel. Stark ist der alte Mann, der es beherrscht, immer wieder aufzustehen. "Probleme müssen gelöst werden, auch nach 90 Jahren noch. Das ist wohl ein Männerding", sagt er machomäßig. Zu seinen "Problemen" zählen eine Hand voll lebensbedrohlicher Verletzungen. Zuletzt ist er von einem Baum gestürzt, als er eine Schlange einfangen wollte. Das Ergebnis war ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt und schwere Kopfverletzungen. "In meinem Kopf ist seitdem ein bisschen was durcheinander, aber sonst bin ich noch topfit", sagt er strahlend. Und Annerose nickt zustimmend. "Er geht sogar noch regelmäßig schwimmen", sagt sie nicht ohne Stolz. "Aber er ist auch ruhiger geworden. Die Gehirnverletzung hat ihn verändert", fügt sie nachdenklich hinzu.
Finko widerspricht seiner Frau. "Ich habe doch ein gutes Heilvermögen. In meinem ganzen Leben habe ich nie eine Zigarette geraucht. Selbst im Krieg nicht. Und Zigaretten waren damals Luxusware. Die habe ich dann immer eingetauscht. Zum Beispiel gegen Pflaumenmus", sagt er schmunzelnd.
In seinem Leben hat Finko alles erreicht. Er hat zwei Söhne gezeugt, ein Haus gebaut, sich sozial engagiert und einen Baum gepflanzt. "Nee, keinen Baum, aber eine Palme", sagt er lächelnd. Ein Wunsch bleibt aber noch: "Ich möchte meinen 100. Geburtstag feiern", sagt er verschmitzt. Er ist zufrieden mit seinem Leben. "Ich habe immer das gemacht, was ich wollte. Ich würde heute nichts anders machen", sagt er zumindest. In seinen Memoiren steht: "Und dass ich diesen Schritt, nach Afrika zu gehen, nie bereut habe, weiß ich nicht erst heute." Überzeugend fügt er hinzu: "Wir sind in unsere Heimat ausgewandert."
Annika Rammler
"Die Idee, ein Buch zu schreiben, spukt seit fast 90 Jahren in meinem Kopf herum", scherzt der 89-Jährige, stellt sein Hörgerät ein und macht es sich in seinem drehbaren schwarzen Ledersessel gemütlich. "Alle wichtigen Ereignisse habe ich schriftlich festgehalten. Irgendwann hatte ich eine Art Zeitstrahl mit zahlreichen Notizen und Fotografien zusammen, den ich meinem Bundesbruder Hans-Dieter Vautrin geschickt habe", erzählt Finkeldey. Vautrin hat die Erstellung der Biografie übernommen. "Der Plan, dieses Buch herauszubringen, steht wirklich schon Jahrzehnte", bestätigt seine Frau Annerose. "Aber ehrlich gesagt habe ich nie daran geglaubt, dass aus diesem Hirngespinst jemals etwas wird", fügt sie lachend hinzu.
Die ersten Bände sind bereits verkauft. Auch bei der Eröffnung der diesjährigen Karnevalssaison am 11. November konnte man "Lebenserinnerungen" erwerben - ein Heimspiel für Finko. Beim WIKA hat er wohl seine größten Fans. Er war es, der vor knapp 60 Jahren den Karneval mit nach Namibia gebracht hat. Ein ganzes Kapitel widmet er diesem Teil seines Lebens.
Nicht minder bedeutend ist der darauffolgende Abschnitt, der sein zweitgrößtes Hobby aufgreift: die Schlangen. "Schon im Krieg in Russland habe ich meine ersten Schlangen gesammelt", sagt Finkeldey. Einen Ruf als Schlangenexperte machte er sich aber erst in Namibia.
Über die Fotografie kam er zu diesem ungewöhnlichen Hobby. Eine Hornviber hatte es ihm angetan und sollte sein nächstes Motiv werden. Er knipste, sie biss. "Am Finger hat sie mich erwischt. Ich dachte, es wäre nicht so schlimm", sagt Finkeldey. Eine Stunde später konnte er seinen Arm nicht mehr bewegen. Ein Arzt spritze ihm ein Serum ein. Die Folge waren Hautausschläge und schwere Atemnot. Nicht der Schlangenbiss verursachte diese Reaktionen, sondern das Serum. Diese allergische Reaktion hat ihn allerdings nie davon abgehalten, sich weiter mit seinen Lieblingstieren zu umgeben. Acht weitere Bisse folgten. "Zwischenzeitlich hatten wir bis zu 70 Schlangen bei uns zu Hause. Helmut hat alles, was ihm vor die Linse kam, gesammelt und in Schuhkartons im Haus und Garten verteilt. Oft wusste man nicht, ob in dem Karton jetzt Schuhe sind oder eine giftige Schlange. Beschriftet hat er natürlich nichts", sagt seine Frau spitz.
Er selbst hatte nie Angst vor Schlangen. Überhaupt kenne er das Wort Angst gar nicht. Das sagt er zumindest: "Ach, Angst habe ich doch nie gehabt. Ich habe doch den Krieg überlebt."
Daher hatte er auch nicht die Spur von Angst, als er 1950 das Schiff verließ und im damaligen Südwestafrika an Land ging. "Der einzige Grund für meine Auswanderung war die Jobsituation in Deutschland. Als Ingenieur hatte ich damals keine Perspektive", sagt Finkeldey. Und so nahm er die Herausforderung an und startet einen Neuanfang rund 8000 Kilometer entfernt.
Herausforderungen gehören fest zu seinem Leben. "Die werden sofort angenommen und erledigt", sagt der humorvolle Tatmensch. Auch das hat er im Krieg gelernt. Erledigen, was erledigt werden muss.
Vom Krieg erzählt der sympathische Mann mit den klaren blauen Augen viel. "Ich war zwar im Krieg, aber eigentlich hatte ich nie Feinde", sagt er nachdenklich. "Selbst im Russlandfeldzug wurden wir in den Familien immer freundlich aufgenommen. Ich hatte immer das Gefühl, unter Menschen zu sein."
Fünf Mal ist er insgesamt im Krieg verwundet worden. Fast ein wenig stolz zeigt er seinen durchschossenen linken Oberschenkel. Stark ist der alte Mann, der es beherrscht, immer wieder aufzustehen. "Probleme müssen gelöst werden, auch nach 90 Jahren noch. Das ist wohl ein Männerding", sagt er machomäßig. Zu seinen "Problemen" zählen eine Hand voll lebensbedrohlicher Verletzungen. Zuletzt ist er von einem Baum gestürzt, als er eine Schlange einfangen wollte. Das Ergebnis war ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt und schwere Kopfverletzungen. "In meinem Kopf ist seitdem ein bisschen was durcheinander, aber sonst bin ich noch topfit", sagt er strahlend. Und Annerose nickt zustimmend. "Er geht sogar noch regelmäßig schwimmen", sagt sie nicht ohne Stolz. "Aber er ist auch ruhiger geworden. Die Gehirnverletzung hat ihn verändert", fügt sie nachdenklich hinzu.
Finko widerspricht seiner Frau. "Ich habe doch ein gutes Heilvermögen. In meinem ganzen Leben habe ich nie eine Zigarette geraucht. Selbst im Krieg nicht. Und Zigaretten waren damals Luxusware. Die habe ich dann immer eingetauscht. Zum Beispiel gegen Pflaumenmus", sagt er schmunzelnd.
In seinem Leben hat Finko alles erreicht. Er hat zwei Söhne gezeugt, ein Haus gebaut, sich sozial engagiert und einen Baum gepflanzt. "Nee, keinen Baum, aber eine Palme", sagt er lächelnd. Ein Wunsch bleibt aber noch: "Ich möchte meinen 100. Geburtstag feiern", sagt er verschmitzt. Er ist zufrieden mit seinem Leben. "Ich habe immer das gemacht, was ich wollte. Ich würde heute nichts anders machen", sagt er zumindest. In seinen Memoiren steht: "Und dass ich diesen Schritt, nach Afrika zu gehen, nie bereut habe, weiß ich nicht erst heute." Überzeugend fügt er hinzu: "Wir sind in unsere Heimat ausgewandert."
Annika Rammler
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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