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Proteste in Hongkong
Proteste in Hongkong

Proteste in Hongkong

Chinas Sicherheitsgesetz schärfer als erwartet
Claudia Reiter
Hongkong/Peking - dpa
Bei Protesten von Tausenden gegen das strenge neue Gesetz für nationale Sicherheit in Hongkong sind mehr als 180 Demonstranten festgenommen worden. Am 23. Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China ging die Polizei mit Tränengas, Wasserwerfern und Pfefferspray vor, um die nicht genehmigten Proteste im Keim zu ersticken. Die erste Festnahme nach dem neuen Gesetz galt gestern einem jungen Mann, der eine Flagge mit dem Ruf nach einer Unabhängigkeit Hongkongs gezeigt hatte.
Das neue Sicherheitsgesetz ist noch schärfer ausgefallen als erwartet. Es gibt Chinas Organen weitreichende Vollmachten in der eigentlich autonomen Sonderverwaltungsregion. Als Höchststrafe ist lebenslange Haft vorgesehen, wie aus dem Text hervorgeht, der erst in der Nacht zum Mittwoch veröffentlicht wurde. Obwohl den Hongkongern bei dem Souveränitätswechsel 1997 Freiheitsrechte und Autonomie garantiert worden waren, können chinesische Stellen in Hongkong künftig eigenmächtig Ermittlungen ausführen und Rechtshoheit ausüben.
„Es markiert das Ende von Hongkong, wie die Welt es kannte“, meinte der bekannte Hongkonger Aktivist Joshua Wong. Bundesaußenminister Heiko Maas forderte ein gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union gegenüber China. Das neue Sicherheitsgesetz sei „außerordentlich besorgniserregend“, sagte Maas im ZDF-Morgenmagazin. Es werde das Verhältnis der EU zu China beeinflussen. US-Außenminister Mike Pompeo sprach von einem „drakonischen“ Gesetz, mit dem China die Autonomie Hongkongs zerstöre. Die USA würden nicht tatenlos zusehen.
Nach dem neuen Gesetz ist in Hongkong seit Mittwoch vieles verboten, was vorher durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt war. So waren aus Angst vor Verfolgung auch deutlich weniger Menschen auf der Straße als bei früheren Protesten, wo Millionen zusammenkamen. Das Gesetz stößt auf scharfe Kritik, weil es chinesischen Agenten künftig erlaubt, in Hongkong eigenmächtig gegen Verdächtigte zu ermitteln.
Das Oberste Gericht Chinas kann zudem „komplizierte“ Fälle, in denen es beispielsweise um ausländische Einmischung geht, an eine Staatsanwaltschaft und ein Gericht in der Volksrepublik anweisen. Damit werden Verdächtigte überstellt und der nicht unabhängigen Justiz in China ausgeliefert. Ähnlich war es schon in dem Auslieferungsgesetz geplant gewesen, das vor einem Jahr die Proteste in Hongkong überhaupt ausgelöst hatte. Nach Massendemonstrationen hatte Hongkongs Regierung das Auslieferungsgesetz aber zurückgezogen.
Bei den seither anhaltenden Märschen forderten die Demonstranten vor allem mehr Demokratie, wie es ihnen bei der Rückgabe 1997 in Aussicht gestellt worden war. Stattdessen reagierte die Führung in Peking mit dem Sicherheitsgesetz, das nicht nur das Parlament Hongkongs, sondern auch dessen Justiz und ihre Schutzmechanismen umgeht.
Das Gesetz richtet sich unter anderem gegen „Abspaltung“ oder „Untergrabung der nationalen Einigung“.
Genannt werden Bemühungen, eine Unabhängigkeit Hongkongs oder anderer Gebiete anzustreben, die Peking als Teil der Volksrepublik ansieht. Damit kann es auch um Taiwan, Tibet oder Xinjiang gehen. Bestraft wird auch „Untergrabung der Staatsgewalt“, was heute in der Volksrepublik schon im Umgang mit Bürgerrechtlern sehr weit interpretiert wird - etwa wenn die Zentralgewalt mit Forderungen nach Demokratie in Frage gestellt wird.
Ferner richtet sich das Gesetz gegen „terroristische Aktivitäten“. Dazu zählt Gewalt gegen Personen, Brandstiftung und die Zerstörung von Transporteinrichtungen. In diese Kategorie gehört damit auch Vandalismus in U-Bahnstationen wie bei den Ausschreitungen im vergangenen Jahr. Das Gesetz bestraft auch „geheime Absprachen“ mit Kräften im Ausland. Es kann sich auf den Ruf nach Sanktionen oder „feindliche Aktivitäten“ gegen Hongkong oder China beziehen.
In Hongkong wird ein chinesisches Sicherheitsbüro mit Ermittlern eingerichtet. Mit Zustimmung der Hongkonger Regierungschefin können sie Kommunikation von Verdächtigten abfangen und verdeckt ermitteln. Außerdem wird eine Kommission zum Schutz der nationalen Sicherheit mit Hongkongs Regierung und Vertretern der Pekinger Zentralregierung eingerichtet. Ihre Arbeit bleibt aber geheim.
Das Gesetz wird aus Sicht der demokratischen Politikerin Claudia Mo zum Untergang der freiheitlichen Metropole führen. „Es bringt Hongkong um“, sagte Mo im US-Sender CNN. Die Hafenstadt sei bislang die lebendigste Stadt in Asien gewesen. „Aber das ist ihnen egal“, sagte Mo über die chinesische Führung. Es sei das Ende der freien Meinungsäußerung und der freien Presse.
Erstmals seit langem waren am Jahrestag der Rückgabe keine Demonstrationen erlaubt. Es wurde mit der Corona-Pandemie und der „anhaltenden sozialen Unruhe“ in Hongkong begründet. Auf einem weiträumig abgesperrten Areal am Hafen feierte die Regierung ohne jede Öffentlichkeit mit einer Flaggenzeremonie. Dabei äußerte Regierungschefin Carrie Lam die Hoffnung, dass mit dem neuen Sicherheitsgesetz wieder „Frieden“ einkehren werde.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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