Putz dich glücklich
Wie mit Eimer und Lappen nicht nur die Wohnung, sondern auch die Seele gereinigt werden kann
Von Antonia Hilpert, Windhoek
Es gibt Tage, an denen einfach alles schief läuft, an denen man gestresst oder deprimiert ist und sich am liebsten einfach nur ins Bett verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen möchte. Linda Thomas hat für schlechte Stimmungslagen einen recht unkonventionellen Tipp: Putzen! „So kann man negative Energie in etwas Positives verwandeln“, erzählt sie ihren Seminarteilnehmern, die sich inzwischen alle in einem verstaubten, unordentlichen Raum eingefunden haben. Die Ordnung, die man im Außen schafft, spiegelt sich, laut Thomas, im Inneren, also im Seelenleben, wider.
Thomas spricht aus Erfahrung. Seit über 30 Jahren kümmert sie sich darum, dass es in den Büros, Schulen und Häusern ihrer Kunden sauber und ordentlich ist. 1988 gründete sie ein „ökologisches Reinigungsinstitut“ in Arlesheim in der Schweiz. Auf den ersten Blick ein eher ungewöhnlicher Schritt für eine Frau, die in Südafrika in einem Haushalt groß geworden ist, in dem eine Putzfrau quasi zum Inventar gehörte. Wie kam es also dazu?
Nach dem Schulabschluss lernte sie ihren späteren Mann kennen und zog mit ihm in die Schweiz. Dort musste sie Putzlappen und Besen zum ersten Mal selbst in die Hand nehmen. „Ich wusste am Anfang gar nicht, wie man putzt“, gibt sie zu. Ihre Schwägerin brachte ihr dann bei, wie man den Haushalt erledigt. „Ich mochte es am Anfang überhaupt nicht, auch das Aufräumen nicht“, erinnert sie sich lachend. Um ihren beiden Kindern später zu ermöglichen die Waldorfschule zu besuchen, musste zusätzliches Geld in die Familienkasse. So beschloss Thomas, trotz der Abneigung gegen Hausarbeit, als Putzfrau arbeiten zu gehen.
„Irgendwann war mir klar, dass ich meine Einstellung zu meiner täglichen Arbeit ändern muss“, erzählt sie. „Also verwandelte ich ‚Putzen‘ in ‚Pflege‘“. Das Wort Putzen bedeutet für sie lediglich „Dreck entfernen“, Pflegen impliziere hingegen, dass man etwas mit Hingabe tut. „Man schafft Raum für etwas, sei es in der Schule für die Erziehung der Kinder, am Arbeitsplatz für ein Projekt oder Zuhause für ein Fest mit Freunden.“
Wie der Zufall es wollte vertrieb eine Freundin von Thomas ökologische Putzmittel. So kam sie auf die Idee, selbst ein ökologisches Reinigungsinstitut zu gründen - das erste dieser Art in der Schweiz. Zudem begann Thomas damit Putzfrauen auszubilden und später auch Seminare zu geben, um den spirituellen Wert des Putzens zu übermitteln.
So wie auch Mitte Oktober auf der Farm Krumhuk in Windhoek. Zunächst erläutert Thomas den Teilnehmern - überwiegend Frauen - ihre Einstellung zum Putzen, danach müssen sie selbst ran. Dazu betritt die Gruppe gemeinsam einen Raum, betrachtet ihn in Ruhe und bespricht was zu tun ist. So will Thomas die Wahrnehmung der Seminarteilnehmer trainieren: Wo ist es schmutzig? Wo ist Unordnung? Was gehört nicht in den Raum? Wo kann ich sofort nachbessern, was muss langfristig behoben werden?
Auf der Farm Krumhuk geht es in einen ehemaligen Schweinestall, der inzwischen als Begegnungsraum genutzt wird. Eingestaubte Stühle und Tische stehen kreuz und quer, der Boden ist voller Sand und Erde und die Fenster sind schmutzig. Dann heißt es Lumpen und Eimer zur Hand nehmen und gemeinsam putzen. Die Teilnehmerinnen haben sichtlich Spaß, es wird viel gelacht.
Die Gründe, warum sie an dem Seminar teilnehmen, sind ganz unterschiedlich. Sonja Hanke beispielsweise ist, wie Thomas, in einem südafrikanischen Haushalt mit vielen Putzfrauen aufgewachsen und ist fasziniert von Thomas Werdegang. Deshalb hatt sie sich und ihre Putzfrau zum Seminar angemeldet. „Ich habe heute zum ersten Mal ein Fenster geputzt und es ist sauber geworden“, freut sie sich. „Jetzt habe ich richtig Lust zu putzen.“
Maria Mvula ist für Schulungen im Hotelbereich bei der Lodgegruppe Gondwana verantwortlich, unter anderem fürs Training in Haushaltsführung. Sie wird im Unternehmen später weitergeben, was sie bei Thomas gelernt hat. Beispielsweise, dass man nicht unbedingt chemisches Putzmittel benötigt, um sauber zu machen. Oft reichen schon gute Mikrofasertücher und pures Wasser. „Ich habe gelernt, wie ich beim Putzen eine Menge Geld sparen kann“, sagt sie.
Ulrike Funke aus Berlin ist schon lange fasziniert von Thomas Überzeugung, dass Putzen heilende Kräfte hat: „Ich bin ein großer Fan ihrer Herangehensweise ans Putzen. Mir gefällt es, dass sie die Dinge, die sie putzt und pflegt, so intensiv wahrnimmt.“
Laut Thomas kann Putzen auch beruhigen, wenn man von hektischen Rubbel-Bewegungen hin zu ruhigen, kreisenden Bewegungen wechselt. „Und wenn man es dann geschafft hat, die negative Energie in etwas Positives zu verwandeln, dann hat man auch einen Entwicklungsschritt in seiner Persönlichkeit geschafft“, ist Thomas überzeugt. Schließlich sei das eine Form Verantwortung zu übernehmen, sowohl für den Raum, als auch für sich selbst.
Laut Thomas bestätigen Studien, dass in Schulen, in denen Schüler selbst putzen weniger Dreck gemacht wird. Und: Je sauberer ein Schulhaus ist, desto weniger Vandalismus finde statt. Außerdem sei die Konzentrationsfähigkeit in einem ordentlichen Umfeld viel höher.
In diesem Zusammenhang erinnert sich Thomas gerne an einen Putzauftrag in einer geschlossenen Erziehungsanstalt für jugendliche Kriminelle in der Schweiz. Dort stand ein Tag der offenen Tür bevor, daher sollte eine Grundreinigung her. Thomas war schockiert über den Zustand der Einrichtung und überredete die Verantwortlichen dazu, anstelle mit ihrem Personal, gemeinsam mit den Jugendlichen und Erziehern zu putzen.
Es sollten nur Fenster, Türen und Böden gereinigt werden, doch als die Jugendlichen erstmal begonnen hatten, wollten sie gleich alles schön machen und fingen an Poster und Aufkleber zu entfernen, erzählt Thomas. Dann kauften sie sogar von ihrem eigenen Geld Wandfarbe, überstrichen die aggressiven Graffitis im Treppenhaus und bemalten die Wand mit kindlichen Motiven, wie Häuser, ein Apfelbaum, Schmetterlinge und Blumen. Thomas ist davon überzeugt: „Erst diese Kulturerfahrung des gemeinsamen Reinigens rief in den Jugendlichen etwas wach, von dem sie gar nichts wussten, es ja nicht einmal ahnten. Diese scheinbar abgehärteten, sozial schwerstgeschädigten jungen Menschen empfanden das Bedürfnis, sich an der Wand ein Stück heile Welt zu erschaffen.“ Da habe Thomas erst realisiert, welch ungeheures Werkzeug sie mit dem Putzen in der Hand hat.
Nach dem Seminar auf Krumhuk ist der Raum kaum wiederzuerkennen: Von Staub und Dreck keine Spur, die Möbel alle am vorgesehenen Platz und Zufriedenheit in den Gesichtern der Teilnehmerinnen. Ob Letzteres wohl am Putzen liegt?
Es gibt Tage, an denen einfach alles schief läuft, an denen man gestresst oder deprimiert ist und sich am liebsten einfach nur ins Bett verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen möchte. Linda Thomas hat für schlechte Stimmungslagen einen recht unkonventionellen Tipp: Putzen! „So kann man negative Energie in etwas Positives verwandeln“, erzählt sie ihren Seminarteilnehmern, die sich inzwischen alle in einem verstaubten, unordentlichen Raum eingefunden haben. Die Ordnung, die man im Außen schafft, spiegelt sich, laut Thomas, im Inneren, also im Seelenleben, wider.
Thomas spricht aus Erfahrung. Seit über 30 Jahren kümmert sie sich darum, dass es in den Büros, Schulen und Häusern ihrer Kunden sauber und ordentlich ist. 1988 gründete sie ein „ökologisches Reinigungsinstitut“ in Arlesheim in der Schweiz. Auf den ersten Blick ein eher ungewöhnlicher Schritt für eine Frau, die in Südafrika in einem Haushalt groß geworden ist, in dem eine Putzfrau quasi zum Inventar gehörte. Wie kam es also dazu?
Nach dem Schulabschluss lernte sie ihren späteren Mann kennen und zog mit ihm in die Schweiz. Dort musste sie Putzlappen und Besen zum ersten Mal selbst in die Hand nehmen. „Ich wusste am Anfang gar nicht, wie man putzt“, gibt sie zu. Ihre Schwägerin brachte ihr dann bei, wie man den Haushalt erledigt. „Ich mochte es am Anfang überhaupt nicht, auch das Aufräumen nicht“, erinnert sie sich lachend. Um ihren beiden Kindern später zu ermöglichen die Waldorfschule zu besuchen, musste zusätzliches Geld in die Familienkasse. So beschloss Thomas, trotz der Abneigung gegen Hausarbeit, als Putzfrau arbeiten zu gehen.
„Irgendwann war mir klar, dass ich meine Einstellung zu meiner täglichen Arbeit ändern muss“, erzählt sie. „Also verwandelte ich ‚Putzen‘ in ‚Pflege‘“. Das Wort Putzen bedeutet für sie lediglich „Dreck entfernen“, Pflegen impliziere hingegen, dass man etwas mit Hingabe tut. „Man schafft Raum für etwas, sei es in der Schule für die Erziehung der Kinder, am Arbeitsplatz für ein Projekt oder Zuhause für ein Fest mit Freunden.“
Wie der Zufall es wollte vertrieb eine Freundin von Thomas ökologische Putzmittel. So kam sie auf die Idee, selbst ein ökologisches Reinigungsinstitut zu gründen - das erste dieser Art in der Schweiz. Zudem begann Thomas damit Putzfrauen auszubilden und später auch Seminare zu geben, um den spirituellen Wert des Putzens zu übermitteln.
So wie auch Mitte Oktober auf der Farm Krumhuk in Windhoek. Zunächst erläutert Thomas den Teilnehmern - überwiegend Frauen - ihre Einstellung zum Putzen, danach müssen sie selbst ran. Dazu betritt die Gruppe gemeinsam einen Raum, betrachtet ihn in Ruhe und bespricht was zu tun ist. So will Thomas die Wahrnehmung der Seminarteilnehmer trainieren: Wo ist es schmutzig? Wo ist Unordnung? Was gehört nicht in den Raum? Wo kann ich sofort nachbessern, was muss langfristig behoben werden?
Auf der Farm Krumhuk geht es in einen ehemaligen Schweinestall, der inzwischen als Begegnungsraum genutzt wird. Eingestaubte Stühle und Tische stehen kreuz und quer, der Boden ist voller Sand und Erde und die Fenster sind schmutzig. Dann heißt es Lumpen und Eimer zur Hand nehmen und gemeinsam putzen. Die Teilnehmerinnen haben sichtlich Spaß, es wird viel gelacht.
Die Gründe, warum sie an dem Seminar teilnehmen, sind ganz unterschiedlich. Sonja Hanke beispielsweise ist, wie Thomas, in einem südafrikanischen Haushalt mit vielen Putzfrauen aufgewachsen und ist fasziniert von Thomas Werdegang. Deshalb hatt sie sich und ihre Putzfrau zum Seminar angemeldet. „Ich habe heute zum ersten Mal ein Fenster geputzt und es ist sauber geworden“, freut sie sich. „Jetzt habe ich richtig Lust zu putzen.“
Maria Mvula ist für Schulungen im Hotelbereich bei der Lodgegruppe Gondwana verantwortlich, unter anderem fürs Training in Haushaltsführung. Sie wird im Unternehmen später weitergeben, was sie bei Thomas gelernt hat. Beispielsweise, dass man nicht unbedingt chemisches Putzmittel benötigt, um sauber zu machen. Oft reichen schon gute Mikrofasertücher und pures Wasser. „Ich habe gelernt, wie ich beim Putzen eine Menge Geld sparen kann“, sagt sie.
Ulrike Funke aus Berlin ist schon lange fasziniert von Thomas Überzeugung, dass Putzen heilende Kräfte hat: „Ich bin ein großer Fan ihrer Herangehensweise ans Putzen. Mir gefällt es, dass sie die Dinge, die sie putzt und pflegt, so intensiv wahrnimmt.“
Laut Thomas kann Putzen auch beruhigen, wenn man von hektischen Rubbel-Bewegungen hin zu ruhigen, kreisenden Bewegungen wechselt. „Und wenn man es dann geschafft hat, die negative Energie in etwas Positives zu verwandeln, dann hat man auch einen Entwicklungsschritt in seiner Persönlichkeit geschafft“, ist Thomas überzeugt. Schließlich sei das eine Form Verantwortung zu übernehmen, sowohl für den Raum, als auch für sich selbst.
Laut Thomas bestätigen Studien, dass in Schulen, in denen Schüler selbst putzen weniger Dreck gemacht wird. Und: Je sauberer ein Schulhaus ist, desto weniger Vandalismus finde statt. Außerdem sei die Konzentrationsfähigkeit in einem ordentlichen Umfeld viel höher.
In diesem Zusammenhang erinnert sich Thomas gerne an einen Putzauftrag in einer geschlossenen Erziehungsanstalt für jugendliche Kriminelle in der Schweiz. Dort stand ein Tag der offenen Tür bevor, daher sollte eine Grundreinigung her. Thomas war schockiert über den Zustand der Einrichtung und überredete die Verantwortlichen dazu, anstelle mit ihrem Personal, gemeinsam mit den Jugendlichen und Erziehern zu putzen.
Es sollten nur Fenster, Türen und Böden gereinigt werden, doch als die Jugendlichen erstmal begonnen hatten, wollten sie gleich alles schön machen und fingen an Poster und Aufkleber zu entfernen, erzählt Thomas. Dann kauften sie sogar von ihrem eigenen Geld Wandfarbe, überstrichen die aggressiven Graffitis im Treppenhaus und bemalten die Wand mit kindlichen Motiven, wie Häuser, ein Apfelbaum, Schmetterlinge und Blumen. Thomas ist davon überzeugt: „Erst diese Kulturerfahrung des gemeinsamen Reinigens rief in den Jugendlichen etwas wach, von dem sie gar nichts wussten, es ja nicht einmal ahnten. Diese scheinbar abgehärteten, sozial schwerstgeschädigten jungen Menschen empfanden das Bedürfnis, sich an der Wand ein Stück heile Welt zu erschaffen.“ Da habe Thomas erst realisiert, welch ungeheures Werkzeug sie mit dem Putzen in der Hand hat.
Nach dem Seminar auf Krumhuk ist der Raum kaum wiederzuerkennen: Von Staub und Dreck keine Spur, die Möbel alle am vorgesehenen Platz und Zufriedenheit in den Gesichtern der Teilnehmerinnen. Ob Letzteres wohl am Putzen liegt?
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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