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Rassismus, Ethnizität und Tribalismus - Kirche ist auch gefordert

Tötemeyer mahnt, dass sich die Kirche im Allgemeinen, mit der er sich identifiziert, nicht aus ihrer Verantwortung davonstehlen könne, Reizthemen aufzugreifen, die die Stabilität des Staates und die Glaubwürdigkeit der Kirche gefährdeten. "Wir als Kirche sind willige Partner der Regierung, wenn wir bürgerliche Verantwortung teilen, aber wir können nicht zulassen, von der Regierung ins Schlepptau genommen zu werden. Als Christen haben wir mit der Regierung soziale und ökonomische Gerechtigkeit zu verfolgen, insbesondere die Förderung vormals Benachteiligter. Mit der Regierung glauben wir an Gerechtigkeit und Gleichheit, unterstützen partizipierende und kooperative Demokratie, um einen selbstlosen kooperativen Geist und integrative Bemühungen zur Einheit zu fördern. Dabei geht es nicht um Konkurrenz mit dem Staat." Die Kirche habe nicht nur "geistliche Konsumenten" zu bedienen, sondern die Gemeinden suchten auch soziale Führung.

Auswüchse des Rassismus
Tötemeyer geht in einem ausführlichen Referat auf Auswüchse des Rassismus, der Ethnizität und des Tribalismus in der heutigen namibischen Gesellschaft ein, wodurch die erklärte Politik der Aussöhnung gefährdet werde. Dabei bezieht er sich auch auf Beispiele persönlicher Erfahrung mit Rassismus und übt individuelle und kollektive Kritik am Verhalten weißer und schwarzer Namibier. Das Staatsoberhaupt Hifikepunye Pohamba und sein Vorgänger Nujoma bleiben dabei nicht verschont. Der Referent nennt Pohambas Ablehnung, sich mit den Namibiern zu versöhnen, die im Unabhängigkeitskrieg "auf der falschen Seite" gekämpft haben. Am Cassinga-Tag hat Pohamba eine Gleichstellung der Altkämpfer beider Seiten kategorisch mit dem Ausruf "Nur über meine Leiche" abgelehnt. "Das kann ich nicht unterstützen", so Tötemeyer. Er erinnert auch an die Demonstration einer Herero-Gruppe vor ein paar Jahren durch die Independence-Avenue, die zwei Plakate mit rassistischer Hetzaufschrift mit sich führte: "Kill all whites".

Als der Referent noch als Vizeminister mit dem damaligen "prominentesten Politiker des Landes" (wahrscheinlich Nujoma) im Süden unterwegs war, lancierte jener in der Anwesenheit Tötemeyers eine Attacke auf die weiße Gemeinschaft Namibias und erklärte, er respektiere allein einen Weißen: Anton Lubowski, (im September 1989 auf offener Straße in Klein-Windhoek ermordet). Tötemeyer erinnert an die Todesdrohung, die ihm und der Redakteurin Gwen Lister von der Zeitung Namibian ausgesprochen wurden, dass sie an zweiter und dritter Stelle auf der Abschussliste stünden. Als Wahlleiter musste Tötemeyer nach der Unabhängigkeit von seinem Personal erfahren, dass die Kräfte vom Boden mancher weißer Farmer verjagt wurden und daher nicht den Pflichten und Aufgaben nach dem Wahlgesetz nachkommen konnten. "Leider gibt es noch einige weiße Namibier, die man Rassisten nennen kann, die Schwarze als Bedrohung der europäischen Kultur und Werte erfahren. Um welche so genannten europäischen Werte handelt es sich, wenn sie bestehen? Warum sind die meisten Weißen nicht bereit, sich mit den Normen und Werte ihres schwarzen Gegenparts vertraut zu machen, mit der Mehrheit der Bevölkerung? Diese indigenen Werte und Normen beruhen auf langer Tradition und sind auf afrikanischem Boden und durch lokale Erfahrung entstanden. Es gibt immer noch Weiße, und nicht wenige, die ihre schwarzen Mitbürger nicht als Brüder und Schwestern ansprechen und ihre Menschenwürde nicht respektieren."

Die Apartheid war auf der Politisierung der ethnischen Vielfalt sowie auf der "Überlegenheit" einer Rasse begründet, so Tötemeyer. "Es ging um das Überleben der Weißen als Minorität, um Selbsterhalt und hegemoniale Dominanz." Nach der Unabhängigkeit habe die SWAPO-Regierung jedoch keinen "Nürnberger Prozess" abgehalten, wie er nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Deutschland durchgeführt wurde.

Verfehlte Ideale
Tötemeyer spricht von verfehlten Idealen, wenn er die Zielsetzung der Vision 2030 mit der heutigen Realität vergleicht. In der Planungsvision heißt es: "Die Gesellschaft respektiert und erhält das Recht einer jeden Person, ihre Kultur, Sprache, Tradition und Religion im Einklang mit der Verfassung zu genießen, zu praktizieren, zu bekunden und zu fördern." Kulturelle Gruppen- und Bürgerrechte und die Pflichten als namibischer Staatsangehöriger ergänzen sich und widersprechen sich nicht, so Tötemeyer.

"Haben wir die ideale namibische Gesellschaft hergestellt, die uns total glücklich macht? Wo stehen wir heute, 22 Jahre nach der Unabhängigkeit? Das gestellte Ziel der Einheit der Nation, begründet auf kultureller Vielfalt, in Ablehnung des Rassismus und Tribalismus, haben wir definitiv nicht erreicht." Er weist auf mehrere, Entwicklungs-hemmende Beispiele des Tribalismus hin, darunter der schwelende Separatismus in der Region Caprivi, der Weidedisput zwischen den Kwangali von Kavango und Kwanyama von Ohangwena und selbst zwischen den Ovambo-Ethnien wie den Ndonga und Kwanyama. Auch die Forderung nach einem "Nicht-Ovambo" als Nachfolger von Pohamba kommt zur Sprache.

Tötemeyer bemängelt am Namibischen Kirchenrat (CCN), dass die Öffentlichkeit Nachrichten über einzelne Mitgliedskirchen erfahre, aber "selten über eine kollektive Aktion". Er möchte den Tag erleben, wenn der CCN einen nationalen Kirchentag einberuft, wie es unter Katholiken und Protestanten in Deutschland üblich ist, bei dem über ein langes Wochenende Themen angesprochen werden, von denen die Menschen täglich konfrontiert werden.

(Der vollständige Text des englischen Vortrags "Race, Ethnicity and Tribe" ist auf der AZ-Internetseite unter diesem Beitrag einzusehen.)
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Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-25

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