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Rückblick ganz ungeschminkt
Rückblick ganz ungeschminkt

Rückblick ganz ungeschminkt

EU-Abgeordneter und Namibia-Kenner resümiert das Jahr 2016
Stefan Fischer
AZ: 2016 war ein spannendes Jahr für Namibia. Ich werde Ihnen einige Schlagwörter nennen und bitte Sie um eine kurze Meinung. Fangen wir an mit dem geplanten Quotengesetz NEEEF.


M. Gahler: Ich halte das mit rechtstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Eine rassenbezogene Verpflichtung zum Verkauf von Unternehmensanteilen sollte fast 27 Jahre nach der Unabhängigkeit auch nicht mehr Thema sein. Es gibt andere Wege, vormals Benachteiligte zu fördern und anderen mehr abzuverlangen, beispielsweise durch gezielte Besteuerung. Der Grundsatz der Bedürftigkeit sollte zur Anwendung kommen, unabhängig von Hautfarbe und was die Person zur Unabhängigkeit gemacht hat.

AZ: Landreform bzw. Umverteilung von kommerziellem Farmland...

M. Gahler: Es darf nicht so viel kommerzielles in kommunales Land umverteilt werden. Und: Wer sich eine Farm leisten kann, soll diese nicht umsonst bekommen, auch wenn er zu den vormals Benachteiligten gehört. Es gibt genügend willige Verkäufer. Namibia braucht Landwirtschaftsfachschulen, um Neufarmer auszubilden; dabei könnten kommerzielle Farmer als Mentoren helfen. Der Bau der Schulen und die Ausbildung könnten auch von der EU finanziert werden. Bei gutem politischem Willen, wenn alle Ansätze konstruktiv genutzt werden, funktioniert eine Landreform; aber hier habe ich den Eindruck, dass immer mal wieder eine Sau durchs Dorf getrieben wird, wenn es politisch opportun ist.

AZ: EPA-Handelsabkommen zwischen Namibia und der EU...

M. Gahler: Ein Lichtblick. Das fördert den Export namibischer Waren. Mir war immer wichtig, dass die Zollunion SACU dadurch nicht zusammenbricht, denn die SACU funktioniert im Gegensatz zu anderen Zollverbänden gut. Nun sollte eine Erweiterung der SACU geplant werden, beispielsweise mit Mosambik.

AZ: Teurer Staatsdienst mit 100 000 Mitarbeitern für 2,3 Millionen Einwohner...

M. Gahler: Hinter manche Stellen sollte mal der kw-Vermerk für „künftig wegfallend“ gesetzt werden. Der Verzicht auf Neubesetzungen von Stellen muss zu einer Verwaltungsreform führen, wofür aber eine Umstrukturierung nötig ist, weil die Arbeit trotzdem gemacht werden muss. Finanzminister Calle Schlettwein wäre die richtige Person dafür, aber er muss es sich trauen und man muss ihn machen lassen. - Außerdem muss der Staat neue Einnahmen kreieren. Dazu gehört, dass Farmen nicht verschenkt und/oder von der Bodensteuer befreit werden, wenn sie an vormals Benachteiligte gehen. Minister und Bürgermeister sind nicht bedürftig und brauchen sich nicht doppelt am Staat bereichern.

AZ: Harambee-Wohlstandkonzept der Regierung...

M. Gahler: Viele Ziele und Ansätze sollten selbstverständlich sein. Wenn der Präsident darauf besonders hinweist, ist es gut. Dinge, die gut laufen, gilt es zu erhalten. Dinge, die schlecht laufen, gilt es zu verbessern - das ist zu unterstützen. Allerdings geht es nicht nur darum, ein nettes Wort mit guten Prinzipien in die Welt zu setzen, sondern es muss nach einer gewissen Zeit eine ehrliche Analyse stattfinden.

AZ: Genozid-Dialog zwischen Deutschland und Namibia...

M. Gahler: Wenn man sich die Zahl der Toten gemessen am Anteil der Herero an der Bevölkerung ansieht, kann der Begriff Völkermord gerechtfertigt werden. Aber eine geplante und industriell durchgesetzte Ermordung wie die der sechs Millionen Juden im Dritten Reich war es nicht, das ist eine andere Kategorie. Ich möchte, dass sich alle Beteiligten aussöhnen. Dazu gehört, dass man sich die Hand reicht. Auf deutscher Seite ist ein ehrliches Bedauern vorhanden. Auf Seiten der Opfer sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass finanzielle Forderungen im Vordergrund stehen. Im Dialogprozess muss auf der Opferseite ein professionelles Handling gezeigt werden; lächerliche Forderungen (zuletzt die Forderung, den deutschen Botschafter und den Sondervermittler abzusetzen, die Red.) dienen der Sache nicht.

AZ: Danke für das Gespräch.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-24

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