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Reihenweise gezogene Zähne

„Zahnärzte ohne Grenzen“ entsetzt über mangelnde Zahnpflege in Namibia
Nina Cerezo
Es ist ein Arbeiten unter ganz besonderen Bedingungen: Kleinste, umfunktionierte Büroräume, in die irgendwie zwei Zahnarztstühle gepresst werden, die brütende Hitze des namibischen Sommers, verdreckte Waschbecken, die alles andere als zum Desinfizieren von ärztlichen Instrumenten einladen, und mobile Zahnarztstationen, bei denen auch schon mal das eine oder andere Bohrgerät nach kurzer Zeit überhitzt oder gar die Sicherung herausspringt. All dies haben die deutschen Zahnärzte Dr. Karl Haushofer und Dr. Jörg-Christian Ribbe sowie die Zahnarzthelferinnen Karin Haushofer und Silvana Freund zwölf Tage lang erlebt. Sie sind Mitglieder und Entsandte der gemeinnützigen Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“ und traten in den letzten beiden Novemberwochen ihren ersten Einsatz überhaupt in Namibias Norden an.



Weit und breit kein Zahnarzt

Dass sie mit ihrer zahnärztlichen Versorgung hier eine noch immer viel zu große Lücke zumindest ein Stück weit füllen konnten, machen die Vier im AZ-Gespräch kurz vor ihrer Rückreise nach Deutschland deutlich. Fünf Tage lang waren sie zunächst in Grootfontein im Einsatz „und hier gibt es im Umkreis von 300 Kilometern keinen Zahnarzt“, erklärt Dr. Haushofer, der gemeinsam mit seiner Frau seit 1989 eine eigene Zahnarztpraxis in München betreibt. Silvana Freund ist eine langjährige Mitarbeiterin und Dr. Jörg-Christian Ribbe ein ehemaliger Studienkollege, der mittlerweile erfolgreich seinem Beruf in Hamburg nachgeht. „Drei Praxisschilder mit ,Dentist´ oder ,Oral Surgery´ haben wir in der Ortschaft gesehen, aber leider waren alle Praxen leer“, so Dr. Haushofer. Vor diesem Hintergrund strotzte das Team nur so voller Tatendrang.

Das Patent des mobilen, klappbaren Zahnarztstuhls war schließlich durchschaut, doch das Versagen des Absaug-Instruments oder die nur kurzzeitig funktionierende Wasserkühlung ließen wenig Spielraum für Erfindungen zu. Und trotzdem wurden pro Tag 20 bis 30 Patienten versorgt, die „jeden Alters waren und aus allen sozialen Schichten und ethnischen Gruppen“ stammten. „Selbst Gefangene waren unter Begleitschutz der Polizei bei uns“, erzählt der bayerische Zahnarzt, dem der eine oder andere Patient auch ganz deutlich im Gedächtnis geblieben ist. So zum Beispiel ein neunjähriger Junge, der „schon beim Hinsetzen am ganzen Leib zitterte, dass jegliche beruhigende Worte oder der mitgebrachte Stoffelefant Dumbo auch nicht mehr halfen“, erinnert er sich. Und das führte tatsächlich schließlich dazu, dass der Junge dem Ärzteteam sein Frühstück hinterließ… „Von weiteren Maßnahmen habe ich bei dem Jungen an diesem Tag abgesehen“, so Dr. Haushofer schmunzelnd.



Zähne ziehen im Akkord

Was die Vier einerseits mit Humor erzählen, hat sie andererseits aber auch tief berührt. „Es scheint, als ob Zahnschmerzen in diesem Land zum Leben gehören“, sagt Dr. Ribbe, den es sichtlich frustriert, nur kurzfristige und wenig nachhaltige Hilfe geleistet zu haben. Und das vor allem durch das Ziehen von Zähnen. „Das Verhältnis von Zahnentfernung zu Füllungen belief sich auch circa 9 zu 1“, erläutert Dr. Haushofer. Solche Zahlen habe das Team schon nachdenklich gestimmt, ebenso die stets wiederkehrende Erkenntnis über fehlende Prophylaxe und mangelnde Aufklärung über Zahnhygiene. So sei beispielsweise den Kindern gar nicht erst bewusst, dass man nach dem Zähneputzen keine Süßigkeiten mehr essen soll und sowieso sei das regelmäßige Putzen so eine Sache. „Die unzähligen Extraktionen von Milchzähnen oder, noch schlimmer, der ers-ten bleibenden Zähne danach, das ist schon frustrierend“,

seufzt Dr. Haushofer. Weiter seien abgefaulte Backen- oder Weisheitszähne sowie großflächiger Frontzahnkaries keine Seltenheit. Und manche Patienten hätten gar nicht erst behandelt werden können, weil sie aufgrund von Entzündungen ihren Mund kaum hätten öffnen können. „Hier haben wir erst einmal Antibiotika verschrieben. Wie und wann die notwendige Entfernung durchgeführt wird, wissen wir aber nicht“, so Dr. Haushofer.



Zähneputzen scheint unwichtig

Das Ärzteteam bot schließlich auch seinen Dienst in Otavi, Kombat und Otjituuo an. Die Erfahrungen waren die gleichen. Aus diesem Grund war es ihnen auch immer wichtig, vor allem Kinder über das richtige Putzen mit den aus Deutschland mitgebrachten Zahnbürsten aufzuklären. „Drei Minuten Zähneputzen an einem Tag können einen riesigen Nutzen bringen“, sagt Dr. Ribbe, aber wenn man nicht wisse wie, funktioniere es eben nicht. Er wünsche sich ebenso wie die anderen zumindest erklärende Plakate oder die Integration des Zähneputzens in den Kindergarten oder Schulunterricht. „Es scheint, als sei das den Leuten hier aber leider nicht so wichtig“, resümiert auch Karin Haushofer.

Die Vier wollen sich dadurch aber nicht abschrecken lassen. Im Gegenteil: Nun wüssten sie ja, was sie bei ihren zukünftigen Einsätzen besser vorbereiten könnten. Denn das steht für sie unumgänglich fest: Einen nächsten ehrenamtlichen Einsatz in Namibia soll es auf jeden Fall geben.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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