Reiter und Statuen: Wird Namibia eine Kulturdiktatur?
Was sagt der namibische Denkmalrat (National Heritage Council) zur Entfernung des Reiterdenkmals? Wurde der Rat befragt, hat er das Anliegen geprüft, mit Betroffenen diskutiert und ist er zu einschlägigen Schlussfolgerungen und Empfehlungen gekommen? Wenn nicht, ist er nichts weiter als „His Master's Voice“? Wenn ja, wäre das ein schwarzer Tag für Kultur- und Denkmalpflege in Namibia.
Seit wann kann eine Einzelperson die Entfernung eines Denkmals fordern, in diesem Falle des Reiterdenkmals? Kann der Präsident, bei allem Respekt, z.B. den Hoba-Meteoriten verschenken? Oder Gemälde aus der Nationalgalerie an seine Freunde verteilen, so wie es ihm Spaß macht? Oder Akten aus dem Nationalarchiv nach Gutdünken verteilen oder willkürlich vernichten lassen? Man muss den Gedanken nur einmal etwas weiter denken, um festzustellen, dass sich die Regierung mit derartigen Gedanken und Forderungen in erster Linie selber bedeutend schadet.
Wenn man das Phänomen „Reiterdenkmal“ über längere Zeit beobachtet, stellt man fest, dass dort in jüngerer Zeit bedeutend herumexperimientiert und -gepfuscht wurde. Kein Mensch wir beanstanden, dass das Gebäude, das an die Stelle des Reiterdenkmals gesetzt wurde, schlichtweg grotesk ist. Dafür also musste das Reiterdenkmal weichen?
Das Reiterdenkmal wurde vor einigen Jahren vor die Alte Feste verschoben. Diese Operation hat öffentlich stattgefunden und war mit allen Parteien abgesprochen und akzeptiert, wenn auch nicht unbedingt gutgeheißen worden. Ist diese Verschiebung nach wenigen Jahren nunmehr bereits wieder ungültig geworden? Sie war ausdrücklich von der Regierung genehemigt worden. Hat die Regierung keine Perspektive, keine Vision, oder schlichtweg keine Ahnung, wie man mit wertvollem Kulturgut umgeht? Oder soll namibisches Kulturgut absichtlich vernichtet werden, nur weil es „Deutsch“ ist?
Es ist offensichtlich, dass mit der Vernachlässigung der Alten Feste und dem ungepflegten Stück Rasen vor dem Reiterdenkmal ein Zeichen gesetzt werden soll: „Seht her, wir distanzieren uns sichtbar und von dem bösen deutschen Kolonialerbe!“ Doch wenige Meter davon entfernt steht ein mit einem Drahtzaun abgegrenzter, aberwitziger Bau, der von den Nordkoreanern gebaut wurde und weder in die Architektur Windhoeks noch in die historische Kulturlandschaft um die Alte Feste und Christuskirche herum hineinpasst. So verkommt der historische Kern Windhoeks nicht zu einer Kulturlandschaft, sondern zu einer grotesken Witznummer. Dieses beschränkt sich übrigens nicht nur auf Windhoek, sondern auch auf beipielsweise Okahandja. Dort wurde das Militärmuseum 2002 erbaut – an der Stelle des ehemaligen deutschen Forts –, aber bis heute nicht eingeweiht. Ist dort nichts zu sehen oder warum ist es der Öffentlichkeit nicht zugänglich?
Die zahlreichen Skulpturen, die vor dem Militärmuseum, dem Heldenacker, jüngst bei Omugulu-gwoombashe aufgestellt wurden, sind künstlerisch bedeutungslos. Sie sind aus Katalogen bestellt und billige koreanische Meterware. Warum wurden damit keine namibischen Künstler beauftragt? Auf einen Haushalt beschränkt würde die Analogie auf den Ankauf und stolze Zurschaustellung billiger Gartenzwerge deuten. Stellt sich so eine selbstbewusste Nation dar? Soll ein weiteres Denkmal aus dieser Produktion an die ehemalige Stelle des Reiterdenkmals gesetzt werden? Das Reiterdenkmal ist nach allen Maßstäben ein bedeutendes historisches Denkmal und erstrangiges Kunstwerk. Sein Entfernen und „Ersatz“ gehen keinesfalls auf Kosten des Reiters, sondern auf Kosten des billigen Kitsches, der an seine Stelle gesetzt wird.
Am Beispiel der vermeintlichen Umbenennung von Lüderitzbucht erleben wir gerade, dass der Protestaufschrei gerade nicht von den deutschsprachigen Namibiern ausgeht, sondern schlicht und einfach von den Bewohner der Ortschaft selber. Glaubt unsere Regierung allen Ernstes, dass sie auf dem Verfahrenswege und per Dekret die Kulturlandschaft Namibias einfach so ändern kann? Wenn ja, irrt sie sich gewaltig und demonstriert nur eine bemerkenswerte Naivität und Kurzsichtigkeit in Kulturfragen. Haben wir es inzwischen mit einer Kulturdiktatur zu tun? Was ist als nächstes zu erwarten?
Sollte daher die Ankündigung bzw. Forderung der Entfernung des Reiterdenkmals eine großartige Geste sein, geht der Schuss für unsere Regierung in erster Linie nach hinten los. Sollten die deutschsprachigen Namibier damit bewusst provoziert werden, ist die Geste sinnlos. Wir lassen uns nicht derartig provozieren. Vielmehr beobachten wir mit amüsiertem Interesse, wie sich unsere Regierung kulturpolitisch in erster Linie selber schadet – siehe Militärmuseum Okahandja, Umbenennung von Lüderitzbucht, Unabhängigkeitsdenkmal Windhoek. Den „deutschen Deutschen“ ist das Reiterdenkmal sowieso egal.
Unsere Regierung giert danach, die Aufmerksamkeit der Bürger zu erheischen und von ihr in nationaler Begeisterung gefeiert zu werden. Gerade wir deutschsprachigen Namibier stehen derartigen nationalen Gefühlsausbrüchen aus historischen und bevölkerungspolitischen Gründen eher reserviert gegenüber. Doch dem kann Abhilfe geschaffen werden, z.B. indem die Straße zwischen Windhoek und Okahandja auf eine Doppelspur erweitert würde. Oder endlich eine Ost-West-Umgehungsstraße um Windhoek herum gebaut wird. Oder das Justizsystem dringend auf Vordermann gebracht würde, was dem Bürger – allen Bürgern Namibias – zugute käme. Von Gesundheit, Bildung oder dem Kampf gegen Korruption ganz zu schweigen.
Mit billigen Gesten allein ist es nämlich nicht getan. Und mit billigen und hohlen Gesten auf Kosten des Kulturguts schon gar nicht. Denn dieses bedarf des Schutzes und der Pflege seitens der Obrigkeit, da es an sich rar, gefährdert und daher schützenswert ist. Hat eine Regierung das nicht verstanden und initiiert sie den Raubbau am Kulturgut, darf sie sich nicht wundern, wenn ihre Ernsthaftigkeit gerade in derart diffizilen Fragen in Zweifel gezogen wird.
Dr. Andreas Vogt (Denkmalexperte, Historiker und Buchautor), Windhoek
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Mit dem Reiterdenkmal beschäftigt sich die „Frage der Woche“ auf der AZ-Webseite www.az.com.na – wir wollen wissen, wie Sie darüber denken bzw. welche Zukunft Sie für das Reiterstandbild wünschen. Geben Sie dazu noch bis Donnerstag (5.9.) Ihre Stimme auf der AZ-Webseite (Startseite, rechts unten) ab, die Ergebnisse veröffentlichen wir am darauffolgenden Freitag.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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