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Renaissance auf 2 Rädern

Windhoek - "Cycles - Accessoires, Fittings and Tools etc" - so lautet der Titel eines Produktkatalogs von Cymot Ltd. aus Kapstadt, erschienen im Jahr 1939. Das Blättern in der leicht vergilbten Broschüre ruft beim Leser eine Mischung aus Erstaunen und Schmunzeln hervor. Fahrräder verschiedener Marken, aber auch Zubehör - vom Schraubenbolzen über Klingel, Bremsen, Gepäckträger, Ketten, Maskottchen (!), Lenker, Lampen (mit Öl, Batterie oder per Dynamoantrieb) bis zum Werkzeug - sind zu Verkaufszwecken gelistet. Sogar einige Kinderwagen-Modelle finden sich in diesem Handelskatalog, der als Niederlassungen die Cymot-Standorte Kapstadt, Johannesburg, Durban, East London und Bulawayo nennt.

Die Wiege von Cymot jedoch steht in Kapstadt, wo die Geschichte des Unternehmen an der Schwelle des 20. Jahrhunderts begann. Unter dem Namen The Cycle & Motor Trade Supply Company wurde die Firma gegründet und erst am 10. August 1922 in Cymot Ltd. umbenannt, was heute noch Bestand hat. Seit 1948 ist Cymot im heutigen Namibia aktiv, wobei Motorteile damals das Hauptgeschäft ausmachten. Eine Drahtesel-Domäne gab es jedoch in Grootfontein, sie erlebte in den Jahrzehnten danach eine wahre Blütezeit. "Das Fahrradgeschäft war in den 70er Jahren sehr wichtig, vor allem im Ovamboland, wo die meisten Verkäufe getätigt wurden", erinnert sich Cymot-Geschäftsführer Claus Theissen an eine bewegte Zeit. Denn der Verkauf orientierte sich damals nicht nur am Bedarf, sondern auch am Gebietsschutz und eines starken Konkurrenztrios. Der Renner von Cymot war damals ein so genanntes Ballonfahrrad der Marke Humber (Südafrika) - "das einzige Fahrrad mit doppelter Frontgabel", beschreibt es Theissen. Und: "Damals kostete so ein Fahrrad noch 40 Rand, heute muss man wohl das Zehnfache dafür hinlegen."


Doch nicht nur die Preise haben sich im Verlauf der Zeit geändert. Ende der 70er Jahre stieg Cymot mit dem Fahrradhandel auch in Windhoek in die Pedalen und hat seither durchgehend dieses Metier besetzt. Seit gut zehn Jahren kommen die Drahtesel freilich nicht mehr aus Südafrika. Nach der endgültigen Einstellung der Produktion im Nachbarland wurde die Bedeutung der Lieferanten in Taiwan, China und Indien immer größer. Dort werden die Fahrräder - größtenteils nach Plänen aus Deutschland, Großbritannien oder den USA - montiert.


Trotzdem bedurfte es weiterer Anstöße von außen, um dieses Freizeitgerät in Namibia attraktiv zu machen. So organisierte Cymot in den 80ern die so genannten Funtours, zu denen sich jeweils am 1. Sonntag im Monat zwischen 30 und 70 Radler zu gemeinsamen Ausflügen trafen. Im Jahr 1986 dann wurde der Verein Windhoek Pedal Power gegründet, der Claus Theissen zum 1. Vorsitzenden wählte. "Ziel war, das Rad fahren populärer zu machen", erinnert sich Theissen. Die Initiative löste einen regelrechten Boom aus, welcher auch eine Ursache in der damaligen Ölkrise hatte. Später kam das steigende Fitness- und Gesundheitsbewusstsein hinzu, und auch inzwischen regelmäßige Breitensportveranstaltungen wie die Cycle Classic übten einen wahren Sog auf viele Freizeitradler aus.


Es setzte also eine kleine Renaissance auf zwei Rädern ein, die sich bei Cymot auch an den Bilanzen ablesen lässt. Geschäftsführer Theissen: "Das Fahrradgeschäft, das zur Greensport-Abteilung gehört, macht rund 2,5 Prozent unseres Gesamtvolumens aus. Das hört sich zwar wenig an, aber dieser Bereich verzeichnet einen jährlichen Wachstum von 20 Prozent und ist deshalb für uns sehr wichtig." Und auch im Norden von Namibia hat Cymot - so wie damals - jetzt wieder Fuß gefasst. Ein preiswertes Fahrrad mit fünf Gängen und Handbremse ist der Verkaufsrenner für die Bevölkerung im Ovamboland. Auch die Philosophie insgesamt lebt von Kontinuität: Für alles, was Cymot verkauft, wird traditionell auch der Service angeboten. Und so radelt das Unternehmen optimistisch durch das vor kurzem begonnene zweite Jahrhundert seines Bestehens.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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