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SADC quo vadis? - Eine Zwischenbilanz nach 30 Jahren

Ihren Ursprung hatte sie in der Kooperation der unabhängigen Anrainerstaaten, die wirtschaftlich eng vom Apartheidsregime abhängig waren. Als so genannte Frontstaaten suchten sich diese wechselseitig zu unterstützen und auch internationale Hilfe zu erhalten, um ihre Abhängigkeit von Südafrika zu reduzieren.

Nach einer ersten Vorkonferenz im Mai 1979 in Arusha/Tansania formierte sich im April 1980 in Lusaka/Sambia mit der Southern African Development Coordination Conference (SADCC) die Vorläuferorganisation der SADC. Die neun Mitgliedsstaaten (Angola, Botswana, Lesotho, Malawi, Mosambik, Sambia, Simbabwe, Swasiland, und Tansania) etablierten ein Regionalsekretariat in Gaborone. Die Zielsetzung lag in der Einwerbung von externer Hilfe zur Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Südafrika. Wie der programmatische Titel der neuen Organisation signalisierte, konzentrierten sich diese Bemühungen vor allem auf die jährliche Durchführung eines koordinierenden Gipfeltreffens in Verbindung mit einer Konferenz mit Geberorganisationen.

Namibia schloss sich nach der Unabhängigkeit 1990 der SADCC an. Zugleich signalisierte dies die Endphase der Dekolonisierung im Südlichen Afrika. Die veränderten Regionalperspektiven wurden 1992 durch die in Windhoek vollzogene Umwandlung in die SADC dokumentiert. Deren Mitgliedsstaaten verabschiedeten ein detailliertes Vertragswerk und festigten das Hauptquartier in Gaborone. Dieses Sekretariat wurde sukzessiv um mehrere ergänzende sektorale Stützpunkte und andere koordinierende Einrichtungen erweitert, die ihren Sitz in anderen SADC-Mitgliedsstaaten haben. Deren Etablierung waren die Folge diverser Protokolle zur Umsetzung weiterer punktueller Zusammenarbeit (u.a. in Fragen zur Energie- und Wasserversorgung, Bergbau, Verkehr und Handel).

Nach den demokratischen Wahlen in Südafrika 1994 und dessen Aufnahme in die SADC wurde endgültig der Wandel von einer "Frontorganisation" in eine integrierte Regionalgemeinschaft vollzogen. Damit kehrte sich die Bedeutung der Organisation um, indem dieser nunmehr der regionale Hegemonialstaat selbst angehörte, gegen den sich die SADCC ursprünglich formiert hatte. Mit dem weiteren Beitritt der DR Kongo sowie den Inselstaaten von Mauritius und den Seychellen erweiterte sich die SADC ab 1997 auf 14 Mitgliedsstaaten, zu denen sich Madagaskar 2005 als 15. Mitglied gesellte. Die Seychellen hatten 2004 zwar unter Anführung wirtschaftlicher Gründe und ihrer Außenorientierung auf andere Regionen die Mitgliedschaft gekündigt. 2007 wurde jedoch die Mitgliedschaft erneut beantragt und ab 2008 wieder wahrgenommen.

Der neue Charakter des Regionalbündnisses manifestierte sich in der Etablierung zahlreicher Sektorprogramme und der damit einhergehenden Akzentverschiebung hin zu gemeinsamen Willenserklärungen verstärkter Regionalintegration. Die wirtschafts- und entwicklungspolitische Orientierung wurde um die sicherheitspolitische Dimension erweitert. 1996 manifestierten sich diese Prioritäten durch die Annahme eines Handelsprotokolls sowie der Einrichtung eines Organs für Politik, Verteidigung und Sicherheit.

Letzteres entpuppte sich als Zankapfel zwischen den Vormachtsambitionen Simbabwes und Südafrikas. Sie zeigten sich besonders markant in der Frage um die Haltung zu der durch militärische Umsturzversuche gefährdeten Regierung Kabilas in der Demokratischen Republik Kongo. Entgegen der südafrikanischen Auffassung einer Nichteinmischung eilten Angola, Namibia und Simbabwe im August 1998 Kabila militärisch zu Hilfe und trugen damit erheblich - aber ohne eindeutige Billigung der SADC - zur Abwendung seines Sturzes bei. Die kurz danach im September 1998 erfolgte einseitige militärische Intervention Südafrikas in Lesotho kontrastierte ebenso mit dem von Südafrika selbst geforderten Neutralitätsgebot und trug zur Verschärfung der internen Differenzen bei. Der Zwist um die Besetzung des Sicherheitsorgans zwischen Simbabwe und Südafrika wurde schließlich 2001 entschärft, indem es verbindlich in die SADC-Strukturen integriert und dessen Vorsitz seither in jährlichem Wechsel auf den SADC-Gipfeltreffen erfolgt.

Das 1996 verabschiedete Protokoll zur Schaffung einer Freihandelszone trat 2000 in Kraft und beinhaltete das erklärte Ziel, bis 2012 die Zölle vollständig abzubauen. Die neu definierten sozialökonomischen Entwicklungsprioritäten wurden von dem Regionalen Indikativen Strategischen Entwicklungsplan (Regional Indicative Strategic Development Plan, RISDP) durch die Staatsoberhäupter 2003 gutgeheißen und 2004 offiziell vorgestellt.

Die New Partnership for Africa's Development (NEPAD) maß den Bereichen von Demokratie und Menschenrechten ab der Jahrhundertwende erheblich größere Bedeutung auf dem Kontinent bei. Dies schlug sich auch in der Umwandlung der Organisation for African Unity (OAU) zur African Union (AU) in deren Charta nieder. Südafrika unter Präsident Thabo Mbeki spielte bei diesen veränderten Schwerpunktsetzungen eine erhebliche Rolle. Dadurch wurde auch innerhalb der SADC einem verstärkten Bewusstsein zur Einhaltung wenigstens formaler demokratischer Spielregeln als politischer Legitimationsgrundlage für die Regierungen der Mitgliedsstaaten Anerkennung zuteil. Mit der Verabschiedung einer SADC Regional Charter während des jährlichen Gipfeltreffens 2004 wurde so auch ein Verhaltenskodex für die Durchführung von Wahlen und die Überprüfung ihrer Einhaltung durch die Mitgliedsstaaten eingeführt.

Die tatsächliche Anwendung und Kontrolle vermochte allerdings nur selten den Erwartungen seitens der Zivilgesellschaften in den Mitgliedssaaten gerecht zu werden. Mit Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Simbabwe und Swasiland rangieren gleich vier der Mitgliedsstaaten am unteren Ende einer Demokratie- und Menschenrechtsskala., wie sie u.a. vom Freedom House Index und dem Bertelsmann Transformation Index regelmäßig veröffentlicht werden.

Deutliche Defizite in der Institutionalisierung von SADC und mangelnde Effizienz in der Ratifizierung und Operationalisierung der Zielsetzungen führten zu wachsendem Vertrauensschwund und Legitimationsverlust auch aus Sicht externer bi- und multilateraler Geber, von deren Unterstützung die SADC-Aktivitäten weitgehend abhängig sind. Dies führte zur Initiierung eines Reformprozesses durch die Annahme eines im März 2001 vorgelegten Untersuchungsberichts zur Tätigkeit der SADC-Institutionen auf einem außerordentlichen Gipfeltreffen in Windhoek. Bis dahin bestand die Organisationsstruktur der SADC aus verschiedenen Kommissionen sowie 21 sektoralen Koordinierungseinheiten, die mit der Planung und Umsetzung der SADC-Programme betraut waren. Diese verteilten sich außer den Seychellen und der DR Kongo auf alle Mitgliedsstaaten.

Der Windhoeker Gipfel 2001 beschloss eine radikale Neustrukturierung und gruppierte die Sektoren unter vier neu eingerichtete Direktorate, die alle im Hauptquartier in Gaborone angesiedelt wurden. Diese Neustrukturierung wurde nicht wie geplant bis 2003 umgesetzt. Es mangelte besonders an der Verankerung eines effizienten Sekretariats in Gaborone. Dies war seit seiner Einrichtung personell und materiell chronisch mangelhaft ausgestattet und vermochte kaum die auf politischer Ebene auf den jährlichen Gipfeltreffen beschlossenen Strategien zu koordinieren, geschweige denn deren tatsächliche Umsetzung zu fördern.

In Ermangelung eines politischen Willens der Mitgliedsländer, den Worten auch Taten folgen zu lassen, konnte das Sekretariat bislang nie den gestellten Aufgaben auch nur halbwegs gerecht werden. Auch der namibische SADC-Generalsekretär Kaire Mbuende operierte eher glücklos und musste noch vor Ende seiner zweiten Amtszeit Ende der 1990er Jahre sein Amt verlassen. Weder seine Vorgänger noch die Nachfolger machten jedoch eine erheblich bessere Figur.

2005 wurde ein SADC-Tribunal mit Sitz in Windhoek geschaffen, das in Rechtsfragen von SADC-Staatsbürgern in Anspruch genommen werden kann. Es hat bisher zu umstrittenen Landenteignungen in Simbabwe Urteile zugunsten enteigneter klagender Farmer gefällt, die allerdings von der Regierung Simbabwes ignoriert wurden. Unlängst wurde dieses bisher spektakulärste Urteil in dem Aufsehen erregenden Dokumentarfilm "Mugabe and the white African" eindrucksvoll festgehalten. Während andere SADC-Mitgliedsstaaten wie Südafrika in jüngerer Zeit der Rechtssprechung des Tribunals auch in Gerichtsprozessen und -urteilen im eigenen Land normative Relevanz beimessen, erklärte die Regierung Simbabwes, dass sie dem Tribunal eine verbindliche Funktion abspricht, solange das Abkommen über dessen Existenz nicht hinreichend ratifiziert wurde.

Ab 2005 nahm die Schaffung einer schnellen Eingreiftruppe der SADC konkrete Formen an. Die SADC Brigade wurde 2007 offiziell proklamiert. Bisher scheint deren Bedeutung eher auf symbolischer Ebene zu liegen. Eine wesentliche Rolle bei der Beilegung oder Minderung von Konflikten im Rahmen der AU-Sicherheitspolitik in anderen Regionen des Kontinents spielt sie vorerst nicht.

Im August 2008 wurde auf dem jährlichen Gipfeltreffen die mit der Verabschiedung des Handelsprotokolls im Jahre 2000 antizipierte SADC-Freihandelszone initiiert, die außer Angola, der DR Kongo und den Seychellen von den Mitgliedsstaaten eingeführt wurde. Damit sind bislang 85% aller Güter ohne Tarife und Zölle. Trotz einiger erkennbarer und messbarer Fortschritte bleibt eine tief greifende regionale Kohärenz jedoch ein fernes Ziel.

Zur Erschwerung der regionalen Einheit tragen auch die Eigeninteressen externer Akteure bei. Zu diesen gehören durch den seit 2000 vom US-amerikanischen Senat verabschiedeten African Growth and Opportunity Act (AGOA) die USA ebenso wie die EU-Kommission in Brüssel, aber auch die neuen internationalen Akteure wie China und Indien sowie die Eigeninteressen des regionalen Giganten Südafrika. Dessen durch die ökonomische Vormachtstellung bedingte Perspektiven verfolgt oftmals jenseits der SADC-Gemeinschaft lukrativere Möglichkeiten als die Stärkung der Regionalintegration.

Nicht zuletzt die Handels- und Wirtschaftsinteressen der Europäischen Union führen trotz entwicklungspolitischer Prioritäten auf der Förderung regionaler Zusammenarbeit nicht zur Stärkung der SADC. Ein mit Südafrika einseitig abgeschlossenes Freihandelsabkommen Ende der 1990er Jahre verstieß in eklatanter Weise gegen Richtlinien der Zollunion mit Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland. Des weiteren trugen die EU-Initiativen für den Abschluss regionaler Wirtschaftspartnerschaften, den Economic Partnership Agreements (EPAs), zur Dividierung der SADC in zwei unterschiedliche EPA-Konfigurationen bei und schuf interne Meinungsverschiedenheiten über den Abschluss der EPA unter jenen SADC-Staaten, die nicht der ostafrikanischen EPA zugeordnet wurden.

Ab Mitte der 1990er Jahre wurde die SADC zum Vorbild afrikanischer Bemühungen regionaler Kooperation, vermochte in der Folge die Erwartungen aber nicht zu erfüllen. Die zum Teil unter großen Opfern erkämpfte nationale Selbstbestimmung wurde von den Regierungen der Länder nicht dem regionalen Interesse zu- und untergeordnet. Die Prämissen staatlicher Souveränität resultierten in einem eher zögerlichen politischen Willen des engeren Zusammenschlusses unter Preisgabe oder Einschränkung staatlicher Souveränitätsansprüche und -rechte. Die Zurückhaltung gegenüber den Miss-Ständen in Swasiland und Simbabwe sowie einigen anderen Mitgliedsstaaten stellten die Glaubwürdigkeit der Organisation sowohl in Teilen der eigenen Bevölkerung als auch der externen Geberländer in Frage.

Der kollektive sicherheitspolitische Rahmen wurde gestärkt, ohne dass dabei die Regionalkomponente zur Disziplinierung staatlicher Politik von Mitgliedsstaaten führte, die eklatant gegen die Gebote guter Regierungsführung verstießen und damit - wie besonders spektakulär im Falle Simbabwes - auch die nachbarschaftlichen Beziehungen belasteten; nicht zuletzt, indem ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Zuflucht in Anrainerstaaten suchte. Die vordergründige Solidarität der SADC mit der Regierung Simbabwes konnte jedoch die internen Differenzen nicht übertünchen. Sie wurden durch die Kritik Sambias und insbesondere Botswanas an der Politik Simbabwes unübersehbar, auch wenn diese die Kumpanei unter den Befreiungsbewegungen an der Macht nicht zu erschüttern vermochte.

Die schleppenden Versuche subregionale Formen der Integration zu stärken und zu vertiefen, konnten nicht über neue hegemoniale Konkurrenz hinwegtäuschen. Sie manifestieren sich in den Versuchen Angolas, die regionale Dominanz Südafrikas herauszufordern. Damit trat die einstmals portugiesische Kolonie nach Beilegung des jahrzehntelangen Bürgerkriegs im Zuge seines wirtschaftlichen Aufschwungs die Nachfolge Simbabwes an. Robert Mugabes Regierung hatte ab Mitte der 1990er Jahre gegen die südafrikanische Vorherrschaft opponiert, bevor sie von den innenpolitischen Herausforderungen und dem damit einher gehenden ökonomischen Niedergang überwältigt wurde.

Angesichts der internen Konflikte hat sich die SADC nie als einflussreicher Akteur in der globalen Politik zu positionieren vermocht. In grundsätzlichen Fragen, wie z.B. der Reaktion auf das 2009 erlassene Auslieferungsgesuch des Internationalen Gerichtshofs des sudanesischen Präsidenten Al-Bashir, gab es keine einheitliche Position. Auch innerhalb der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen vertritt die SADC keine geschlossene Linie. Angesichts der neueren Versuche durch die Verabschiedung und Umsetzung globaler normativer Rahmenwerke wie z.B. der Schutzverantwortung wird am Beispiel der SADC deutlich, dass eine Einflussnahme von außen eine Regionalverantwortung und -bereitschaft voraussetzt: So wenig es eine Lösung im Falle der Militärjunta Burmas ohne den politischen Willen der ASEAN-Staaten gibt, so wenig passiert im Südlichen Afrika hinsichtlich der Verbesserung der katastrophalen Lage der Menschen in Simbabwe oder Swasiland ohne die Wahrnehmung regionaler politischer Verantwortung durch die anderen SADC-Staaten. Solange diese in Ermangelung eines gemeinsamen politischen Willens globalen Normsetzungen durch Regelwerke keine praktische Gültigkeit im Kontext der Region verschaffen, bleiben Deklarationen zu guter Regierungsführung eine rhetorische Spiegelfechterei.


(Der Autor ist Politologe und Geschäftsführender Direktor der Dag-Hammarskjöld-Stiftung in Uppsala/Schweden.)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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