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Schneller als der Schatten

Von Florian Gontek, Lüderitzbucht Es gibt Apps – sagen wir beim Laufen – mit denen kann man sich von einer monotonen Computerstimme Zwischenzeiten ins Ohr flüstern lassen. Man läuft dann gegen seinen Schatten – gegen die eigene Bestzeit. Man läuft hinterher oder schneller als je zuvor. Nun läuft Matthias Röttcher nicht besonders gern. Zumindest verrät er das nicht. Er spielt Inlinehockey, ist auch Vorsitzender seines Vereins in Swakopmund, wo er mit seiner Frau Lizette, 46, und seinen zwei Kindern Amandus, 13, und Christine, 10, lebt, und fährt mit dem Rad raus, wenn es die Zeit denn zulässt. Eine Sache macht Röttcher aber besonders gern: er surft mit dem Wind. Keiner in Namibia kann das besser als er. Seit 2012 hält er mit 47,51 Knoten – 87,99 Kilometer pro Stunde (km/h) – den nationalen Rekord. Aufgestellt hat er ihn 2012 bei der Speed Challenge im Kanal von Lüderitzbucht. Seitdem war er nie wieder schneller. Er nicht und kein anderer in diesem Land. „Es ist dieses menschliche Bedürfnis, immer etwas schneller und besser sein zu wollen“, sagt Röttcher. Ein Satz, der nachklingt. Immer schneller und besser. Als man selbst – als die Konkurrenz. Röttcher, zwei Meter groß und 94 Kilogramm schwer, sagt diesen Satz mit der Erfahrung aus 33 Jahren Surfsport. Als Vierjähriger zog er, gebürtig aus Frankfurt, einst mit seinen Eltern in die namibische Hauptstadt Windhoek. Seine Eltern leben noch heute dort. Und auch Röttcher ließ die Leidenschaft für das Land nie wieder los. Seine Passion für den Surfsport entdeckte er im Alter von 13 Jahren, damals stand er bei einer Promotion-Veranstaltung in Walvis Bay erstmals auf einem Brett mit Segel. „Damals noch aus Holzgabelbaum“, erinnert er sich. Das Equipment, das Material, sagt er, sei besser geworden. „Ist ja auch lange her.“ Schon, 33 Jahre. Auch heute liebt er es, auf dem Brett zu stehen. An der Technik zu feilen. Das Wasser. Das Meer. Den Wind. Die Geschwindigkeit. Seine Spots. Vor allem in Walvis Bay. Einst lebte er vier Jahre dort. Fast jeden Tag nach der Arbeit war er in dieser Zeit hier, „wenn denn der Wind wehte“. 1,8 Kilometer entlang der Sandbank, wenige Wellen, kein Kabbelwasser. „Surfen ist reinwaschen, danach bist Du komplett gechillt“, sagt Röttcher, der sich viel Zeit lässt, um seinem Gesprächspartner die Faszination für den Sport zu erklären. Die Parameter aufzuschlüsseln. Wie wichtig es ist, dass der Wind mitspielt, aus welchem Winkel er bläst, was für eine Rolle es spielt, regelmäßig am Material zu feilen: die Finne, die Schlaufe, das Segel. All das erklärt Röttcher in aller Ausführlichkeit. Surfen ist mehr als auf einem Brett zu stehen und auf Wind zu hoffen. Surfen ist eine hochkomplexe Sportart. Für den Körper, für den Kopf. Heute tüftelt der studierte Maschinenbauingenieur mehr denn je. Zum Trainieren kommt er nur noch selten. Auch des Jobs wegen. Röttcher ist selbstständig und betreibt gemeinsam mit Partner Craig Milne das Unternehmen „Ground Rush Adventures“. Dort kann man mit dem Fallschirm seine eigene Grenze überwinden. Der Berufspilot Röttcher ist in seinem Leben über 7000 Mal von einem Flugzeug aus in die Tiefe gesprungen. Surfen, sagt er, gebe ihm heute den größeren Kick. Springen ist Routine. Surfen Reiz. Dieser Trainingsreiz ist selten geworden. „Einmal im Monat vielleicht“, sagt er, häufiger kommt er nicht an die Sandbank nach Walvis Bay oder aufs offene Meer. Viel macht er inzwischen mit der Analyse von Videos und Fotos – noch mehr mit Erfahrung. Das geht vielen Startern der Speed Challenge so. Fast alle von ihnen surfen seit Jahrzehnten. Die Jüngste in diesem Jahr ist die Schweizerin Heidi Ulrich, die mit 31 Jahren in ihre vierte Windsurf-Saison geht und das erste Mal in Lüderitzbucht am Start ist. Mit ihr und einigen weiteren Teilnehmern der Veranstaltung lebt Röttcher bei seinem langjährigen Freund Rainer Eimbeck, der in Schlagweite zum Kanal in seiner Backpacker-Unterkunft „Element Riders“ gut zwei Dutzend Sportler einquartieren kann. Der soll heute dann endlich präpariert sein, wenn der Wind denn mitspielt. Für Röttcher ist das wichtig. Bis zum 15. Oktober ist er noch hier. Dann kommt er im November zur letzten Woche der Speed Challenge noch einmal nach Lüderitzbucht. „Es ist sehr schön, sich mit den Top-Leuten messen zu können“, sagt Röttcher und lächelt dabei. Sophie Routaboul, 34, Mitorganisatorin der Speed Challenge, traut dem einzigen Namibier im Feld zu, als einer der schnellsten Fahrer der Speed Challenge die 50-Knoten-Marke zu knacken. Röttcher lächelt wieder, als er das hört. Er, der Amateur, der neben dem Beruf surft, dort die Profis, die Dunkerbecks, die tagtäglich stundenlang auf dem Brett stehen und sich voll und ganz konzentrieren können auf diesen Sport. Röttcher stapelt daher lieber tief. „48 Knoten, das ist ein Ziel und auch realistisch“, schätzt er ein. Den Kontinental-Rekord des Südafrikaners Mark Grinnell, der letztes Jahr 49, 92 Knoten (92,45 km/h) schnell surfte, hätte er damit nicht geknackt. Seinen eignen Schatten aber hätte Röttcher gewiss besiegt. Nichts anderes ist sein Ziel.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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