Schwere Vorwürfe gegen Buschschule-Leitung: Gewalt geduldet
Das Thema Gewalt an Jugendlichen der Buschschule Namibia zieht weitere Kreise. Aus neuerlichen Aussagen von Schutzbefohlenen sowie Augenzeugen ergeben sich jetzt auch schwere Vorwürfe gegen Strategie und Arbeit von hohen Verantwortlichen der Einrichtung.
Ein kürzlich bekannt gewordener Fall betrifft den Buschschule-Jugendlichen T., der noch in Namibia lebt. Dieser hatte sich Ende Februar bei einem Gespräch in der AZ-Redaktion zu dem im ersten Beitrag angesprochen Thema Gewalt geäußert. "Es wurde noch nie ein Kind geschlagen. Wenn jemandem mal die Hand ausrutscht, ist das für uns Buschschüler noch lange kein Schlagen", sagte der 16-Jährige wider besseren Wissens bzw. eigener Erfahrung. Denn T. selbst hat sich in einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom September 2002 bereits über Gewalt beklagt und dabei auch schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Buschschule erhoben. "Es ist schon einige Male passiert, dass mein ehemaliger Gastvater Lothar H. mich geschlagen hatte. Auch meine Gastmutter schlug mir durchs Gesicht. Es wurde damals von Peter Hanssen (Ex-Betreuer der Buschschule, die Red.), Tina Fritzsche (derzeit Betreuer der Buschschule) und Frau Pillmannova (Direktorin der Buschschule) befohlen, um uns Buschschüler durch Schlagen klein zu machen und dann wieder groß zu ziehen. Der Buschschule war es immer bewusst, dass einige Jugendliche geschlagen werden. Doch kümmern sie sich meist nie drum." Weiterhin berichtet der Jugendliche von seinen Erlebnissen nach der Verlegung auf eine andere Farm zu Hennie C.. "Als ich das erste Mal geschlagen (besser gesagt gehauen) wurde, unternahm die Buschschule nichts dagegen. Es war meiner Gastfamilie neu, als Klaus und Gabriele Behrens (damals Betreuer der Buschschule) ihnen erzählten, dass wir Buschschüler nicht geschlagen werden dürfen."
Auf Nachfrage, warum er diese Erfahrungen nicht schon im Gespräch mit der AZ-Redaktion genannt habe, antwortete T.: "Ich wollte das damals ansprechen, habe es aber gelassen, denn ich wollte keine schlafenden Hunde wecken." Etwas später versuchte der Jugendliche glaubhaft zu machen, dass das Schreiben unter Druck entstanden sei. "Frau Behrens hat verlangt, dass ich das Schreiben aufsetze, damit ich schneller einen Urlaub in Deutschland bekomme", so T. gegenüber der AZ. Gabriele Behrens, inzwischen von der Buschschule entlassen, sagte dazu: "Natürlich war er in Deutschland, aber bevor er das Schreiben aufgesetzt hat. Bei dem üblichen Hilfeplangespräch im Jugendamt hat er sich ebenfalls über Gewalt beschwert und eine Versetzung nach Swakopmund beantragt, die dann auch durchgesetzt wurde. Das Schreiben hat er freiwillig verfasst und uns persönlich gegeben." Über Gewalt hatte der Jugendliche schon vorher berichtet. Im Betreuerbericht vom 30.04.2002 protokollierte Frau Behrens: "Er erzählte, dass es wieder vorgekommen wäre, dass er aus einem Missverständnis heraus mit der Reitgerte verprügelt worden wäre." Gegenüber der AZ sagte der Jugendliche dazu auf Nachfrage: "Ich bin nicht mit der Reitgerte geschlagen worden."
Das für T. zuständige Amt für Jugend, Familie und Soziales in Husum (Nordfriesland) konnte nicht zur Aufklärung der beschriebenen Widersprüche beitragen. Der stellvertretende Amtsleiter, Axel Scholz, bat in einer knappen Antwort - vier Wochen nach einer entsprechenden Anfrage - um Verständis dafür, "dass ich auf Ihre im Einzelfall begründeten Fragen auch vor dem Hintergrund des Datenschutzes in diesem Zusammenhang nicht eingehen kann". Er versprach jedoch: "Sie können gewiss sein, dass ich mich der Angelegenheit annehme und ich Ihnen für Ihren Hinweis danke."
In einem weiteren Fall der vermeintlich schweren Gewalt eines Gastvaters gegen den Buschschule-Jugendlichen R. vor zwei Jahren hat jetzt ein weiterer Augenzeuge die in der AZ beschriebene Version (Artikel vom 25. März) gestützt. Henk L. hat den Vorfall, welcher sich am 16. Mai 2001 in Grootfontein vor der Autowerkstatt von Siegfried Tietz abspielte, durch Zufall beobachtet und schilderte diesen jetzt vor Ort: "Ich bin an diesem Tag an der Werkstatt vorbeigegangen. Das Szenario war schon im Gange. Der Mann hat den Jungen geschlagen und der Junge schrie: ,Polizei, Polizei. Bitte helft mir." Ich konnte sehen, dass er konfus war - er wusste nicht, was er machen sollte. Der Mann hat zu ihm etwas gesagt in der Art: ,Dich schicke ich zurück nach Deutschland." Der Junge lag auf dem Boden, sprang dann auf und versuchte wegzulaufen. Er wollte nicht ins Auto, doch der Mann hat ihn reingezerrt", so die Beobachtung des 24-Jährigen.
Die in dem ersten AZ-Artikel erwähnte Johanna Beddies bestätigte ihre in dem Beitrag gemachten Aussagen und rekonstruierte das Geschehen erneut, diesmal mit weiteren Details. Gegenüber der AZ sagte sie: "Ich hatte neben der Autowerkstatt ein Geschäft, wo ich Computerunterricht gegeben habe. An diesem Tag habe ich vor der Tür auf eine Studentin gewartet, es war so gegen 10 Uhr. R. und Sven - ein weiterer Buschschule-Jugendlicher, der bei Familie Tietz untergebracht war - saßen zuerst bei mir im Laden und sind dann wieder in die Werkstatt nach nebenan gegangen. Herr Tietz hatte erst angeboten, dass R. bei ihm bleiben kann, aber Herr van Z. (der Gastvater, die Red.) hat gesagt, dass er ihn mitnehmen wird und ihn dann vor unseren Augen verdroschen. R. lag am Boden, dann hat van Z. ihm in die Rippen getreten und auf seinen Kopf getrampelt. Die rechte Gesichtshälfte hat geblutet. Herr Tietz und Sven sind dann dazwischengegangen, um das zu beenden." Diese Gewaltdarstellung wird von der Gastmutter, zu der der damals 14-Jährige nach dem Vorfall gebracht wurde, jedoch angezweifelt. "Ich habe keine Verletzungen gesehen", sagte sie gegenüber der AZ.
Frau Beddies, die selbst vor einigen Jahren einen Buschschule-Jugendlichen als Gastmutter betreute, erklärt weiter: "Mir geht es nur darum, wie dieses Kind behandelt wurde. Ich habe diesen Vorfall bei der Polizei gemeldet, weil ich dachte, dass die Haupleitung der Buschschule dann etwas gegen Herrn van Z. unternehmen würde. Ich hörte jedoch niemals mehr etwas von der Polizei oder einem Vertreter der Buschschule über diesen Vorfall. Vielleicht ist es möglich, dass dieser Vorfall niemals der Hauptleitung der Buschschule gemeldet wurde, wie er wirklich stattgefunden hatte. Damals dachte ich, dass der Vorfall durch die richtigen Kanäle der Hauptleitung gemeldet wurde. Deswegen unternahm ich nichts weiter. Ich hörte nur, dass das Kind nicht mehr bei van Z. wohnte, und das war genug für mich." Weiterhin sagt sie: "Ich erkläre mich bereit, mit der Hauptleitung der Buschschule über diesen Vorfall zu reden, wenn sie es wollen, so dass diese Sache endlich geklärt werden kann."
Der ehemalige Betreuer von R., Peter Hanssen, hatte gegenüber der AZ gesagt, dass er seinen Bericht über den Vorfall so wie von Frau Beddies geschildert geschrieben hat, dieser aber nachträglich geändert worden sein soll. Die Buschschule Namibia hingegen bestreitet bislang, dass dieser Fall wie beschrieben stattgefunden hat. Bereits vor der ersten Veröffentlichung in der AZ hatte Buschschule-Geschäftsführer Helmuth Scharnowski in einer Stellungnahme erklärt: "Ein brutales Zusammenschlagen gab es nicht. Der Jugendliche konnte sich bei eigener Rückfrage an diese Sache nicht mal mehr erinnern", schrieb Scharnowski und wurde so auch in der Zeitung wiedergegeben.
Unterdessen gibt es eine Aussage des ehemaligen Buschschule-Jugendlichen Joshua H., die Scharnowski schwer belastet. H. sei zum Zeitpunkt, als der Geschäftsführer mit R. telefoniert habe, in dessen Büro gewesen. Der AZ sagte er: "Die Freisprechanlage war aktiviert, deshalb konnte ich das Telefonat mithören. Herr Scharnowski hat zu dem Jugendlichen gesagt: ,Hör zu, Du willst doch keine Probleme mit mir haben, also am besten ist, Du kannst Dich an nichts mehr erinnern."" Und weiter: "Anwesend im Büro waren neben Herrn Scharnowski auch Ulf Graef (die Red: Angestellter des VSPI, dessen Träger Scharnowski ist, und Mitglied des kürzlich gegründeten Untersuchungsausschusses) und meine Freundin." Diese bestätigte die Version des 24-Jährigen und fügte hinzu: "Er (Scharnowski) hat zu dem Jungen gesagt: ,Wenn jemand von der Zeitung anruft, dann sagst Du nicht, Du darfst nichts sagen, sondern Du willst nichts sagen. Sonst kriegst Du Probleme.""
Die Bitte der AZ nach der Telefonnummer des Jugendlichen, um dessen Version zu hören, lehnte Scharnowski bislang kategorisch ab. "Hiermit möchte ich Ihnen noch einmal klar und unmissverständlich mitteilen, dass wir keinerlei Adressen von Jugendämtern, Kooperationspartnern und Personensorgeberechtigten herausgeben werden. Weitere Anfragen diesbezüglich erübrigen sich", erwiderte Scharnowski nach mehreren Nachfragen. R. lebt zurzeit auf einer der AZ nicht bekannten Farm in Namibia.
Nach Aussagen der Buschschule könne es keine unentdeckten Verfehlungen in eigenen Reihen geben. Zu gern verweist Geschäftsführer Scharnowski in diesem Zusammenhang auf das Qualitätsmanagement-System (QM) und die Zertifizierung der Einrichtung nach dem Germanischen Lloyd. Ehemalige Mitarbeiter beschreiben den Alltag allerdings anders. "Was ich besonders übel finde: Frau Dr. Pillmannova ,zensiert" jeden QM-Bericht der Mitarbeiter. Das heißt, die Berichte werden von ihr gelesen bzw. korrigiert", berichtet eine Ex-Angestellte, die im Hauptbüro in Windhoek tätig war. Und weiter: "Wenn Situationen beschrieben werden, die das deutsche Jugendamt nicht hören will (Probleme, Defizite), werden sie schöngeschrieben bzw. ausgelassen." Eine ehemalige Mitarbeiterin des Verbundes sozialpädagogischer Initiativen, VSPI, zu dem die Buschschule gehört, erzählt: "Auffällig ist, dass die Buschschule chronisch überbelegt ist, Kinder/Jugendliche geschlagen werden und für die Rückkehr keine geeigneten Maßnahmen und Unterbringung vorhanden sind. Ebenso kehren die Buschschüler oftmals mit einer rassistischen Einstellung und akuten Drogenproblemen zurück." Die Unzufriedenheit scheint kein Einzelfall zu sein. Im März hatte das Flensburger Tageblatt die Buschschule-Recherche der AZ aufgenommen. In dem Beitrag heißt es unter anderm: "Von einer ungewöhnlich hohen Personalfluktuation und häufigen Konflikten zwischen der Geschäftsführung und den angestellten Sozialpädagogen und Erziehern berichten ehemalige Mitarbeiter der Einrichtungen in Flensburg, Nordgaardholz und Pivon/Tschechien (alles Projekte des VSPI, die Red)."
Inzwischen hat der Vorstand der Buschschule einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, der die öffentlich gewordenen Fälle prüfen soll. Das vierköpfige Gremium hält sich allerdings mit Informationen sehr zurück. Trotz mehrmaliger Nachfrage der AZ will der Ausschuss weder die Vornamen seiner Mitglieder mitteilen, noch einen Vorsitzenden nennen und verschweigt ebenso das berufliche Wirkungsfeld von drei Mitgliedern. Lediglich von Mitglied Ulf Graef, der als "Pädagoge und Qualitätsmanagementbeauftragter eines Kooperationspartners in Europa" bezeichnet wird, sind weitere Details bekannt. Auf Nachfrage gab er an, für den VSPI zu arbeiten und bezeichnete sich als "neutrale Person" sowie den VSPI als "völlig unabhängige Einrichtung". Recherchen ergaben aber, dass Scharnowski der Träger des VSPI ist und die Buschschule eines der Projekte dieses Verbundes (AZ berichtete).
Am vergangenen Freitag teilte das Gremium mit, dass "die Mitglieder des Untersuchungsausschusses von Seiten der Kooperationspartner der Buschschule bestätigt" wurden. Über die eigene Arbeit gab er bekannt: "Zur Abfrage der Abschlussergebnisse ... müssen wir Sie an die Organisation ,Buschschule Namibia" verweisen. (...) Teil- oder Zwischenergebnisse werden wir ... an keinen herausgeben. (...) Wann die Untersuchungen abgeschlossen sind, lässt sich noch nicht genau definieren."
Ein kürzlich bekannt gewordener Fall betrifft den Buschschule-Jugendlichen T., der noch in Namibia lebt. Dieser hatte sich Ende Februar bei einem Gespräch in der AZ-Redaktion zu dem im ersten Beitrag angesprochen Thema Gewalt geäußert. "Es wurde noch nie ein Kind geschlagen. Wenn jemandem mal die Hand ausrutscht, ist das für uns Buschschüler noch lange kein Schlagen", sagte der 16-Jährige wider besseren Wissens bzw. eigener Erfahrung. Denn T. selbst hat sich in einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom September 2002 bereits über Gewalt beklagt und dabei auch schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Buschschule erhoben. "Es ist schon einige Male passiert, dass mein ehemaliger Gastvater Lothar H. mich geschlagen hatte. Auch meine Gastmutter schlug mir durchs Gesicht. Es wurde damals von Peter Hanssen (Ex-Betreuer der Buschschule, die Red.), Tina Fritzsche (derzeit Betreuer der Buschschule) und Frau Pillmannova (Direktorin der Buschschule) befohlen, um uns Buschschüler durch Schlagen klein zu machen und dann wieder groß zu ziehen. Der Buschschule war es immer bewusst, dass einige Jugendliche geschlagen werden. Doch kümmern sie sich meist nie drum." Weiterhin berichtet der Jugendliche von seinen Erlebnissen nach der Verlegung auf eine andere Farm zu Hennie C.. "Als ich das erste Mal geschlagen (besser gesagt gehauen) wurde, unternahm die Buschschule nichts dagegen. Es war meiner Gastfamilie neu, als Klaus und Gabriele Behrens (damals Betreuer der Buschschule) ihnen erzählten, dass wir Buschschüler nicht geschlagen werden dürfen."
Auf Nachfrage, warum er diese Erfahrungen nicht schon im Gespräch mit der AZ-Redaktion genannt habe, antwortete T.: "Ich wollte das damals ansprechen, habe es aber gelassen, denn ich wollte keine schlafenden Hunde wecken." Etwas später versuchte der Jugendliche glaubhaft zu machen, dass das Schreiben unter Druck entstanden sei. "Frau Behrens hat verlangt, dass ich das Schreiben aufsetze, damit ich schneller einen Urlaub in Deutschland bekomme", so T. gegenüber der AZ. Gabriele Behrens, inzwischen von der Buschschule entlassen, sagte dazu: "Natürlich war er in Deutschland, aber bevor er das Schreiben aufgesetzt hat. Bei dem üblichen Hilfeplangespräch im Jugendamt hat er sich ebenfalls über Gewalt beschwert und eine Versetzung nach Swakopmund beantragt, die dann auch durchgesetzt wurde. Das Schreiben hat er freiwillig verfasst und uns persönlich gegeben." Über Gewalt hatte der Jugendliche schon vorher berichtet. Im Betreuerbericht vom 30.04.2002 protokollierte Frau Behrens: "Er erzählte, dass es wieder vorgekommen wäre, dass er aus einem Missverständnis heraus mit der Reitgerte verprügelt worden wäre." Gegenüber der AZ sagte der Jugendliche dazu auf Nachfrage: "Ich bin nicht mit der Reitgerte geschlagen worden."
Das für T. zuständige Amt für Jugend, Familie und Soziales in Husum (Nordfriesland) konnte nicht zur Aufklärung der beschriebenen Widersprüche beitragen. Der stellvertretende Amtsleiter, Axel Scholz, bat in einer knappen Antwort - vier Wochen nach einer entsprechenden Anfrage - um Verständis dafür, "dass ich auf Ihre im Einzelfall begründeten Fragen auch vor dem Hintergrund des Datenschutzes in diesem Zusammenhang nicht eingehen kann". Er versprach jedoch: "Sie können gewiss sein, dass ich mich der Angelegenheit annehme und ich Ihnen für Ihren Hinweis danke."
In einem weiteren Fall der vermeintlich schweren Gewalt eines Gastvaters gegen den Buschschule-Jugendlichen R. vor zwei Jahren hat jetzt ein weiterer Augenzeuge die in der AZ beschriebene Version (Artikel vom 25. März) gestützt. Henk L. hat den Vorfall, welcher sich am 16. Mai 2001 in Grootfontein vor der Autowerkstatt von Siegfried Tietz abspielte, durch Zufall beobachtet und schilderte diesen jetzt vor Ort: "Ich bin an diesem Tag an der Werkstatt vorbeigegangen. Das Szenario war schon im Gange. Der Mann hat den Jungen geschlagen und der Junge schrie: ,Polizei, Polizei. Bitte helft mir." Ich konnte sehen, dass er konfus war - er wusste nicht, was er machen sollte. Der Mann hat zu ihm etwas gesagt in der Art: ,Dich schicke ich zurück nach Deutschland." Der Junge lag auf dem Boden, sprang dann auf und versuchte wegzulaufen. Er wollte nicht ins Auto, doch der Mann hat ihn reingezerrt", so die Beobachtung des 24-Jährigen.
Die in dem ersten AZ-Artikel erwähnte Johanna Beddies bestätigte ihre in dem Beitrag gemachten Aussagen und rekonstruierte das Geschehen erneut, diesmal mit weiteren Details. Gegenüber der AZ sagte sie: "Ich hatte neben der Autowerkstatt ein Geschäft, wo ich Computerunterricht gegeben habe. An diesem Tag habe ich vor der Tür auf eine Studentin gewartet, es war so gegen 10 Uhr. R. und Sven - ein weiterer Buschschule-Jugendlicher, der bei Familie Tietz untergebracht war - saßen zuerst bei mir im Laden und sind dann wieder in die Werkstatt nach nebenan gegangen. Herr Tietz hatte erst angeboten, dass R. bei ihm bleiben kann, aber Herr van Z. (der Gastvater, die Red.) hat gesagt, dass er ihn mitnehmen wird und ihn dann vor unseren Augen verdroschen. R. lag am Boden, dann hat van Z. ihm in die Rippen getreten und auf seinen Kopf getrampelt. Die rechte Gesichtshälfte hat geblutet. Herr Tietz und Sven sind dann dazwischengegangen, um das zu beenden." Diese Gewaltdarstellung wird von der Gastmutter, zu der der damals 14-Jährige nach dem Vorfall gebracht wurde, jedoch angezweifelt. "Ich habe keine Verletzungen gesehen", sagte sie gegenüber der AZ.
Frau Beddies, die selbst vor einigen Jahren einen Buschschule-Jugendlichen als Gastmutter betreute, erklärt weiter: "Mir geht es nur darum, wie dieses Kind behandelt wurde. Ich habe diesen Vorfall bei der Polizei gemeldet, weil ich dachte, dass die Haupleitung der Buschschule dann etwas gegen Herrn van Z. unternehmen würde. Ich hörte jedoch niemals mehr etwas von der Polizei oder einem Vertreter der Buschschule über diesen Vorfall. Vielleicht ist es möglich, dass dieser Vorfall niemals der Hauptleitung der Buschschule gemeldet wurde, wie er wirklich stattgefunden hatte. Damals dachte ich, dass der Vorfall durch die richtigen Kanäle der Hauptleitung gemeldet wurde. Deswegen unternahm ich nichts weiter. Ich hörte nur, dass das Kind nicht mehr bei van Z. wohnte, und das war genug für mich." Weiterhin sagt sie: "Ich erkläre mich bereit, mit der Hauptleitung der Buschschule über diesen Vorfall zu reden, wenn sie es wollen, so dass diese Sache endlich geklärt werden kann."
Der ehemalige Betreuer von R., Peter Hanssen, hatte gegenüber der AZ gesagt, dass er seinen Bericht über den Vorfall so wie von Frau Beddies geschildert geschrieben hat, dieser aber nachträglich geändert worden sein soll. Die Buschschule Namibia hingegen bestreitet bislang, dass dieser Fall wie beschrieben stattgefunden hat. Bereits vor der ersten Veröffentlichung in der AZ hatte Buschschule-Geschäftsführer Helmuth Scharnowski in einer Stellungnahme erklärt: "Ein brutales Zusammenschlagen gab es nicht. Der Jugendliche konnte sich bei eigener Rückfrage an diese Sache nicht mal mehr erinnern", schrieb Scharnowski und wurde so auch in der Zeitung wiedergegeben.
Unterdessen gibt es eine Aussage des ehemaligen Buschschule-Jugendlichen Joshua H., die Scharnowski schwer belastet. H. sei zum Zeitpunkt, als der Geschäftsführer mit R. telefoniert habe, in dessen Büro gewesen. Der AZ sagte er: "Die Freisprechanlage war aktiviert, deshalb konnte ich das Telefonat mithören. Herr Scharnowski hat zu dem Jugendlichen gesagt: ,Hör zu, Du willst doch keine Probleme mit mir haben, also am besten ist, Du kannst Dich an nichts mehr erinnern."" Und weiter: "Anwesend im Büro waren neben Herrn Scharnowski auch Ulf Graef (die Red: Angestellter des VSPI, dessen Träger Scharnowski ist, und Mitglied des kürzlich gegründeten Untersuchungsausschusses) und meine Freundin." Diese bestätigte die Version des 24-Jährigen und fügte hinzu: "Er (Scharnowski) hat zu dem Jungen gesagt: ,Wenn jemand von der Zeitung anruft, dann sagst Du nicht, Du darfst nichts sagen, sondern Du willst nichts sagen. Sonst kriegst Du Probleme.""
Die Bitte der AZ nach der Telefonnummer des Jugendlichen, um dessen Version zu hören, lehnte Scharnowski bislang kategorisch ab. "Hiermit möchte ich Ihnen noch einmal klar und unmissverständlich mitteilen, dass wir keinerlei Adressen von Jugendämtern, Kooperationspartnern und Personensorgeberechtigten herausgeben werden. Weitere Anfragen diesbezüglich erübrigen sich", erwiderte Scharnowski nach mehreren Nachfragen. R. lebt zurzeit auf einer der AZ nicht bekannten Farm in Namibia.
Nach Aussagen der Buschschule könne es keine unentdeckten Verfehlungen in eigenen Reihen geben. Zu gern verweist Geschäftsführer Scharnowski in diesem Zusammenhang auf das Qualitätsmanagement-System (QM) und die Zertifizierung der Einrichtung nach dem Germanischen Lloyd. Ehemalige Mitarbeiter beschreiben den Alltag allerdings anders. "Was ich besonders übel finde: Frau Dr. Pillmannova ,zensiert" jeden QM-Bericht der Mitarbeiter. Das heißt, die Berichte werden von ihr gelesen bzw. korrigiert", berichtet eine Ex-Angestellte, die im Hauptbüro in Windhoek tätig war. Und weiter: "Wenn Situationen beschrieben werden, die das deutsche Jugendamt nicht hören will (Probleme, Defizite), werden sie schöngeschrieben bzw. ausgelassen." Eine ehemalige Mitarbeiterin des Verbundes sozialpädagogischer Initiativen, VSPI, zu dem die Buschschule gehört, erzählt: "Auffällig ist, dass die Buschschule chronisch überbelegt ist, Kinder/Jugendliche geschlagen werden und für die Rückkehr keine geeigneten Maßnahmen und Unterbringung vorhanden sind. Ebenso kehren die Buschschüler oftmals mit einer rassistischen Einstellung und akuten Drogenproblemen zurück." Die Unzufriedenheit scheint kein Einzelfall zu sein. Im März hatte das Flensburger Tageblatt die Buschschule-Recherche der AZ aufgenommen. In dem Beitrag heißt es unter anderm: "Von einer ungewöhnlich hohen Personalfluktuation und häufigen Konflikten zwischen der Geschäftsführung und den angestellten Sozialpädagogen und Erziehern berichten ehemalige Mitarbeiter der Einrichtungen in Flensburg, Nordgaardholz und Pivon/Tschechien (alles Projekte des VSPI, die Red)."
Inzwischen hat der Vorstand der Buschschule einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, der die öffentlich gewordenen Fälle prüfen soll. Das vierköpfige Gremium hält sich allerdings mit Informationen sehr zurück. Trotz mehrmaliger Nachfrage der AZ will der Ausschuss weder die Vornamen seiner Mitglieder mitteilen, noch einen Vorsitzenden nennen und verschweigt ebenso das berufliche Wirkungsfeld von drei Mitgliedern. Lediglich von Mitglied Ulf Graef, der als "Pädagoge und Qualitätsmanagementbeauftragter eines Kooperationspartners in Europa" bezeichnet wird, sind weitere Details bekannt. Auf Nachfrage gab er an, für den VSPI zu arbeiten und bezeichnete sich als "neutrale Person" sowie den VSPI als "völlig unabhängige Einrichtung". Recherchen ergaben aber, dass Scharnowski der Träger des VSPI ist und die Buschschule eines der Projekte dieses Verbundes (AZ berichtete).
Am vergangenen Freitag teilte das Gremium mit, dass "die Mitglieder des Untersuchungsausschusses von Seiten der Kooperationspartner der Buschschule bestätigt" wurden. Über die eigene Arbeit gab er bekannt: "Zur Abfrage der Abschlussergebnisse ... müssen wir Sie an die Organisation ,Buschschule Namibia" verweisen. (...) Teil- oder Zwischenergebnisse werden wir ... an keinen herausgeben. (...) Wann die Untersuchungen abgeschlossen sind, lässt sich noch nicht genau definieren."
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Allgemeine Zeitung
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