Selbstbewusst und „im Alarmzustand“: Chinas KP feiert 100. Geburtstag
Peking (dpa) - Zu ihrem 100. Geburtstag scheint die Kommunistische Partei Chinas in ihrer Machtstellung unangreifbarer als je zuvor. In ihrer Geschichte hat die Partei viele Wirren durchgemacht, das Land unter dem Revolutionär Mao Tsetung ins Chaos gestürzt - doch heute strotzt Chinas Führung nur so vor Selbstbewusstsein. „Der Osten steigt auf, während der Westen im Niedergang ist“, wird Xi Jinping gerne zitiert. Der Staats- und Parteichef will mit den großen Jubiläumsfeiern am 1. Juli einen Spitzenplatz in Chinas langer Geschichte einnehmen.
Die Unberechenbarkeit der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA, die häufig demonstrierte Unentschlossenheit des freiheitlichen Westens im Umgang mit der Corona-Pandemie, die Risse in der alten Weltordnung werten die Ideologen in Peking als Beweise dafür, dass China den Systemwettbewerb eigentlich längst gewonnen habe. Vom „Kontrast zwischen der Ordnung in China und dem Chaos im Westen“ ist die Rede.
Mit Stolz wird der Welt demonstriert, dass China das Coronavirus im Griff habe. Seit einem Jahr läuft das Leben wieder normal. Es herrscht eine strenge „Null-Covid-Politik“. Nur vereinzelt gibt es kleinere Ausbrüche, die erfolgreich mit Massentests, Ausgangssperren, Quarantäneregeln und Kontaktverfolgung bekämpft werden. Mit strikten Beschränkungen und Quarantäne bei der Einreise schottet sich das Land ab, was auch den - schon seit Jahren feststellbaren - politischen Trend verstärkt, die Präsenz von Ausländern und den Einfluss westlicher Normen und Werte im Land zu reduzieren.
Die Spannungen mit dem Ausland sind akuter denn je in der jüngeren Geschichte Chinas. Das Bild der Volksrepublik unter den Völkern der Welt ist so schlecht wie lange nicht. Die zweitstärkste Wirtschaftsmacht wird weithin als Rivale und als Bedrohung wahrgenommen. Die China-Euphorie der Reform- und Öffnungszeit ist verflogen. Unfaire Handelspraktiken, Menschenrechtsverstöße gegenüber Minderheiten wie Uiguren und Tibetern, Säbelrasseln gegenüber dem freiheitlichen Taiwan, militärische Muskelspiele im Südchinesischen Meer und die Unterdrückung der Demokraten in Hongkong - all das lässt Sympathien schwinden.
In Chinas Diplomatie geben zunehmend „Wolfskrieger“ einen bissigen Ton an - außenpolitische Sprachrohre der Führung in Peking, die vor allem in sozialen Medien mit ungewohnt hartem und teils aggressivem Auftreten Stimmung machen gegen vermeintliche „Volksfeinde“. Dass der neue US-Präsident Joe Biden das Vertrauen in die Demokratie und in die Führung der Vereinigten Staaten wiederherstellt und die internationale Kooperation auch gegenüber China wiederbelebt, wird als „Block- und Machtpolitik“ oder „Mentalität des Kalten Krieges“ verurteilt. Der Gegensatz zwischen Totalitarismus und Demokratie bestimmt die neue Weltordnung mit dem aufstrebenden China.
Auch wenn die Partei fest im Sattel sitze, reite sie doch durch risikoreiches Terrain, findet der frühere Politikprofessor Wu Qiang. „Es besteht die Gefahr, jederzeit von einem Berghang zu stürzen“, so der Experte, den die Tsinghua-Universität wegen seiner kritischen Haltung entlassen hat. „Die größte Gefahr für China ist die internationale Isolation, in die es geraten ist.“ Und das Land verschließe sich weiter. „China wird sich von der Globalisierung entkoppeln.“
Zurück in die Zukunft? Die Partei setzt wieder auf Ideologisierung und revolutionäre Mobilisierung, um chronische Probleme wie Bürokratie und Korruption zu bekämpfen. Ließen frühere Parteichefs wie Hu Jintao und Jiang Zemin noch Freiräume zu, werden unter Xi Jinping alle abweichenden Stimmen zum Schweigen gebracht. Das System erscheine nur so stabil, weil Xi Jinping mit harter Hand regiere, nicht weil es wirklich so robust sei, sagt der Botschafter eines wichtigen Landes. Es herrsche „ein Klima der Angst“.
„Die kollektive Angst durchdringt alles und dient Chinas Herrschern bei der Ausübung der Macht“, sagt auch Professor Wu Qiang, der zu den letzten mutigen Stimmen gehört. Wie eine Religion werde die Verehrung der Partei „gottgleich“ vorangetrieben. Chinas gegenwärtiges System sei „konfrontativ“. Die Gefahr eines militärischen Konflikts um das als Teil der Volksrepublik betrachtete demokratische Taiwan oder im umstrittenen Südchinesischen Meer nehme zu, warnt er.
Die Partei schürt Nationalstolz als gesellschaftliche Bindekraft. „Rote Gene“ zählen wieder. Nicht nur für die 90 Millionen Parteimitglieder. Die Partei will sich sogar den Traum erfüllen, im Weltall in seiner künftigen Raumstation „Tiangong“ (Himmelspalast) eine KP-Zelle zu gründen. Die drei Astronauten, die zur Jubiläumsfeier die Erde umkreisen, sind alle Parteimitglieder.
Millionen Chinesen, darunter immer mehr Jüngere, pilgern zu Revolutionsstätten, Denkmälern, Geburtsorten kommunistischer Führer und sogar zu Bäumen, die diese gepflanzt haben sollen. „Roter Tourismus“ habe 2019 umgerechnet 52 Milliarden Euro in die Kassen der Reisebranche gespült, verkündet stolz das Außenministerium. Wer das „Heilige Land der Revolution“ besuche, „wird niemals vergessen, wo wir herkommen“, hieß es: „Von klein zu groß, von schwach zu stark.“
Unter der Ein-Mann-Herrschaft von Xi Jinping, den ein Personenkult wie zu Maos unheilvollen Zeiten umgibt, gehört alle Macht wieder der Partei. Sie lenkt den Staatskapitalismus, treibt die Digitalisierung voran, nutzt ganze Datenberge für Überwachungszwecke. Der Machtapparat bedient sich bei den Internetriesen, bewertet die Vertrauenswürdigkeit seiner Untertanen und Unternehmen über ein „Sozialpunktesystem“. Kritiker warnen, China schaffe die erste „Digitaldiktatur“ der Welt.
Dass die Partei unangefochten ist, hat auch ökonomische Gründe. Sie liefert bislang ungekannten Wohlstand - oder gibt dem Einzelnen zumindest das Gefühl, dass die Zukunft besser werden kann, auch wenn die Kluft zwischen Arm und Reich nur noch größer wird.
So selbstbewusst sich die Parteiführung aber gibt, so sehr ist sie sich der Anfälligkeit des von ihr geschaffenen Systems bewusst. „China unter Xi Jinping ist im Alarmzustand, was internationale Beobachter oft übersehen“, sagt Miko Huotari, Chef des China-Instituts Merics in Berlin. „Xi Jinpings immer fester verwurzelte Herrschaftsphilosophie ist um Krisenverhinderung und Risikomanagement gebaut.“
Die Unberechenbarkeit der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA, die häufig demonstrierte Unentschlossenheit des freiheitlichen Westens im Umgang mit der Corona-Pandemie, die Risse in der alten Weltordnung werten die Ideologen in Peking als Beweise dafür, dass China den Systemwettbewerb eigentlich längst gewonnen habe. Vom „Kontrast zwischen der Ordnung in China und dem Chaos im Westen“ ist die Rede.
Mit Stolz wird der Welt demonstriert, dass China das Coronavirus im Griff habe. Seit einem Jahr läuft das Leben wieder normal. Es herrscht eine strenge „Null-Covid-Politik“. Nur vereinzelt gibt es kleinere Ausbrüche, die erfolgreich mit Massentests, Ausgangssperren, Quarantäneregeln und Kontaktverfolgung bekämpft werden. Mit strikten Beschränkungen und Quarantäne bei der Einreise schottet sich das Land ab, was auch den - schon seit Jahren feststellbaren - politischen Trend verstärkt, die Präsenz von Ausländern und den Einfluss westlicher Normen und Werte im Land zu reduzieren.
Die Spannungen mit dem Ausland sind akuter denn je in der jüngeren Geschichte Chinas. Das Bild der Volksrepublik unter den Völkern der Welt ist so schlecht wie lange nicht. Die zweitstärkste Wirtschaftsmacht wird weithin als Rivale und als Bedrohung wahrgenommen. Die China-Euphorie der Reform- und Öffnungszeit ist verflogen. Unfaire Handelspraktiken, Menschenrechtsverstöße gegenüber Minderheiten wie Uiguren und Tibetern, Säbelrasseln gegenüber dem freiheitlichen Taiwan, militärische Muskelspiele im Südchinesischen Meer und die Unterdrückung der Demokraten in Hongkong - all das lässt Sympathien schwinden.
In Chinas Diplomatie geben zunehmend „Wolfskrieger“ einen bissigen Ton an - außenpolitische Sprachrohre der Führung in Peking, die vor allem in sozialen Medien mit ungewohnt hartem und teils aggressivem Auftreten Stimmung machen gegen vermeintliche „Volksfeinde“. Dass der neue US-Präsident Joe Biden das Vertrauen in die Demokratie und in die Führung der Vereinigten Staaten wiederherstellt und die internationale Kooperation auch gegenüber China wiederbelebt, wird als „Block- und Machtpolitik“ oder „Mentalität des Kalten Krieges“ verurteilt. Der Gegensatz zwischen Totalitarismus und Demokratie bestimmt die neue Weltordnung mit dem aufstrebenden China.
Auch wenn die Partei fest im Sattel sitze, reite sie doch durch risikoreiches Terrain, findet der frühere Politikprofessor Wu Qiang. „Es besteht die Gefahr, jederzeit von einem Berghang zu stürzen“, so der Experte, den die Tsinghua-Universität wegen seiner kritischen Haltung entlassen hat. „Die größte Gefahr für China ist die internationale Isolation, in die es geraten ist.“ Und das Land verschließe sich weiter. „China wird sich von der Globalisierung entkoppeln.“
Zurück in die Zukunft? Die Partei setzt wieder auf Ideologisierung und revolutionäre Mobilisierung, um chronische Probleme wie Bürokratie und Korruption zu bekämpfen. Ließen frühere Parteichefs wie Hu Jintao und Jiang Zemin noch Freiräume zu, werden unter Xi Jinping alle abweichenden Stimmen zum Schweigen gebracht. Das System erscheine nur so stabil, weil Xi Jinping mit harter Hand regiere, nicht weil es wirklich so robust sei, sagt der Botschafter eines wichtigen Landes. Es herrsche „ein Klima der Angst“.
„Die kollektive Angst durchdringt alles und dient Chinas Herrschern bei der Ausübung der Macht“, sagt auch Professor Wu Qiang, der zu den letzten mutigen Stimmen gehört. Wie eine Religion werde die Verehrung der Partei „gottgleich“ vorangetrieben. Chinas gegenwärtiges System sei „konfrontativ“. Die Gefahr eines militärischen Konflikts um das als Teil der Volksrepublik betrachtete demokratische Taiwan oder im umstrittenen Südchinesischen Meer nehme zu, warnt er.
Die Partei schürt Nationalstolz als gesellschaftliche Bindekraft. „Rote Gene“ zählen wieder. Nicht nur für die 90 Millionen Parteimitglieder. Die Partei will sich sogar den Traum erfüllen, im Weltall in seiner künftigen Raumstation „Tiangong“ (Himmelspalast) eine KP-Zelle zu gründen. Die drei Astronauten, die zur Jubiläumsfeier die Erde umkreisen, sind alle Parteimitglieder.
Millionen Chinesen, darunter immer mehr Jüngere, pilgern zu Revolutionsstätten, Denkmälern, Geburtsorten kommunistischer Führer und sogar zu Bäumen, die diese gepflanzt haben sollen. „Roter Tourismus“ habe 2019 umgerechnet 52 Milliarden Euro in die Kassen der Reisebranche gespült, verkündet stolz das Außenministerium. Wer das „Heilige Land der Revolution“ besuche, „wird niemals vergessen, wo wir herkommen“, hieß es: „Von klein zu groß, von schwach zu stark.“
Unter der Ein-Mann-Herrschaft von Xi Jinping, den ein Personenkult wie zu Maos unheilvollen Zeiten umgibt, gehört alle Macht wieder der Partei. Sie lenkt den Staatskapitalismus, treibt die Digitalisierung voran, nutzt ganze Datenberge für Überwachungszwecke. Der Machtapparat bedient sich bei den Internetriesen, bewertet die Vertrauenswürdigkeit seiner Untertanen und Unternehmen über ein „Sozialpunktesystem“. Kritiker warnen, China schaffe die erste „Digitaldiktatur“ der Welt.
Dass die Partei unangefochten ist, hat auch ökonomische Gründe. Sie liefert bislang ungekannten Wohlstand - oder gibt dem Einzelnen zumindest das Gefühl, dass die Zukunft besser werden kann, auch wenn die Kluft zwischen Arm und Reich nur noch größer wird.
So selbstbewusst sich die Parteiführung aber gibt, so sehr ist sie sich der Anfälligkeit des von ihr geschaffenen Systems bewusst. „China unter Xi Jinping ist im Alarmzustand, was internationale Beobachter oft übersehen“, sagt Miko Huotari, Chef des China-Instituts Merics in Berlin. „Xi Jinpings immer fester verwurzelte Herrschaftsphilosophie ist um Krisenverhinderung und Risikomanagement gebaut.“
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Allgemeine Zeitung
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