Seltsame Erinnerungskultur
Der AZ vom 12. Dezember ist zu entnehmen, dass sich die Kriegsgräberfürsorge inzwischen zu einer "Kriegs- und Mördergräberfürsorge" entwickelt hat. Wie anders ist sonst zu verstehen, dass sie den beiden Mördern Fidel Falk und Bruno Sommer, die 1912 den Polizeiwachtmeister Strunck ermordet hatten, die Gräber hergerichtet und mit Grabplatten versehen haben, die jeweils mit den Geburtsdaten der Mörder und dem Hinweis "gehängt am 12.12.1912" versehen wurden?
Den Hintergrund dieses kriminalistischen Kapitels der Geschichte von Deutsch-Südwestafrika ist in dem bemerkenswerten Buch "Raubmord 1912" von Dr. K.F.R. Budack nachzulesen. Dieses Werk stellt die erschütternden Falk- und Sommermorde und deren dramatisches juristisches Nachspiel objektiv und erschöpfend dar. Als Falk und Sommer nach ihrer Hinrichtung in unmarkierten Gräbern bestattet wurden, war dieses die Handlungsweise einer Gesellschaft, die damit ihre Abscheu, Ablehnung und Sanktion einer unrühmlichen Tat zum Ausdruck brachte. Die Untaten der beiden Missetäter waren durch ihren Strafprozess, ihre Verurteilung und Hinrichtung gesühnt, die Erinnerung an ihre Namen sollte ausgelöscht werden. Symbolisch hierfür die Bestattung in unmarkierten Gräbern, die Ausrichtung der Gräber nach Westen, wodurch auch die Kirche ihre Ablehnung der Beiden darstellte, indem sie die für Christen übliche Bestattungsweise verweigerte. Dadurch, dass keine Grabsteine errichtet wurden, sollte auch ein symbolischer Abstand zu den anderen auf dem alten Friedhof Bestatteten hergestellt werden.
Die Vorgehensweise der Kriegsgräberfürsorge ist insofern unerklärlich, als dass (a) Falk und Sommer keine Soldaten waren, (b) es bewusst gehalten war, ihnen - aus guten Gründen - die üblichen Bestattungsformen und -riten zu verweigern und (c) dass sich 100 Jahre später ausgerechnet die K.G.F. für die Herrichtung der Gräber bemüht. Warum nicht z.B. die Angehörigen der beiden Mörder? Waren die Angehörigen einverstanden mit der Herrichtung der Gräber? Wie steht eigentlich die Kirche zu solchen Fragen?
Zudem ist die Wortwahl der Grabinschriften "gehängt...1912" geschmackslos. Warum nicht eher "exekutiert am", "gerichtet aufgrund" oder dergleichen? Eigenartig auch, dass Falk und Sommer auf den Grabplatten als "Gärtner" und "Farmverwalter" tituliert wurden. Unbescholtene Bürger, die also nur so ganz nebenbei eingebrochen sind, vergewaltigt und gemordet haben? Gerade Grabinschriften sind aufgrund ihrer extemen Kürze und profunden Bedeutung - immerhin wird mit dem Namen sowie in den Geburts- und Sterbedaten das ganze Leben eines Menschen angedeutet - in jeder Hinsicht mit Emotionen beladen. Wie immer man es auch drehen mag, wird eine angemessene Grabinschrift der beiden Mörder Falk und Sommer problematisch bleiben. Darum hat man ihnen auch keine Grabsteine errichtet.
Wir scheinen in Namibia eine eigenartige Erinnerungskultur zu entwickeln. Die Erinnerungstafeln für gefallene Soldaten werden in den Staub getreten, bedeutende Denkmäler werden "verschoben", die Kirche wird in den Schatten von siloartigen Monstren gestellt. Die Gräber der Mörder werden hergerichtet. Was ist als nächstes zu erwarten: Denkmäler für Vergewaltiger? Sondermarken für Kinderschänder?
Dr. Andreas Vogt, Windhoek
Den Hintergrund dieses kriminalistischen Kapitels der Geschichte von Deutsch-Südwestafrika ist in dem bemerkenswerten Buch "Raubmord 1912" von Dr. K.F.R. Budack nachzulesen. Dieses Werk stellt die erschütternden Falk- und Sommermorde und deren dramatisches juristisches Nachspiel objektiv und erschöpfend dar. Als Falk und Sommer nach ihrer Hinrichtung in unmarkierten Gräbern bestattet wurden, war dieses die Handlungsweise einer Gesellschaft, die damit ihre Abscheu, Ablehnung und Sanktion einer unrühmlichen Tat zum Ausdruck brachte. Die Untaten der beiden Missetäter waren durch ihren Strafprozess, ihre Verurteilung und Hinrichtung gesühnt, die Erinnerung an ihre Namen sollte ausgelöscht werden. Symbolisch hierfür die Bestattung in unmarkierten Gräbern, die Ausrichtung der Gräber nach Westen, wodurch auch die Kirche ihre Ablehnung der Beiden darstellte, indem sie die für Christen übliche Bestattungsweise verweigerte. Dadurch, dass keine Grabsteine errichtet wurden, sollte auch ein symbolischer Abstand zu den anderen auf dem alten Friedhof Bestatteten hergestellt werden.
Die Vorgehensweise der Kriegsgräberfürsorge ist insofern unerklärlich, als dass (a) Falk und Sommer keine Soldaten waren, (b) es bewusst gehalten war, ihnen - aus guten Gründen - die üblichen Bestattungsformen und -riten zu verweigern und (c) dass sich 100 Jahre später ausgerechnet die K.G.F. für die Herrichtung der Gräber bemüht. Warum nicht z.B. die Angehörigen der beiden Mörder? Waren die Angehörigen einverstanden mit der Herrichtung der Gräber? Wie steht eigentlich die Kirche zu solchen Fragen?
Zudem ist die Wortwahl der Grabinschriften "gehängt...1912" geschmackslos. Warum nicht eher "exekutiert am", "gerichtet aufgrund" oder dergleichen? Eigenartig auch, dass Falk und Sommer auf den Grabplatten als "Gärtner" und "Farmverwalter" tituliert wurden. Unbescholtene Bürger, die also nur so ganz nebenbei eingebrochen sind, vergewaltigt und gemordet haben? Gerade Grabinschriften sind aufgrund ihrer extemen Kürze und profunden Bedeutung - immerhin wird mit dem Namen sowie in den Geburts- und Sterbedaten das ganze Leben eines Menschen angedeutet - in jeder Hinsicht mit Emotionen beladen. Wie immer man es auch drehen mag, wird eine angemessene Grabinschrift der beiden Mörder Falk und Sommer problematisch bleiben. Darum hat man ihnen auch keine Grabsteine errichtet.
Wir scheinen in Namibia eine eigenartige Erinnerungskultur zu entwickeln. Die Erinnerungstafeln für gefallene Soldaten werden in den Staub getreten, bedeutende Denkmäler werden "verschoben", die Kirche wird in den Schatten von siloartigen Monstren gestellt. Die Gräber der Mörder werden hergerichtet. Was ist als nächstes zu erwarten: Denkmäler für Vergewaltiger? Sondermarken für Kinderschänder?
Dr. Andreas Vogt, Windhoek
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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