Showdown der Küchenmeister
Vielleicht doch rote Zwiebeln? David Thomas schaut nachdenklich auf den Inhalt der durchsichtigen Plastikschachtel, die er in der Hand hält. Dann stellt er sie zurück ins Supermarktregal, fasst in die Hosentasche seiner Jeans, fummelt kurz darin herum und zieht schließlich sein Handy heraus. Jo-Andri (24), Stallin (24) und Jeandre (23) gruppieren sich nun ebenfalls um das Smartphone, während ihr französischer Coach mit flinken Fingern über das Display streicht. Schließlich hat er gefunden, wonach er gesucht hat: Acht Augen mustern das Foto eines saftig-rötlichen Ribeye-Steaks, das teils auf einer orangefarbenen Kürbispaste ruht, teils in einer schon fast schwarzen Rotweinsoße badet. Einige leicht beige Cremetupfer verteilen sich auf dem Teller – und auch eine weiße Zwiebel ist zu sehen. Thomas tippt zugleich mit Daumen und Zeigefinger auf das Gemüse, bevor er beide Finger auseinanderzieht. Sofort vergrößert sich die Knolle auf dem Display. „Also Leute, ich würde sagen, wir nehmen doch rote Zwiebeln. Die sind süßlicher und schmecken besser“, meint er schließlich. Seine drei jungen Begleiter nicken. David Thomas wischt wieder auf dem Bildschirm herum, verschiedene Details des Speisetellers fliegen vorbei. „Sieht auch schöner aus – passt viel besser zum Gesamtbild“, kommentiert er. Ein Klick auf die Tastensperre und der Bildschirm verdunkelt sich wieder. Gekauft!
Zwar haben die namibischen Jungköche Jo-Andri Pretorius, Stallin Steenkamp und Jeandre-Paul Basson ihr Menü nun schon siebenmal zubereitet, doch selbst jetzt – auf der Zielgeraden – ändern sie noch kleine Details. Immerhin messen sie beim morgigen African Culinary Cup ihre Kochkünste mit den talentiertesten jungen Berufskollegen des Kontinents – da muss jedes Salzkorn auf der richtigen Stelle landen. „Morgen ist D-Day“, sagt Teamcoach David Thomas. Dass der große Showdown der Küchenmeister dieses Jahr ausgerechnet daheim in Windhoek stattfindet, mindert den Erfolgsdruck nicht.
Doch jetzt müssen die fünf konkurrierenden Teams erst einmal ihre Zutaten besorgen. Die Ausgangslage ist bei allen gleich: Seehecht zur Vorspeise, Ribeye-Steak zum Hauptgang und Datteln zum Dessert sind Pflicht. Was die Kochkünstler konkret daraus zaubern, bleibt ihnen aber selbst überlassen – für 1000 N$ dürfen sie jeweils nach eigenem Gusto einkaufen.
15 weiße Kochwesten wuseln deshalb durch die Gänge eines Supermarktes. Vor allem die Gäste aus Ägypten und Mauritius wirken nervös. Hier in Namibia sind einige Zutaten aus der Saison, die sie fest in ihr Menü eingeplant haben – Basilikum beispielsweise. Das hiesige Team hat sich derweil zwischen zwei Supermarktregalen verbarrikadiert. Jo-Andri hält die Zutatenliste in der Hand und liest stoisch jeden einzelnen Posten vor. Stallin kramt derweil im Einkaufswagen herum und überprüft, ob alles da ist. „Orangen“ – „Check“, „Tomaten“ – „Check“, „Blauer Käse“ – „Check“. Jeandre steht etwas abseits und beobachtet die Szenerie. „Wenn man denkt, dass man alles hat, dann fehlt immer eine Kleinigkeit“, schmunzelt er.
Seit Anfang August bereiten sich die drei Windhoeker nun schon auf den Wettbewerb vor – damals haben sie sich in einer Art nationalen Vorentscheid ihren Platz im Team erkocht. „In der Küche kann man nur schwer tricksen oder sich hinter einer Fassade verstecken – Jo-Andri, Stallin und Jeandre haben mich mit ihren Fähigkeiten überzeugt.“, meint David Thomas. Schnell bildete sich auch ein echter Teamgeist zwischen den Siegern heraus – bei jedem Treffen wuchsen sie enger zusammen. „Ach, wir sind eigentlich nur drei Affen, die von einem Franzosen dressiert werden“, lacht Jeandre.
Nachdem alle Zutaten in weiße Plastiksäcke verpackt und im Kofferraum verstaut sind, gönnen sich die drei Köche eine Zigarette. „Bald endet eine lange Reise“, sinniert Jeandre. Und Jo-Andri blickt zum Coach und meint: „Chef, wir wollen vorm Wettbewerb eine Motivationsrede von dir hören!“ David Thomas grinst: „Alles was ihr um 5.30 Uhr morgens versteht ist: Versaut es bloß nicht!“
Leichter gesagt als getan: Zwar kennen die drei Teammitglieder ihre Gerichte mittlerweile in- und auswendig – der Umgang mit Stress und Zeitdruck lässt sich aber vorher nicht richtig trainieren. „Wie schnell ist da eine Prise Salz vergessen... Die Wettbewerbssituation ändert einfach nochmal alles“, erklärt der Teamcoach. „Hinzu kommt, dass wir unsere Gegner nicht unterschätzen dürfen. Mauritius ist mit fachlich überragenden Nachwuchsköchen angereist. Südafrika und Ägypten sind sogar wahre Kochnationen.“
Dann ist es soweit. Englische, arabische, französische und afrikaanse Satzfetzen lärmen durch die große Wettbewerbsküche, durchzogen von Topfgeklapper und Besteckgeklirre. Verschiedenste Gerüche wabern im Raum herum – von fischig bis schokoladig, von karamellig bis krautig. An der hinteren Wand schimmert warm-gelbliches Licht aus zwei Backröhren und zwischen den zehn Küchenzeilen hetzen aufgeregt weißgewandete Köche umher.
Davon bekommt das namibische Team aber kaum etwas mit. Apathisch konzentrieren sich die Jungköche auf ihre Aufgaben. Mithilfe eines Spatels verstreicht Jeandre eine braune Paste auf einer länglichen Schablone. Jo-Andrie stutzt Kartoffeln auf rechteckige Stücke zusammen und Stallin schüttelt ernsten Blickes tröpfchenweise eine rötliche Flüssigkeit aus einer Spritztube in einen Plastikbehälter. Nervös trippelt auch David Thomas hin und her. Immer wieder schaut er auf seine Uhr und ruft seinen Schützlingen die verbleibende Zeit zu. „In zwanzig Minuten muss der Starter fertig sein…“
Zwischen den Küchenzeilen schreiten mit Klemmbrett bewaffnet einige Mitglieder der international besetzten Jury auf und ab. Akribisch beobachten sie das hektische Treiben. Bewertet wird alles Mögliche – Kochtechniken, Hygiene, Zutatenverschwendung, Zeit und natürlich Geschmack. Die fertigen Speisen der einzelnen Teams, erhalten die Preisrichter aber anonymisiert. Keiner soll wissen, welches Land hinter welchem Teller steckt.
Wer gewonnen hat, das erfahren die Teilnehmer erst abends, bei einem großen Galadinner. Im bläulich gedimmten Festsaal warten die Juniorköche gespannt auf das Ergebnis. Schließlich betritt ein zwirbelbärtiger Mann die Bühne – Thomas Gugler, der Regionaldirektor der Köchevereinigung für Afrika und den Mittleren Osten. Um seinen Hals trägt er eine Art grüne Schärpe, die über und über mit bunt schimmernden Ansteckern verziert ist. „Wer ist der Sieger?“, fragt er ins Publikum. Doch nur vereinzelt klingt es zurück: „Namibia…“ Gugler wiederholt seine Frage mit mehr Nachdruck – nun schallt die Antwort schon etwas lauter durch den Saal: „Namibia!“ Dann ruft es der Direktor selbst in die Welt hinaus: „Namibia!“
Jetzt gibt es im Publikum kein Halten mehr: Jubel, Applaus, Freudentaumel. Die Stars des Abends winden sich durch die Menge an Gratulanten und erklimmen die Bühne – erst Stallin, dann Jo-Andri und Jeandre. Sie fallen sich in die Arme, strahlen übers ganze Gesicht, umklammern gemeinsam den großen Pokal. In seiner Euphorie greift Jeandre schließlich nach der mannshohen Fahnenstange mit der Namibiaflagge, die aus zeremoniellen Gründen auf der Bühne steht. So als ob die Welwitschias gerade die Rugby-WM gewonnen hätten, schwingt er sie übermütig hin und her. Später sagt er lachend: „Ich hab mich getäuscht, wir sind doch keine Affen. Wir sind Gewinner.“
Zwar haben die namibischen Jungköche Jo-Andri Pretorius, Stallin Steenkamp und Jeandre-Paul Basson ihr Menü nun schon siebenmal zubereitet, doch selbst jetzt – auf der Zielgeraden – ändern sie noch kleine Details. Immerhin messen sie beim morgigen African Culinary Cup ihre Kochkünste mit den talentiertesten jungen Berufskollegen des Kontinents – da muss jedes Salzkorn auf der richtigen Stelle landen. „Morgen ist D-Day“, sagt Teamcoach David Thomas. Dass der große Showdown der Küchenmeister dieses Jahr ausgerechnet daheim in Windhoek stattfindet, mindert den Erfolgsdruck nicht.
Doch jetzt müssen die fünf konkurrierenden Teams erst einmal ihre Zutaten besorgen. Die Ausgangslage ist bei allen gleich: Seehecht zur Vorspeise, Ribeye-Steak zum Hauptgang und Datteln zum Dessert sind Pflicht. Was die Kochkünstler konkret daraus zaubern, bleibt ihnen aber selbst überlassen – für 1000 N$ dürfen sie jeweils nach eigenem Gusto einkaufen.
15 weiße Kochwesten wuseln deshalb durch die Gänge eines Supermarktes. Vor allem die Gäste aus Ägypten und Mauritius wirken nervös. Hier in Namibia sind einige Zutaten aus der Saison, die sie fest in ihr Menü eingeplant haben – Basilikum beispielsweise. Das hiesige Team hat sich derweil zwischen zwei Supermarktregalen verbarrikadiert. Jo-Andri hält die Zutatenliste in der Hand und liest stoisch jeden einzelnen Posten vor. Stallin kramt derweil im Einkaufswagen herum und überprüft, ob alles da ist. „Orangen“ – „Check“, „Tomaten“ – „Check“, „Blauer Käse“ – „Check“. Jeandre steht etwas abseits und beobachtet die Szenerie. „Wenn man denkt, dass man alles hat, dann fehlt immer eine Kleinigkeit“, schmunzelt er.
Seit Anfang August bereiten sich die drei Windhoeker nun schon auf den Wettbewerb vor – damals haben sie sich in einer Art nationalen Vorentscheid ihren Platz im Team erkocht. „In der Küche kann man nur schwer tricksen oder sich hinter einer Fassade verstecken – Jo-Andri, Stallin und Jeandre haben mich mit ihren Fähigkeiten überzeugt.“, meint David Thomas. Schnell bildete sich auch ein echter Teamgeist zwischen den Siegern heraus – bei jedem Treffen wuchsen sie enger zusammen. „Ach, wir sind eigentlich nur drei Affen, die von einem Franzosen dressiert werden“, lacht Jeandre.
Nachdem alle Zutaten in weiße Plastiksäcke verpackt und im Kofferraum verstaut sind, gönnen sich die drei Köche eine Zigarette. „Bald endet eine lange Reise“, sinniert Jeandre. Und Jo-Andri blickt zum Coach und meint: „Chef, wir wollen vorm Wettbewerb eine Motivationsrede von dir hören!“ David Thomas grinst: „Alles was ihr um 5.30 Uhr morgens versteht ist: Versaut es bloß nicht!“
Leichter gesagt als getan: Zwar kennen die drei Teammitglieder ihre Gerichte mittlerweile in- und auswendig – der Umgang mit Stress und Zeitdruck lässt sich aber vorher nicht richtig trainieren. „Wie schnell ist da eine Prise Salz vergessen... Die Wettbewerbssituation ändert einfach nochmal alles“, erklärt der Teamcoach. „Hinzu kommt, dass wir unsere Gegner nicht unterschätzen dürfen. Mauritius ist mit fachlich überragenden Nachwuchsköchen angereist. Südafrika und Ägypten sind sogar wahre Kochnationen.“
Dann ist es soweit. Englische, arabische, französische und afrikaanse Satzfetzen lärmen durch die große Wettbewerbsküche, durchzogen von Topfgeklapper und Besteckgeklirre. Verschiedenste Gerüche wabern im Raum herum – von fischig bis schokoladig, von karamellig bis krautig. An der hinteren Wand schimmert warm-gelbliches Licht aus zwei Backröhren und zwischen den zehn Küchenzeilen hetzen aufgeregt weißgewandete Köche umher.
Davon bekommt das namibische Team aber kaum etwas mit. Apathisch konzentrieren sich die Jungköche auf ihre Aufgaben. Mithilfe eines Spatels verstreicht Jeandre eine braune Paste auf einer länglichen Schablone. Jo-Andrie stutzt Kartoffeln auf rechteckige Stücke zusammen und Stallin schüttelt ernsten Blickes tröpfchenweise eine rötliche Flüssigkeit aus einer Spritztube in einen Plastikbehälter. Nervös trippelt auch David Thomas hin und her. Immer wieder schaut er auf seine Uhr und ruft seinen Schützlingen die verbleibende Zeit zu. „In zwanzig Minuten muss der Starter fertig sein…“
Zwischen den Küchenzeilen schreiten mit Klemmbrett bewaffnet einige Mitglieder der international besetzten Jury auf und ab. Akribisch beobachten sie das hektische Treiben. Bewertet wird alles Mögliche – Kochtechniken, Hygiene, Zutatenverschwendung, Zeit und natürlich Geschmack. Die fertigen Speisen der einzelnen Teams, erhalten die Preisrichter aber anonymisiert. Keiner soll wissen, welches Land hinter welchem Teller steckt.
Wer gewonnen hat, das erfahren die Teilnehmer erst abends, bei einem großen Galadinner. Im bläulich gedimmten Festsaal warten die Juniorköche gespannt auf das Ergebnis. Schließlich betritt ein zwirbelbärtiger Mann die Bühne – Thomas Gugler, der Regionaldirektor der Köchevereinigung für Afrika und den Mittleren Osten. Um seinen Hals trägt er eine Art grüne Schärpe, die über und über mit bunt schimmernden Ansteckern verziert ist. „Wer ist der Sieger?“, fragt er ins Publikum. Doch nur vereinzelt klingt es zurück: „Namibia…“ Gugler wiederholt seine Frage mit mehr Nachdruck – nun schallt die Antwort schon etwas lauter durch den Saal: „Namibia!“ Dann ruft es der Direktor selbst in die Welt hinaus: „Namibia!“
Jetzt gibt es im Publikum kein Halten mehr: Jubel, Applaus, Freudentaumel. Die Stars des Abends winden sich durch die Menge an Gratulanten und erklimmen die Bühne – erst Stallin, dann Jo-Andri und Jeandre. Sie fallen sich in die Arme, strahlen übers ganze Gesicht, umklammern gemeinsam den großen Pokal. In seiner Euphorie greift Jeandre schließlich nach der mannshohen Fahnenstange mit der Namibiaflagge, die aus zeremoniellen Gründen auf der Bühne steht. So als ob die Welwitschias gerade die Rugby-WM gewonnen hätten, schwingt er sie übermütig hin und her. Später sagt er lachend: „Ich hab mich getäuscht, wir sind doch keine Affen. Wir sind Gewinner.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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