Sich verlieben in drei Minuten

Meine Zeit als Gast-Redakteurin bei der AZ geht so langsam zu Ende. Ich habe nichts mehr zu verlieren, denke ich mir, als ich an meinem Gin Tonic nippe und darauf warte, dass „Speed-Dating“ beginnt. Vielleicht finde ich ja hier einen Mann, der mich heiratet und ich kann in diesem wunderschönen Land bleiben. Und all meinen Freunden in Deutschland die romantische Geschichte erzählen, wie ich die Liebe in Namibia fand, und dann blieb. Das wäre doch eine tolle Story!Doch Scherz beiseite. Ich sitze mit meinen Freunden an einem Tisch im Warehouse. Wir sind pünktlich, doch die Veranstaltung ist es nicht. Es sind noch keine „Speed-Dating“ Kandidaten da, aber ich bin schon leicht nervös. „Sei nicht schüchtern“, sagen meine Freunde, die mich netterweise begleiten. Sie haben gut reden, sie sind ja auch verheiratet.Der rote Teppich wurde ausgelegt. So langsam trudeln ein paar Frauen ein, alle in engen Minikleidern und mit wallenden Haaren. Linda Nathanael ist die Gastgeberin, sie trägt ein schwarzes Kleid mit zwei angenähten Flügeln am Rücken und soll wohl „Amor“ darstellen. Jeder bekommt eine Nummer zum Anstecken. Ich bin Nummer Fünf. Ich begebe mich in den Raum, dort sieht es schon sehr romantisch aus: gedämpftes Licht und leise Musik dudelt aus den Lautsprechern. Ich setzte mich an einen der Tische.Vor mir liegt ein Stück Papier mit Fragen, die man seinem Gegenüber stellen kann, falls einem der Gesprächsstoff ausgeht: Was machst Du beruflich, was suchst du in einem Partner, warum bist du Single?Da es weniger Männer als Frauen sind, werden die Männer rotieren, erklärt Linda die Spielregeln. Drei Minuten dauert ein Gespräch, dann wechseln die Männer zum nächsten Tisch. Wer sich in diesen drei Minuten sympathisch findet, schreibt die Nummer des anderen auf und bekommt am Ende dessen Telefonnummer. Die Moderatorin träg eine Trillerpfeife um den Hals und wird damit Anfang und Ende des Dates markieren. Anpfiff. Der erste Kandidat ist ein Typ mit langen Dreadlocks. Eine Minute verbringe ich damit, Rastaman zu erklären, wie man meinen Namen ausspricht, schließlich gebe ich auf und schreibe ihn auf Papier. Zeit gespart. Seinen Namen habe ich leider auch nicht verstanden, aber dafür ist jetzt keine Zeit mehr. Er erzählt mir, dass er Taxifahrer ist. Ich sage ihm, dass ich das praktisch finde, denn ab und zu könnte ich ein Taxi gebrauchen, aber er findet das irgendwie gar nicht gut. Zum Glück erlöst uns der Pfiff aus der Trillerpfeife. Der nächste Mann setzt sich: Es ist John, ein cooler Amerikaner aus LA, der seinen Job gekündigt hat, um durch Afrika zu reisen. Den Kilimandscharo in Tansania hat er schon bestiegen und ist nun unterwegs in Namibia. Der nächste Typ ist Afrikaner und spricht perfekt deutsch mit sächsischem Akzent. Ein ehemaliges DDR-Kind. Wir haben uns schon mal auf einer Vernissage kennengelernt und unterhalten uns gut. Der dritte Kandidat sagt mir, er suche dringend eine Frau zum Heiraten. Kochen könne er auch, preist er seine Vorzüge an. Wirkt aber ein bisschen verzweifelt und zu ernst. Ich bin froh, als ich die Trillerpfeife höre. Puh, ist das anstrengend non-stopp zu reden und immer das Gleiche von sich zu erzählen. Als nächstes setzt sich Jörg mir gegenüber, ein Deutsch- Namibier, der Bergsteigen liebt. Leider bin ich nicht schwindelfrei. Dann treffe ich noch Franz, einen Nama, der versucht mir die Klick-Sprache beizubringen. Scheint, als wären hier fast alle ethnischen Gruppen des Landes vertreten. Die Auswahl ist groß.Als es vorbei ist, bin ich erst Mal heiser, vom ständigen Reden gegen einen Geräuschpegel. Ich habe zwar keinen Mann gefunden, dafür aber eine Erkenntnis gewonnen: Vielleicht ist es einfach nicht meine Story, dass ich mich verliebe und eines Mannes wegen im Land bleibe.Wer es selbst einmal ausprobieren möchte: Das nächste Speed Dating findet im April statt, Termin wird noch bekannt gegeben.Elke Reinauer

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Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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