Simbabwe: Gefoltert, gedemütigt - "aber wir bleiben trotzdem"
Den Tag wird er nie vergessen, sagt Ben Freeth, während er einen Guavensaft und Meeresfrüchte zum Mittagessen bestellt. "So etwas kriegen wir ja bei uns nicht", meint er schon fast entschuldigend. Dünn ist er geworden, seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Bens Vater Zach, der in Großbritannien lebt und Freeth zum Prozess am Windhoeker SADC-Tribunal begleitet hat, an dem die Familie die Enteignung ihrer Farm Mount Carmell im Distrikt Chegutu anficht, pflichtet ihm bei: Ein unvergesslicher Tag, der seine Spuren hinterlassen hat.
Am 29. Juni, jenem Datum, an dem sich Simbabwes Präsident Robert Mugabe nach der weltweit als weder frei noch fair kritisierten Stichwahl wieder hat im Amt vereidigen lassen, geschieht es, obwohl der Tag zunächst ein ganz normaler Sonntag war: Ben Freeth und seine Frau Laura hatten deren Eltern Mike und Angela Campbell zum sonntäglichen Mittagessen eingeladen. Campbell (75) gehört seit 1974 die Farm, auf der hauptsächlich Mangos und Zitrusfrüchte angebaut werden, beide Familien haben jeweils ein Haus auf dem 1200 Hektar großen Stück Land. "Als beide wieder bei ihrem Haus angekommen waren und Angela sich auf den Weg machen wollte, um ein Kalb zu füttern, fielen rund 30 bewaffnete Männer über sie her, zerrten sie brutal aus dem Auto und haben ihr dabei schon zweimal den rechten Arm gebrochen." Auch Freeths Schweigervater Mike wird brutal angefallen. Die Angreifer sind bekanntUnter den Angreifern sind bekannte Gesichter: Ein Armeemajor und Gilbert Moyo, ein lokaler ZANU(PF)-Vertreter, der für mehrere Überfälle auf weiße Farmern verantwortlich sein soll.
Währenddessen hatten Arbeiter einer nahe gelegenen Farm Ben Freeth angerufen und gewarnt: Bei ihnen hatten die Schergen vorher gewütet und dabei verlauten lassen, jetzt sei Mount Carmell dran. Freeth macht sich sofort im Auto auf den Weg zum Haus seiner Schwiegereltern - und sieht wenige Minuten später in den Lauf einer Waffe. 14 Stück hatte der Schlägertrupp selbst dabei, sieben weitere Jagdwaffen wurden bei Mike Campbell gestohlen. "Zwei Kugeln knallten durch meine Windschutzscheibe, ich habe mich nur noch geduckt, bin dabei mit dem Auto gegen einen Baum gerammt und dann waren sie schon bei mir. Mit einem Felsbrocken haben sie die Scheibe auf meiner Seite zertrümmert." Der massive Stein trifft Ben Freeth im Gesicht und verletzt sein rechtes Auge so schwer, dass er es beinahe verloren hätte. Außerdem trägt er Blutungen im Gehirn davon, so schwer, dass später im Krankenhaus Harare ein vier Zentimeter großes Loch in seinen Schädel gebohrt werden muss, um den Druck auszugleichen. Deshalb trägt er auch bei unserem Gespräch noch seinen Kopfverband - und kann sogar noch über seine auf der rechten Seite abrasierten Haare scherzen: "Eigentlich ist meine Frau für meinen Haarschnitt zuständig, nicht aber für diesen hier. Ich denke trotzdem, dass er der kommende Trend wird."
Die Angreifer zerren auch Ben Freeth aus dem Auto, malträtieren ihn mit einem Gewehrkolben, reißen ihm die Oberbekleidung vom Leib, fesseln seine Hände eng und schmerzhaft auf den Rücken und werfen ihn neben Angela und Mike Campbell auf den Boden. "Von Mike kam nur noch ein Stöhnen, er war nicht mehr Herr seiner Sinne." Immer wieder prügeln sie auch auf Ben Freeths nackte Fußsohlen ein, eine in Simbabwe beliebt-berüchtigte Foltermethode, hinterlässt sie doch kaum Spuren, dafür aber höllische Schmerzen."Mike war nicht mehr Herr seiner Sinne"Mike und Angela Campbells Sohn Bruce, der auf einem vor Jahren abgetrennten Teil der Farm lebt, war mittlerweile zu Hilfe geeilt. Als er am Farmhaus seiner Eltern eintrifft, wird er von Dutzenden Gewehrkugeln empfangen - und bleibt wie durch ein Wunder unverletzt. Er versteckt sich unter einem Auto und versucht von dort, die Polizei zu alarmieren. "Die wusste eigentlich, dass das passiert", erinnert sich Freeth, der ruhig und gefasst über die Tragödie spricht. "Der Minister für Strategieumsetzung hatte schon lange geplant, uns von unserem Land zu vertreiben." Wie immer, wenn die Campbells oder Freeth die Beamten zur Hilfe rufen wollen, geschah auch am 29. Juni nichts. Während der Schlägertrupp den unterm Auto versteckten Bruce Campbell zunächst übersieht ("Das ist ein Wunder"), werden Ben und Mike auf die Ladefläche eines Wagens geworfen und Angela auf den Rücksitz verfrachtet, gut bewacht von drei Männern. "Wir sind mit 150 km/h losgefahren und dabei haben die Typen neben meiner Schwiegermutter Bruce entdeckt und Gewehrsalven auf ihn abgefeuert." Nur um Zentimeter verfehlen sie dessen Kopf.Folter mit Wasser und SchlägenDie Angreifer bringen ihre Geiseln zu einem Basislager im Busch, wo ungefähr 60 weitere Kämpfer sitzen und Kriegslieder singen. Die Folter geht dort weiter. "Sie haben uns dann mit eisigem Wasser übergossen. Wir waren halbnackt, es war kalt. Dass wir uns nicht den Tod geholt haben, ist ein weiteres Wunder", meint Ben Freeth. Die brutalen Schläger zwingen während des insgesamt neun Stunden dauernden Martyriums seine Schwiegermutter - weil Mike Campbell die Finger gebrochen worden waren - ein Schreiben aufzusetzen, in dem die Familie in die Rücknahme der Klage am SADC-Tribunal einwilligt.
Während Ben Freeth weitererzählt, dabei immer wieder seine Gabel aus der Hand und den Kopf zur Seite legt, wird klar, was ihn durch das Martyrium getragen hat: Sein unerschütterlicher Glaube an Gott, den er mit seinen Schwiegereltern teilt. "Wir haben alle dauerhaft gebetet. Von Angela hörte ich immer nur ,Wo bist Du, Gott?`, auch als sie gezwungen wurde, Kriegslieder zu singen. Weil sie sich geweigert und stattdessen gebetet hat, wurde ihr brennende Kohle in den Mund gesteckt." "Wo bist du, Gott?"Freeth muss zudem dabei zusehen, wie Männer auf das Gesicht der alten Dame urinieren. "Ich sah plötzlich, dass sie zum Himmel schaute und sie ein tiefer Frieden erfasste. Und auch ich wurde im gleichen Moment ruhig. Später haben wir sogar festgestellt, dass zur selben Zeit meine Frau, die mit unseren drei Kindern aus unserem Haus geflohen war und dachte, wir seien tot, gebetet hatte, als sie vor einem Zaun an der Grenze des Grundstücks stand und nicht durchkam. Wie ein Schutzengel kam völlig unerwartet ein Mann mit einem Hund des Weges, der sogar noch einen Drahtschneider dabei hatte und ihr helfen konnte."
Die Geiseln im Basislager hören ganz genau, wie die Männer darüber reden, sie umzubringen. "Aber ich hatte keine Angst", sagt Ben Freeth. "Ich redete mit Gott, sagte ihm: Ich freue mich darauf, dass ich heute bei Dir sein werde. Bitte passe auf meine Frau und meine Kinder auf." Liebet Eure Feinde, dieses Bibelwort sei überdeutlich in seinem Kopf gewesen. "Ich fühlte eine solche überschäumende Liebe für diese Leute. Sie sind doch auch Opfer und brauchen genauso wie wir Gottes Liebe. Ich habe dann versucht, meine geschundenen Hände nach unseren Bewachern auszustrecken und sie zu segnen", meint Ben Freeth - und mir läuft beim Zuhören ein Schauer über den Rücken.
Am späten Abend kommt plötzlich Bewegung in das Basislager. Die schwer verletzten Geiseln werden erneut auf Autos verladen. "Ich dachte wirklich, jetzt werden wir zu unseren Gräbern gebracht - aber ich hatte noch immer tiefen inneren Frieden." "Ich habe die Angreifer gesegnet" Was dann geschieht, erscheint wie ein weiteres Wunder: Nach mehreren Kilometern halten die Fahrzeuge an, die Geiseln werden in Kadoma einfach so auf die Straße geworfen, die Angreifer verschwinden. "Einer der Männer sagte sogar 'Entschuldigung' zu mir", erinnert sich Freeth. Als einziger kann er noch laufen und schleppt sich zum Haus einer alten Frau, von wo aus er Hilfe holt. Alle drei werden schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert - Freeth mit gebrochenen Rippen und Kopfverletzung, Mike Campbell mit Finger-, Rippen- sowie einem Schlüsselbeinbruch, Angela Campbell mit einem doppelten Armbruch, Schwellungen und Verbrennungen. Ben Freeth wird erst am 12. Juli entlassen - "einen Tag später war ich wieder auf der Farm, zur Freude meiner Familie und unserer Angestellten, für die ich mich auch verantwortlich fühle". Wie durch ein weiteres Wunder, so Freeth, haben weder er noch seine Schwiegereltern seitdem mit einem Trauma oder Albträumen zu kämpfen.
Das blutige Drama ist nur der grausige Höhepunkt der Auseinandersetzung der Campbells mit dem simbabwischen Staat. Schon 1997 wurden sie erstmals zur Enteignung vorgesehen, seitdem flatterten noch mehrfach Enteignungsbescheide ins Haus, die aber entweder zurückgezogen oder von Gerichten zeitweilig außer Kraft gesetzt wurden. Seit dem Jahr 2000 kam es immer wieder zu Invasionen, ein Feldzug zum "Stehlen, Töten und Zerstören", wie Bens Vater Zach traurig anmerkt, der Simbabwe gezwungenermaßen den Rücken gekehrt hat. Wer nicht innerhalb von 90 Tagen nach Benachrichtigung seine Farm verlässt, muss für zwei Jahre ins Gefängnis. 2002 wurde auch Ben Freeth zum ersten Mal verhaftet und unter unmenschlichen Bedingungen im Knast festgehalten. 2004 war die Farm Mount Carmell, die heute offiziell dem Unternehmen Mike Campbell (Private) Limited gehört, im Auftrag eines Ministers gestürmt worden, angeblich sollte das Land dem Politiker zugeteilt worden sein.
Auch Bruce Campbell hat die Härte von Mugabes, des in den Augen der Campbells personifizierten Bösen, gewaltsamen Landnahme-Prozesses am eigenen Leibe erlebt. Sein Stück Land, das dereinst eine florierende Wildfarm für vor allem ausländische Touristen war, wurde ebenfalls zur Enteignung vorgesehen, die Lodge später niedergebrannt, das Wild von Mugabe-gesteuerten Schergen erschossen. "Das war ein schrecklich traumatisches Erlebnis für meinen Schwiegervater, er konnte jahrelang nicht darüber sprechen", erinnert sich Freeth. "Wenn er heute Giraffen im Fernsehen sieht, muss er das Gerät abschalten."
Bruce Campbell weigerte sich trotz einer drohenden zweijährigen Haftstrafe, seinen Grund und Boden zu verlassen - und lebt mittlerweile wie auf einer einsamen Insel: Rund um sein Haus wurden zahlreiche Menschen aus einer hunderte Kilometer entfernten Provinz angesiedelt - und diese kamen zu Anfang nicht nur gelegentlich mit Knüppeln bewaffnet zu Einschüchterung vorbei, sondern schleppten auch einen neuen Malaria-Strang in den Chegutu-Distrikt ein, der innerhalb weniger Tage mehrere Menschen hinwegraffte. Bruces Frau war zu jener Zeit nach langem Warten endlich mit Zwillingen schwanger und infizierte sich mit dem Schwarzfieber. Zwar wurde sie noch in Südafrika ins Krankenhaus gebracht, innerhalb von 24 Stunden waren sie und ihre ungeborenen Kinder aber tot.Marathon durch die InstanzenSeit 2005 prozessieren Mike Campbell und Freeth gegen die Enteignungen, haben sich durch alle Instanzen gekämpft und immer wieder verloren. Im Oktober 2007 haben sie deshalb das SADC-Tribunal um Hilfe angerufen, das ihnen und weiteren 77 prozessierenden Farmern zwischenzeitlich per Einstweiliger Verfügung Schutz und die Erlaubnis zugesichert hatte, auf ihrem Land bleiben zu dürfen, bis ein abschließendes Urteil gefällt worden ist. Das Mugabe-Lager scheint dies wenig zu interessieren: Auch andere Farmer wurden überfallen, misshandelt, ermordet, darunter auch ein guter Freund der Familie. Ben Freeth musste die von Gewehrkugeln durchlöcherte und misshandelte Leiche später identifizieren. "Wir waren mal 350 weiße Farmer in unserer Gegend", so Freeth. "Binnen sechs Wochen nach Beginn der Invasion ist diese Zahl auf 50 gesunken."
Warum er sich die dauernde Angst, den Ärger und immer wiederkehrende Enttäuschungen antut, will ich wissen. "Der wichtigste Grund ist mein Glaube. Gott hat uns noch nicht wegbeordert, er hat uns dort hingestellt. Simbabwe braucht Leute, die Licht und Hoffnung bringen, auch für unsere Arbeiter, die ja auch behelligt werden, wie zum Beispiel kürzlich vor der Stichwahl, als 30 bei meiner Frau angestellte Näherinnen entführt, bedrängt und ebenfalls mit kaltem Wasser übergossen wurden." Er sieht auch eine Verantwortung für die Jugend seines Landes, das ihm, dem gebürtigen Briten, zur geliebten Heimat geworden ist: "Ich bin so besorgt über das, was Mugabe mit unserer Jugend macht, sie wird indoktriniert, ihr wird das Schlagen und Töten beigebracht und jegliche Liebe aus dem Herzen gerissen."
"Wir bleiben für unsere Kinder"Einen weiteren Grund für sein Durchhaltevermögen nennt Ben Freeth in einem vor fünf Jahren geschriebenen Brief an seinen heute fast neun Jahre alten Sohn Joshua, der kürzlich um die Welt ging und Millionen Menschen bis ins Mark rührte. "Wir bleiben für Dich, für unsere Kinder", schreibt Freeth darin. Weglaufen sei keine Lösung. Das betont er auch im Gespräch mit mir immer wieder und grinst nahezu spitzbübisch. "Vielleicht bin ich ein bisschen stur. Schon mein Großvater wurde 'Furchtloser Freeth' genannt, das scheint sich auf mich übertragen zu haben. Wegrennen war noch nie was für mich", meint Ben - und sein Vater Zach will sogar deutsche Tugenden darin erkannt haben. Immerhin hat Ben Freeth, bevor er 1982 nach Simbabwe kam, sieben Jahre seiner Jugend in Deutschland verbracht, wo sein Vater als britischer Soldat stationiert war - beide können noch heute die Namen von Orten in Deutschland, deren Schönheit und vor allem eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, das Skispringen, in dem Ben ein wahres Ass gewesen sein muss ("Ich wollte eigentlich 1994 an den Olympischen Spielen im norwegischen Lillehammer teilnehmen"), bildhaft schildern.
Unser Gespräch ist zu Ende. Es war aufwühlend, bewegend, beeindruckend. Der gestandene Soldat Zach Freeth weint - und sein Sohn Ben schickt in einfachen Worten in aller Öffentlichkeit ein Gebet zum Himmel."Wir bauen wieder auf"Am Samstag ist Ben Freeth wieder zurückgekehrt auf Mount Carmell. "Ich habe keine Angst", sagt er bei unserer herzlichen Verabschiedung. "Mein Glaube ist so stark, nichts kann mich von Gottes Liebe trennen." Jetzt wartet er auf ein positives Urteil des SADC-Tribunals und glaubt fest daran ("Die Richter haben uns wirklich zugehört und dann sogar Worte verwendet, die mein Vater und ich am morgen noch in der täglichen Bibellese gefunden hatten."). Ben Freeth hat noch viel vor, auch wenn er nicht an einen schnellen Regimewechsel glaubt: "Wir bauen unsere Wildfarm wieder auf. Irgendwann. Dann, wenn wir in Simbabwe wieder zurückgekehrt sind zu Rechtsstaatlichkeit und Achtung vor Menschenrechten. Es gibt schon ersten Widerstand in Armee und Polizei gegen das, was Mugabe macht. Der wird sich ausweiten. Und ich bin sicher: Das Böse wird nicht für immer bleiben."
Am 29. Juni, jenem Datum, an dem sich Simbabwes Präsident Robert Mugabe nach der weltweit als weder frei noch fair kritisierten Stichwahl wieder hat im Amt vereidigen lassen, geschieht es, obwohl der Tag zunächst ein ganz normaler Sonntag war: Ben Freeth und seine Frau Laura hatten deren Eltern Mike und Angela Campbell zum sonntäglichen Mittagessen eingeladen. Campbell (75) gehört seit 1974 die Farm, auf der hauptsächlich Mangos und Zitrusfrüchte angebaut werden, beide Familien haben jeweils ein Haus auf dem 1200 Hektar großen Stück Land. "Als beide wieder bei ihrem Haus angekommen waren und Angela sich auf den Weg machen wollte, um ein Kalb zu füttern, fielen rund 30 bewaffnete Männer über sie her, zerrten sie brutal aus dem Auto und haben ihr dabei schon zweimal den rechten Arm gebrochen." Auch Freeths Schweigervater Mike wird brutal angefallen. Die Angreifer sind bekanntUnter den Angreifern sind bekannte Gesichter: Ein Armeemajor und Gilbert Moyo, ein lokaler ZANU(PF)-Vertreter, der für mehrere Überfälle auf weiße Farmern verantwortlich sein soll.
Währenddessen hatten Arbeiter einer nahe gelegenen Farm Ben Freeth angerufen und gewarnt: Bei ihnen hatten die Schergen vorher gewütet und dabei verlauten lassen, jetzt sei Mount Carmell dran. Freeth macht sich sofort im Auto auf den Weg zum Haus seiner Schwiegereltern - und sieht wenige Minuten später in den Lauf einer Waffe. 14 Stück hatte der Schlägertrupp selbst dabei, sieben weitere Jagdwaffen wurden bei Mike Campbell gestohlen. "Zwei Kugeln knallten durch meine Windschutzscheibe, ich habe mich nur noch geduckt, bin dabei mit dem Auto gegen einen Baum gerammt und dann waren sie schon bei mir. Mit einem Felsbrocken haben sie die Scheibe auf meiner Seite zertrümmert." Der massive Stein trifft Ben Freeth im Gesicht und verletzt sein rechtes Auge so schwer, dass er es beinahe verloren hätte. Außerdem trägt er Blutungen im Gehirn davon, so schwer, dass später im Krankenhaus Harare ein vier Zentimeter großes Loch in seinen Schädel gebohrt werden muss, um den Druck auszugleichen. Deshalb trägt er auch bei unserem Gespräch noch seinen Kopfverband - und kann sogar noch über seine auf der rechten Seite abrasierten Haare scherzen: "Eigentlich ist meine Frau für meinen Haarschnitt zuständig, nicht aber für diesen hier. Ich denke trotzdem, dass er der kommende Trend wird."
Die Angreifer zerren auch Ben Freeth aus dem Auto, malträtieren ihn mit einem Gewehrkolben, reißen ihm die Oberbekleidung vom Leib, fesseln seine Hände eng und schmerzhaft auf den Rücken und werfen ihn neben Angela und Mike Campbell auf den Boden. "Von Mike kam nur noch ein Stöhnen, er war nicht mehr Herr seiner Sinne." Immer wieder prügeln sie auch auf Ben Freeths nackte Fußsohlen ein, eine in Simbabwe beliebt-berüchtigte Foltermethode, hinterlässt sie doch kaum Spuren, dafür aber höllische Schmerzen."Mike war nicht mehr Herr seiner Sinne"Mike und Angela Campbells Sohn Bruce, der auf einem vor Jahren abgetrennten Teil der Farm lebt, war mittlerweile zu Hilfe geeilt. Als er am Farmhaus seiner Eltern eintrifft, wird er von Dutzenden Gewehrkugeln empfangen - und bleibt wie durch ein Wunder unverletzt. Er versteckt sich unter einem Auto und versucht von dort, die Polizei zu alarmieren. "Die wusste eigentlich, dass das passiert", erinnert sich Freeth, der ruhig und gefasst über die Tragödie spricht. "Der Minister für Strategieumsetzung hatte schon lange geplant, uns von unserem Land zu vertreiben." Wie immer, wenn die Campbells oder Freeth die Beamten zur Hilfe rufen wollen, geschah auch am 29. Juni nichts. Während der Schlägertrupp den unterm Auto versteckten Bruce Campbell zunächst übersieht ("Das ist ein Wunder"), werden Ben und Mike auf die Ladefläche eines Wagens geworfen und Angela auf den Rücksitz verfrachtet, gut bewacht von drei Männern. "Wir sind mit 150 km/h losgefahren und dabei haben die Typen neben meiner Schwiegermutter Bruce entdeckt und Gewehrsalven auf ihn abgefeuert." Nur um Zentimeter verfehlen sie dessen Kopf.Folter mit Wasser und SchlägenDie Angreifer bringen ihre Geiseln zu einem Basislager im Busch, wo ungefähr 60 weitere Kämpfer sitzen und Kriegslieder singen. Die Folter geht dort weiter. "Sie haben uns dann mit eisigem Wasser übergossen. Wir waren halbnackt, es war kalt. Dass wir uns nicht den Tod geholt haben, ist ein weiteres Wunder", meint Ben Freeth. Die brutalen Schläger zwingen während des insgesamt neun Stunden dauernden Martyriums seine Schwiegermutter - weil Mike Campbell die Finger gebrochen worden waren - ein Schreiben aufzusetzen, in dem die Familie in die Rücknahme der Klage am SADC-Tribunal einwilligt.
Während Ben Freeth weitererzählt, dabei immer wieder seine Gabel aus der Hand und den Kopf zur Seite legt, wird klar, was ihn durch das Martyrium getragen hat: Sein unerschütterlicher Glaube an Gott, den er mit seinen Schwiegereltern teilt. "Wir haben alle dauerhaft gebetet. Von Angela hörte ich immer nur ,Wo bist Du, Gott?`, auch als sie gezwungen wurde, Kriegslieder zu singen. Weil sie sich geweigert und stattdessen gebetet hat, wurde ihr brennende Kohle in den Mund gesteckt." "Wo bist du, Gott?"Freeth muss zudem dabei zusehen, wie Männer auf das Gesicht der alten Dame urinieren. "Ich sah plötzlich, dass sie zum Himmel schaute und sie ein tiefer Frieden erfasste. Und auch ich wurde im gleichen Moment ruhig. Später haben wir sogar festgestellt, dass zur selben Zeit meine Frau, die mit unseren drei Kindern aus unserem Haus geflohen war und dachte, wir seien tot, gebetet hatte, als sie vor einem Zaun an der Grenze des Grundstücks stand und nicht durchkam. Wie ein Schutzengel kam völlig unerwartet ein Mann mit einem Hund des Weges, der sogar noch einen Drahtschneider dabei hatte und ihr helfen konnte."
Die Geiseln im Basislager hören ganz genau, wie die Männer darüber reden, sie umzubringen. "Aber ich hatte keine Angst", sagt Ben Freeth. "Ich redete mit Gott, sagte ihm: Ich freue mich darauf, dass ich heute bei Dir sein werde. Bitte passe auf meine Frau und meine Kinder auf." Liebet Eure Feinde, dieses Bibelwort sei überdeutlich in seinem Kopf gewesen. "Ich fühlte eine solche überschäumende Liebe für diese Leute. Sie sind doch auch Opfer und brauchen genauso wie wir Gottes Liebe. Ich habe dann versucht, meine geschundenen Hände nach unseren Bewachern auszustrecken und sie zu segnen", meint Ben Freeth - und mir läuft beim Zuhören ein Schauer über den Rücken.
Am späten Abend kommt plötzlich Bewegung in das Basislager. Die schwer verletzten Geiseln werden erneut auf Autos verladen. "Ich dachte wirklich, jetzt werden wir zu unseren Gräbern gebracht - aber ich hatte noch immer tiefen inneren Frieden." "Ich habe die Angreifer gesegnet" Was dann geschieht, erscheint wie ein weiteres Wunder: Nach mehreren Kilometern halten die Fahrzeuge an, die Geiseln werden in Kadoma einfach so auf die Straße geworfen, die Angreifer verschwinden. "Einer der Männer sagte sogar 'Entschuldigung' zu mir", erinnert sich Freeth. Als einziger kann er noch laufen und schleppt sich zum Haus einer alten Frau, von wo aus er Hilfe holt. Alle drei werden schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert - Freeth mit gebrochenen Rippen und Kopfverletzung, Mike Campbell mit Finger-, Rippen- sowie einem Schlüsselbeinbruch, Angela Campbell mit einem doppelten Armbruch, Schwellungen und Verbrennungen. Ben Freeth wird erst am 12. Juli entlassen - "einen Tag später war ich wieder auf der Farm, zur Freude meiner Familie und unserer Angestellten, für die ich mich auch verantwortlich fühle". Wie durch ein weiteres Wunder, so Freeth, haben weder er noch seine Schwiegereltern seitdem mit einem Trauma oder Albträumen zu kämpfen.
Das blutige Drama ist nur der grausige Höhepunkt der Auseinandersetzung der Campbells mit dem simbabwischen Staat. Schon 1997 wurden sie erstmals zur Enteignung vorgesehen, seitdem flatterten noch mehrfach Enteignungsbescheide ins Haus, die aber entweder zurückgezogen oder von Gerichten zeitweilig außer Kraft gesetzt wurden. Seit dem Jahr 2000 kam es immer wieder zu Invasionen, ein Feldzug zum "Stehlen, Töten und Zerstören", wie Bens Vater Zach traurig anmerkt, der Simbabwe gezwungenermaßen den Rücken gekehrt hat. Wer nicht innerhalb von 90 Tagen nach Benachrichtigung seine Farm verlässt, muss für zwei Jahre ins Gefängnis. 2002 wurde auch Ben Freeth zum ersten Mal verhaftet und unter unmenschlichen Bedingungen im Knast festgehalten. 2004 war die Farm Mount Carmell, die heute offiziell dem Unternehmen Mike Campbell (Private) Limited gehört, im Auftrag eines Ministers gestürmt worden, angeblich sollte das Land dem Politiker zugeteilt worden sein.
Auch Bruce Campbell hat die Härte von Mugabes, des in den Augen der Campbells personifizierten Bösen, gewaltsamen Landnahme-Prozesses am eigenen Leibe erlebt. Sein Stück Land, das dereinst eine florierende Wildfarm für vor allem ausländische Touristen war, wurde ebenfalls zur Enteignung vorgesehen, die Lodge später niedergebrannt, das Wild von Mugabe-gesteuerten Schergen erschossen. "Das war ein schrecklich traumatisches Erlebnis für meinen Schwiegervater, er konnte jahrelang nicht darüber sprechen", erinnert sich Freeth. "Wenn er heute Giraffen im Fernsehen sieht, muss er das Gerät abschalten."
Bruce Campbell weigerte sich trotz einer drohenden zweijährigen Haftstrafe, seinen Grund und Boden zu verlassen - und lebt mittlerweile wie auf einer einsamen Insel: Rund um sein Haus wurden zahlreiche Menschen aus einer hunderte Kilometer entfernten Provinz angesiedelt - und diese kamen zu Anfang nicht nur gelegentlich mit Knüppeln bewaffnet zu Einschüchterung vorbei, sondern schleppten auch einen neuen Malaria-Strang in den Chegutu-Distrikt ein, der innerhalb weniger Tage mehrere Menschen hinwegraffte. Bruces Frau war zu jener Zeit nach langem Warten endlich mit Zwillingen schwanger und infizierte sich mit dem Schwarzfieber. Zwar wurde sie noch in Südafrika ins Krankenhaus gebracht, innerhalb von 24 Stunden waren sie und ihre ungeborenen Kinder aber tot.Marathon durch die InstanzenSeit 2005 prozessieren Mike Campbell und Freeth gegen die Enteignungen, haben sich durch alle Instanzen gekämpft und immer wieder verloren. Im Oktober 2007 haben sie deshalb das SADC-Tribunal um Hilfe angerufen, das ihnen und weiteren 77 prozessierenden Farmern zwischenzeitlich per Einstweiliger Verfügung Schutz und die Erlaubnis zugesichert hatte, auf ihrem Land bleiben zu dürfen, bis ein abschließendes Urteil gefällt worden ist. Das Mugabe-Lager scheint dies wenig zu interessieren: Auch andere Farmer wurden überfallen, misshandelt, ermordet, darunter auch ein guter Freund der Familie. Ben Freeth musste die von Gewehrkugeln durchlöcherte und misshandelte Leiche später identifizieren. "Wir waren mal 350 weiße Farmer in unserer Gegend", so Freeth. "Binnen sechs Wochen nach Beginn der Invasion ist diese Zahl auf 50 gesunken."
Warum er sich die dauernde Angst, den Ärger und immer wiederkehrende Enttäuschungen antut, will ich wissen. "Der wichtigste Grund ist mein Glaube. Gott hat uns noch nicht wegbeordert, er hat uns dort hingestellt. Simbabwe braucht Leute, die Licht und Hoffnung bringen, auch für unsere Arbeiter, die ja auch behelligt werden, wie zum Beispiel kürzlich vor der Stichwahl, als 30 bei meiner Frau angestellte Näherinnen entführt, bedrängt und ebenfalls mit kaltem Wasser übergossen wurden." Er sieht auch eine Verantwortung für die Jugend seines Landes, das ihm, dem gebürtigen Briten, zur geliebten Heimat geworden ist: "Ich bin so besorgt über das, was Mugabe mit unserer Jugend macht, sie wird indoktriniert, ihr wird das Schlagen und Töten beigebracht und jegliche Liebe aus dem Herzen gerissen."
"Wir bleiben für unsere Kinder"Einen weiteren Grund für sein Durchhaltevermögen nennt Ben Freeth in einem vor fünf Jahren geschriebenen Brief an seinen heute fast neun Jahre alten Sohn Joshua, der kürzlich um die Welt ging und Millionen Menschen bis ins Mark rührte. "Wir bleiben für Dich, für unsere Kinder", schreibt Freeth darin. Weglaufen sei keine Lösung. Das betont er auch im Gespräch mit mir immer wieder und grinst nahezu spitzbübisch. "Vielleicht bin ich ein bisschen stur. Schon mein Großvater wurde 'Furchtloser Freeth' genannt, das scheint sich auf mich übertragen zu haben. Wegrennen war noch nie was für mich", meint Ben - und sein Vater Zach will sogar deutsche Tugenden darin erkannt haben. Immerhin hat Ben Freeth, bevor er 1982 nach Simbabwe kam, sieben Jahre seiner Jugend in Deutschland verbracht, wo sein Vater als britischer Soldat stationiert war - beide können noch heute die Namen von Orten in Deutschland, deren Schönheit und vor allem eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, das Skispringen, in dem Ben ein wahres Ass gewesen sein muss ("Ich wollte eigentlich 1994 an den Olympischen Spielen im norwegischen Lillehammer teilnehmen"), bildhaft schildern.
Unser Gespräch ist zu Ende. Es war aufwühlend, bewegend, beeindruckend. Der gestandene Soldat Zach Freeth weint - und sein Sohn Ben schickt in einfachen Worten in aller Öffentlichkeit ein Gebet zum Himmel."Wir bauen wieder auf"Am Samstag ist Ben Freeth wieder zurückgekehrt auf Mount Carmell. "Ich habe keine Angst", sagt er bei unserer herzlichen Verabschiedung. "Mein Glaube ist so stark, nichts kann mich von Gottes Liebe trennen." Jetzt wartet er auf ein positives Urteil des SADC-Tribunals und glaubt fest daran ("Die Richter haben uns wirklich zugehört und dann sogar Worte verwendet, die mein Vater und ich am morgen noch in der täglichen Bibellese gefunden hatten."). Ben Freeth hat noch viel vor, auch wenn er nicht an einen schnellen Regimewechsel glaubt: "Wir bauen unsere Wildfarm wieder auf. Irgendwann. Dann, wenn wir in Simbabwe wieder zurückgekehrt sind zu Rechtsstaatlichkeit und Achtung vor Menschenrechten. Es gibt schon ersten Widerstand in Armee und Polizei gegen das, was Mugabe macht. Der wird sich ausweiten. Und ich bin sicher: Das Böse wird nicht für immer bleiben."
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Allgemeine Zeitung
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