Singend durch den Zahlendschungel
Susanne Berchtold gibt sozial benachteiligten Kindern in Katutura ehrenamtlichen Nachhilfeunterricht
Von Milena Schwoge, Windhoek
Auf einem Klapptisch baut Berchtold ihren Laptop mit Projektor auf, so dass die Schüler dem Unterricht auf der aus einem Vorhang gebauten Leinwand folgen können.
Von 8.30 bis 11.30 Uhr widmet sie sich alleinig den Bedürfnissen der Kinder. Die gelernte Software-Entwicklerin übt mit ihnen Mathe und Englisch. Das macht sie ehrenamtlich. „Mir ist es wichtig, die Kinder zu fördern und sie auf ihre Zukunft vorzubereiten“, sagt sie. Unterstützt wird sie bei ihrem Vorhaben von der Verwaltungsangestellten Pearl Garoes und dem Psychologie-Studenten Linus Kwenani. Während Pearl mit den Schülern Englisch übt und deren Aussprache sowie Leseverständnis bewertet, betreibt Linus mit ihnen Motivationstraining. „Jeder hat eine Chance verdient. Und jedes der Kinder hat Potenzial“, sagt Pearl überzeugt.
In Namibia besteht laut Bildungsgesetz für alle Kinder eine Schulpflicht. Kinder in Katutura erfüllen aufgrund ihres sozialen und familiären Umfelds allerdings oft nicht die notwenigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schulbesuch. Alkoholismus und häusliche Gewalt sind in vielen Hütten des Townships nach wie vor sichtbar, den Kindern mangelt es an Selbstvertrauen und an einem ausgeprägten Sozialverhalten. Bildung ist für die meisten die einzige Chance, um aus der Misere herauszukommen. Dass es funktionieren kann, beweist Berchtold mit ihrem Konzept.
Zu Beginn jeder Unterrichtseinheit müssen die vier- bis elfjährigen Schüler kräftig ihre Gliedmaßen schütteln und sich mit Sprüngen warm machen. Später folgen kurze Vorstellungen und Referate vor der Klasse.
„Körpersprache ist der Schlüssel zum Leben. Ich möchte ihnen zeigen, dass sie alles erreichen können, solange sie an sich glauben“, erklärt Kwenani. Als Schauspieler und Model weiß er, wie wichtig es ist, im Berufsleben selbstsicher aufzutreten. Bewegung spielt im Nachhilfeunterricht von Berchtold generell eine große Rolle: „Mir ist es wichtig, die Kinder spielerisch an den Stoff heranzuführen. Zeitgleich sollen sie natürlich auch gefordert werden.“
Dabei ignoriert sie bewusst die konventionellen Schulbücher und setzt auf eigene Methoden. Statt das kleine und große Einmaleins mühselig auswendig zu lernen, spielt Berchtold jeden Morgen ein Lied, dessen Text sich den Zahlen widmet. „Die Kinder haben großen Nachholbedarf in Mathe. Ich möchte ihnen wenigstens das mit auf den Weg geben, was sie im Alltag immer mal wieder brauchen“, erklärt die Nachhilfelehrerin.
Ihr Konzept kommt bei den Schülern gut an. Alle sind hochmotiviert. Freudig stimmen sie in den Song ein und wippen im Takt zur Musik, während sie die Rechenergebnisse laut in den Raum rufen. „Bei Susanne verstehen wir den Unterricht“, sagt Alicia. Sie schaut zu ihrer Klassenkameradin Christina herüber. „Man kann sie fragen, wenn etwas unklar ist. Deshalb macht das Lernen auch viel mehr Spaß. In der Schule sind die Lehrer oft schnell genervt“, fügt die Dreizehnjährige hinzu.
Die Erfolge sind auch an anderer Stelle sichtbar: Die Mehrheit der Kinder hat sich in den Tests über die vergangenen Wochen verbessert. „Ich war in der Schule nie gut im Matheunterricht. Die Hausaufgaben von Susanne und die Rechnenabkürzungen sind sehr hilfreich“, erklärt Jordan. Die Schülerin träumt davon, eines Tages Ärztin zu werden. Daher möchte sie unbedingt in der Schule besser werden.
„Ich schätze einen aktiven Unterricht. Mir ist es wichtig, dass alle involviert werden und dass sie lernen, ihre Meinung zu äußern“, betont Berchtold. Neben den vier Grundrechenarten und dem Lesen liegt es ihr am Herzen, den Schülern wichtige Informationen rund um Themen wie Ethik, Hygiene und HIV zu geben. Die Chefin von BSDaT (Berchtold Software Development and Training) organisiert zudem jährlich ein Ferienlager, mit dem sie Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen eine tolle Zeit bieten möchte, wie sie sie nur selten erleben. Damit hat sich die Schweizerin, die 2005 nach Namibia kann, einen ihrer größten Träume erfüllt. Neben Sport und Spielen zur Unterhaltung bekommen die Teilnehmer während der drei Tage auch Unterricht. Rund 25 freiwillige Helfer von der Brock-Universität und der Waterloo-Universität reisen dafür extra aus Kanada an.
Beim letzten Camp sei die Nachfrage so groß gewesen, dass Berchtold die Auswahl anhand eines Mathematiktests traf. Die Ergebnisse schockierten die Schweizerin. "Keines der Kinder hat den Test bestanden. Das hat mir nochmal gezeigt, dass Hilfe dringend notwendig ist", berichtet sie.
Darüber hinaus lernen die Kinder, im Team zu arbeiten und bauen eine freundschaftliche Beziehung untereinander auf. „Wir unterrichten sie vorher ein Jahr lang in der Samstagsschule. Das Camp bildet für alle den Abschluss. Danach kommen wieder neue Kinder aus Katutura in die Schule“, erklärt Berchtold das Prinzip. Wenn es nach ihr geht, könnte dort der Nachhilfeunterricht auch mehrmals die Woche stattfinden. Dafür braucht sie jedoch dringend die finanzielle Unterstützung von Sponsoren sowie weitere ehrenamtliche Mitarbeiter. Bisher finanziert Berchtold die Unterrichtsmaterialien selbst. „Ich würde mir für die Kinder wünschen, dass wir noch mehr für ihre Zukunft tun können. Nachmittags haben sie ohnehin nichts zu tun und ihre Motivation ist groß. Warum sollen wir dort also nicht auch die Zeit nutzen?“, sagt sie.
Wer an weiteren Informationen interessiert ist oder das Projekt ehrenamtlich unterstützen möchte, kann sich bei Susanne Berchtold per Email an [email protected] wenden.
Auf einem Klapptisch baut Berchtold ihren Laptop mit Projektor auf, so dass die Schüler dem Unterricht auf der aus einem Vorhang gebauten Leinwand folgen können.
Von 8.30 bis 11.30 Uhr widmet sie sich alleinig den Bedürfnissen der Kinder. Die gelernte Software-Entwicklerin übt mit ihnen Mathe und Englisch. Das macht sie ehrenamtlich. „Mir ist es wichtig, die Kinder zu fördern und sie auf ihre Zukunft vorzubereiten“, sagt sie. Unterstützt wird sie bei ihrem Vorhaben von der Verwaltungsangestellten Pearl Garoes und dem Psychologie-Studenten Linus Kwenani. Während Pearl mit den Schülern Englisch übt und deren Aussprache sowie Leseverständnis bewertet, betreibt Linus mit ihnen Motivationstraining. „Jeder hat eine Chance verdient. Und jedes der Kinder hat Potenzial“, sagt Pearl überzeugt.
In Namibia besteht laut Bildungsgesetz für alle Kinder eine Schulpflicht. Kinder in Katutura erfüllen aufgrund ihres sozialen und familiären Umfelds allerdings oft nicht die notwenigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schulbesuch. Alkoholismus und häusliche Gewalt sind in vielen Hütten des Townships nach wie vor sichtbar, den Kindern mangelt es an Selbstvertrauen und an einem ausgeprägten Sozialverhalten. Bildung ist für die meisten die einzige Chance, um aus der Misere herauszukommen. Dass es funktionieren kann, beweist Berchtold mit ihrem Konzept.
Zu Beginn jeder Unterrichtseinheit müssen die vier- bis elfjährigen Schüler kräftig ihre Gliedmaßen schütteln und sich mit Sprüngen warm machen. Später folgen kurze Vorstellungen und Referate vor der Klasse.
„Körpersprache ist der Schlüssel zum Leben. Ich möchte ihnen zeigen, dass sie alles erreichen können, solange sie an sich glauben“, erklärt Kwenani. Als Schauspieler und Model weiß er, wie wichtig es ist, im Berufsleben selbstsicher aufzutreten. Bewegung spielt im Nachhilfeunterricht von Berchtold generell eine große Rolle: „Mir ist es wichtig, die Kinder spielerisch an den Stoff heranzuführen. Zeitgleich sollen sie natürlich auch gefordert werden.“
Dabei ignoriert sie bewusst die konventionellen Schulbücher und setzt auf eigene Methoden. Statt das kleine und große Einmaleins mühselig auswendig zu lernen, spielt Berchtold jeden Morgen ein Lied, dessen Text sich den Zahlen widmet. „Die Kinder haben großen Nachholbedarf in Mathe. Ich möchte ihnen wenigstens das mit auf den Weg geben, was sie im Alltag immer mal wieder brauchen“, erklärt die Nachhilfelehrerin.
Ihr Konzept kommt bei den Schülern gut an. Alle sind hochmotiviert. Freudig stimmen sie in den Song ein und wippen im Takt zur Musik, während sie die Rechenergebnisse laut in den Raum rufen. „Bei Susanne verstehen wir den Unterricht“, sagt Alicia. Sie schaut zu ihrer Klassenkameradin Christina herüber. „Man kann sie fragen, wenn etwas unklar ist. Deshalb macht das Lernen auch viel mehr Spaß. In der Schule sind die Lehrer oft schnell genervt“, fügt die Dreizehnjährige hinzu.
Die Erfolge sind auch an anderer Stelle sichtbar: Die Mehrheit der Kinder hat sich in den Tests über die vergangenen Wochen verbessert. „Ich war in der Schule nie gut im Matheunterricht. Die Hausaufgaben von Susanne und die Rechnenabkürzungen sind sehr hilfreich“, erklärt Jordan. Die Schülerin träumt davon, eines Tages Ärztin zu werden. Daher möchte sie unbedingt in der Schule besser werden.
„Ich schätze einen aktiven Unterricht. Mir ist es wichtig, dass alle involviert werden und dass sie lernen, ihre Meinung zu äußern“, betont Berchtold. Neben den vier Grundrechenarten und dem Lesen liegt es ihr am Herzen, den Schülern wichtige Informationen rund um Themen wie Ethik, Hygiene und HIV zu geben. Die Chefin von BSDaT (Berchtold Software Development and Training) organisiert zudem jährlich ein Ferienlager, mit dem sie Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen eine tolle Zeit bieten möchte, wie sie sie nur selten erleben. Damit hat sich die Schweizerin, die 2005 nach Namibia kann, einen ihrer größten Träume erfüllt. Neben Sport und Spielen zur Unterhaltung bekommen die Teilnehmer während der drei Tage auch Unterricht. Rund 25 freiwillige Helfer von der Brock-Universität und der Waterloo-Universität reisen dafür extra aus Kanada an.
Beim letzten Camp sei die Nachfrage so groß gewesen, dass Berchtold die Auswahl anhand eines Mathematiktests traf. Die Ergebnisse schockierten die Schweizerin. "Keines der Kinder hat den Test bestanden. Das hat mir nochmal gezeigt, dass Hilfe dringend notwendig ist", berichtet sie.
Darüber hinaus lernen die Kinder, im Team zu arbeiten und bauen eine freundschaftliche Beziehung untereinander auf. „Wir unterrichten sie vorher ein Jahr lang in der Samstagsschule. Das Camp bildet für alle den Abschluss. Danach kommen wieder neue Kinder aus Katutura in die Schule“, erklärt Berchtold das Prinzip. Wenn es nach ihr geht, könnte dort der Nachhilfeunterricht auch mehrmals die Woche stattfinden. Dafür braucht sie jedoch dringend die finanzielle Unterstützung von Sponsoren sowie weitere ehrenamtliche Mitarbeiter. Bisher finanziert Berchtold die Unterrichtsmaterialien selbst. „Ich würde mir für die Kinder wünschen, dass wir noch mehr für ihre Zukunft tun können. Nachmittags haben sie ohnehin nichts zu tun und ihre Motivation ist groß. Warum sollen wir dort also nicht auch die Zeit nutzen?“, sagt sie.
Wer an weiteren Informationen interessiert ist oder das Projekt ehrenamtlich unterstützen möchte, kann sich bei Susanne Berchtold per Email an [email protected] wenden.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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