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Skier, Sand und ein Weltrekord

Die Dünen zwischen Swakopmund und Walvis Bay liegen noch eingehüllt im dichten Frühnebel. Aus der Ferne sind sie kaum zu erkennen, doch beim Näherkommen zeigt sich dann doch plötzlich das namibische "Matterhorn". Hier irgendwo muss es sein, hier soll eine 75 Meter hohe Düne Schauplatz einer einzigartigen Veranstaltung werden: Ein deutscher Ski-Fahrer will im Dünengürtel einen Abfahrtrekord aufstellen.
Vor knapp zehn Jahren war Henrik May, gebürtig aus Zella-Mehlis in Thüringen, in der ehemaligen DDR, nach Namibia ausgewandert. Er suchte "die Freiheit" und versprach sich diese durch Namibias weite Flächen. Nach seiner Ankunft lebte er zuerst auf einer Farm und lernte dort erst einmal Land und Leute kennen. Dann zog es ihn an die Küste, nach Swakopmund. Hier führte er zusammen mit seiner Mutter das Sophia Dale Restcamp und war so den Dünen und dessen Schönheit nah.

Zwei Jahre nachdem May den namibischen Lebensstil lieben gelernt hatte, zeigte ein Freund dem einstigen Ski-Athleten die Möglichkeit des Dünenskis. So wie einst in Europa im Schnee fuhren die beiden auf den Dünen Ski und in Henrik wuchs die Leidenschaft, diesen Sport nicht nur auszuüben, sondern auch mit anderen Interessenten zu teilen.
Henrik begann an seinem Konzept zu feilen. Er wollte Ski-Fans dazu bringen, ihn auf seinen Dünen-Ski-Ausflügen zu begleiten. Drei Fliegen mit einer Klappe, denn er ging nicht nur seiner Leidenschaft nach, es wurde für ihn auch ein Ansporn, seine Mitläufer für den Reiz und die Pracht "seiner" Welt zu begeistern. Zudem konnte er sich damit seinen Unterhalt verdienen. Es sprach sich schnell herum und es reisten inzwischen viele Interessierte aus aller Welt nach Namibia, um mit Henrik das namibische Matterhorn zu erleben, egal ob beim Telemark-, Downhill- oder Cross-Country-Skifahren.
Acht Jahre später ist Henrik am Höhepunkt seines Sportes angekommen. Nach etlichen Testläufen, Telefonaten und der Absicherung, dass alles glatt läuft, hat er die Chance, in einem der berühmtesten Bücher der Welt zu erscheinen, dem Guinness-Buch-der-Rekorde. Der Rekord ist einzigartig und originell, weil es ihn noch nicht gibt. Mit dieser Höchstleistung will der Sportler aber nicht nur Prestige oder Anerkennung für seinen Sport schaffen, er hat eine weitere, tiefere Absicht.
Wegen eines Motorradunfalls hätte Henrik fast das sportliche Handtuch schmeißen müssen. Aber durch seine Willenskraft und sein Durchsetzungsvermögen schaffte er es, wieder auf die Beine zu kommen. "Ich will den Menschen zeigen, dass man niemals aufgeben soll" - Worte, nach denen er zu leben scheint und die man sich zu Herzen nehmen sollte. Dieser Unfall gab Henrik noch einen zusätzlichen Schub Motivation, den Dünen-Ski-Rekord aufstellen zu wollen.

Am 31. Mai 2010 ist es dann soweit. Das Wetter spielt mit und für Henrik beginnt eine der bedeutendsten Stunden seiner Ski-Karriere - vielleicht auch seines Lebens. "Die Angst vor einem Sturz habe ich schon verdrängt. Während des Übens war sie immer da, so konnte ich nie hundert Prozent geben. Jetzt aber weiß ich, dass ich vor dem Rekord stehe und die Angst hier keinen Platz mehr hat", gibt May noch vor dem Aufstieg zu erkennen.
Vor Vertretern seiner Sponsoren - Air Namibia, Head, Toko, Knicke und Alge Timing - sowie Zuschauern und Bekannten stapft er durch dicken Sand und schleppt die 20 Kilogramm schwere Ausrüstung die auserwählte Düne hinauf. Da steht er nun, ganz oben. Seine Zuschauer können ihn kaum sehen, doch sie sind sich sicher: Jetzt kommt was Großes!
Und dann ist es auch schon geschehen. Kaum ein Laut ist zu hören, als Hendrik May das erste Mal vorbeizischt und plötzlich auf der Zunge der Düne steht. Dann eine Durchsage: "Ninety-one point seven kilometers per hour. I repeat, ninety-one point seven kilometers per hour." Mitorganisatorin des Events, Daniela Gurski, notierte die 91.7 Stundenkilometer auf der "Rekordtafel". Und während sie noch mit der Kreide die Ziffern schreibt, ist May schon wieder auf dem Weg, um seinen zweiten Anlauf zu versuchen. "Mach lieber aber noch mal sicher, ob es 91 oder 71 km/ h sind", ruft einer der Zeitrichter erstaunt. Doch die 91 Stundenkilometer stimmen.
Erneut steht der Dünenskifahrer ganz oben und bereit für den zweiten Versuch. Ein neues Paar Skier und ein erneuter Anlauf sollen ihn und Namibia jetzt weltberühmt machen. Wieder die spannende Stille, dann der kurze Moment seiner Wahrnehmung gefolgt von einem euphorischer Aufschrei: "Ninety-two point two". Diesmal wird nicht nochmal nachgefragt. Er hat sich um einen halben Stundenkilometer verbessert. May bleibt aber keine Zeit mitzujubeln, einen letzten Versuch will er noch wagen. Vielleicht ist es möglich, den letzten Punktestand erneut zu verbessern und damit den nächsten Anwärter richtig herauszufordern?

Sichtbar ermüdet und geschafft, steigt Henrik noch einmal die Düne hoch. Er verwendet die Skier, mit denen er beim zweiten Versuch hinunter geflitzt war. Mit weniger Wachs an den Skiern und damit mehr Widerstand schafft er es aber nicht, sich zu verbessern. Dennoch er hat seine eigenen Vorstellungen übertroffen. "Bei den Übungen erreichte ich meistens um die 70 km/ h", hatte May vorab angekündigt. Vielleicht zählt dieser Triumph sogar mehr als der Rekord, denn er wollte vor allem sich selbst beweisen, dass er den Eintrag ins Guinness-Buch schafft.

Nachdem der Staub, den er mit seinen Skiern aufgewirbelt hat, sich legt und die Sonne so langsam zu sinken beginnt, blickt May zufrieden zur Düne hinauf und lässt die Geschehnisse noch einmal gedanklich passieren. Er hat nicht nur den Rekord vorgegeben, sonder auch organisatorisch viel zu tragen gehabt. Jetzt hat ihn erstmal der Alltag wieder, doch das kann sich ganz schnell ändern. Er und Namibia warten in Spannung auf den Eintrag ins Guinness-Buch-der Rekorde: Henrik May, der schnellste Dünen-Abfahrtski-Läufer der Welt.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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