Smuts beschreibt Zerreißproben vor Gericht
Die regierende Swapo legt die Politik der nationalen Aussöhnung dahingehend aus, dass ihre Geschichte der Straf- und Folterlager im Exil sowie ihrer Eingekerkerten und „Verschollenen“ tabu bleiben sollte. Und die demokratisch gewählte Nachfolgeregierung des weißen Minderheitsregimes in Südafrika ab 1994 hat mit der Aufarbeitung der südafrikanischen Verwaltung und dem Buschkrieg in und um das damalige SWA/Namibia auch „nichts am Hut“. Zur Unabhängigkeit Namibias verabschiedete die neue Regierung die Generalamnestie für alle vorher verfeindeten Uniformträger beider Seiten, um den Start in die souveräne Gesellschaft zu erleichtern. Damit waren und sind Wunden, Exzesse und Traumata des Unabhängigkeitskampfes jedoch nicht überwunden. Eine Initiative zur öffentlichen Aufarbeitung ähnlich der TRC in Südafrika (Truth and Reconciliation Commission), die namibische Kirchen Mitte der 90-iger Jahre angestrebt hatten, hat die regierende Partei effektiv abgewürgt.
Für Menschenrechte engagiert
Aber im kostbaren Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit in Namibia und Südafrika schreiben und publizieren Zeitzeugen - Juristen, Gefolterte und Ernüchterte - ihre persönlichen Erfahrungen nieder. Erfahrungen, in denen sie zumeist um Haaresbreite mit dem Schrecken davongekommen sind.
David Smuts, jetzt Richter des Obersten Gerichtshofes, dem Appellationsgericht Namibias (Supreme Court), ist als unerschrockener Menschenrechtsjurist im letzten Jahrzehnt vor Namibias Unabhängigkeit auch ins Fadenkreuz des südafrikanischen Militär-Geheimdiensts geraten. Auf der Liste standen unter anderen der Swapo-Aktivist Advokat Anton Lubowski, nachweislich vom südafrikanischen Geheimdienst ermordet, sowie die Chefredakteurin und Gründerin der neuen Tageszeitung „The Namibian“, damals deutlich im Fahrwasser der Swapo, und andere. Smuts` Schilderung seines Engagements bei der Gründung der Zeitung gehört zu den besonders spannenden Kapiteln. Die Redaktion in Windoek West musste anfangs Brandkörper-Anschläge überstehen.
In diesem Buch behandelt Smuts exakt mit überprüfbaren Zeit-, Personen- und Ortsangaben seinen und den Einsatz weniger gleichgesinnter Juristen, Gefangene sowie Angeklagte unter dem Anti-Terrorismus-Gesetz zu verteidigen, bzw. geheim gehaltene (Buschkriegs)Gefangene wenigstens ans Tageslicht des Gerichts zu bringen, auch wenn ihre Freilassung nicht zu erwirken war. Das Jahrzehnt der 80-ziger Jahre stand im Zeichen extremer politischer Polarisierung sowie des kubanischen Junktims. Obwohl Südafrika 1978 den UN-Lösungsplan für Namibia (UN-Sicherheitsrats-Resolution 435) formal angenommen hatte, hat Pretoria die Umsetzung selbiger Resolution mit Unterstützung der USA solange verweigert, bis mit Kuba (und damit der Sowjetunion) vereinbart war, dass die kubanischen Truppen aus Angola abziehen würden, worauf auch das südafrikanische Militär, die Schutz- oder Besatzungsmacht in SWA/Namibia, das Territorium verlassen würde, was dann geschehen ist. Diese Kulisse sollte man bei der Lektüre des packenden Werkes von Smuts im Auge behalten.
Nachdem mehrere Überlebende der Swapo-Straflager in Angola, Sambia und Tansania, unter Anderen Oiva Angula und Samson Ndeikwila sowie zuvor der lutherische Pastor Siegfried Groth Folter und höchst fragwürdige Einkerkerung belegt haben, wurde es höchste Zeit, die Aufmerksamkeit auf die südafrikanische Rechtsprechung in Namibia, den südafrikanischen Geheimdienst, darunter das sogenannte Civil Cooperation Bureau/Burgerlike Beskermingskomitee (CCB/BBK), berüchtigt für Gift- und Mordanschläge, sowie auf die Verhör- und Foltermethoden der Polizei und des südafrikanischen Militärs zu lenken, frei von Patipropagnda. Als qualifizierter junger Jurist leistet Smuts ab Januar 1978 zwei Jahre Wehrpflicht hautpsächlich im
Ovamboland ab, was seine liberale politische Gesinnung dann zur Ablehnung des gsamten des Status Quo steigert. Er möchte nicht länger Verteidigungsanwalt sein, sondern vom System Rechenschaft verlangen. Nach dem Militärdienst avanciert er in der Kanzlei Lorentz & Bone unter John Kirkpatrick bis zu Partnerschaft. 1983 holt er sich dabei noch einen juristischen Grad an der Harvard-Universität (USA). 1973 hatte er in Stellenbosch sein Jurastudium begonnen und sich mit dem Kommilitonen Anton Lubowski angefreundet.
Brisante Gerichtsprozesse
Smuts nimmt die Leserschaft mit auf seinen forschen Weg als Verteidigungsanwalt in packende Justizrecherchen, um geheim gehaltene Gefangene auf die Gerichtsagenda zu bringen. Er setzt sich mit dem Koevoet-Befehlshaber (Sterk) Hans Dreyer auseinander, um konvertierten, „halb gefangenen“, ehemaligen Swapo-Kämpfern in den Reihen der unkonventionellen Guerilla-Abwehr die Rückkehr ins Zivilleben zu ebnen. Er exponiert Fälle der methodischen Folter politischer Gefangener und Häftlinge. Er deckt vertuschte Fälle von Gräueltaten der Sicherheitskräfte gerichtlich auf. Noch im Übergangsjahr 1989, als UNO-Kräfte für Frieden im Land sorgen sollen, erhalten Smuts, Lister und Lubowski Todesdrohungen per Telefon. Die akribische Schilderung der Ermordung Lubowskis und des Geflechts geheimer, Aktionen, samt Namen der „under cover“-Akteure des Militärs gehören zu den spannendsten Abschnitten des Buches. Smuts exponiert fener die vielrassische Übergangsregierung von Pretorias Gnaden von 1985, die mit einem Katalog der Menschenrechte publikumswirksam aus der Taufe gehoben wurde, diese aber unter Druck der Sicherheitskräfte nicht konsequent anwenden wollte oder konnte. Wiederholt lässt er sich von namhaften Anwälten in Südafrika beraten, die seine Strategie vor dem Richterstuhl mitprägen. Kurz vor der Unabhängigkeit verlässt Smuts die Anwaltskanzlei und gründet das Zentrum für Rechtsbeistand LAC (Legal Assistance Centre) entgegen der Störmanöver der Sicherheitskräfte. Schließlich reißt er knapp noch das leidige Thema der Swapo-Straflager an. Überlebende konnten in Windhoek ihre Folternarben zeigen.
Als verwirrende, vermeidbare Stilschwäche bei Smuts stellt sich seine Vorliebe heraus, Anwaltskollegen und ihm besonders vertraute Mandanten nach erster Erwähnung nur noch beim Vornamen zu nennen, wie sonst nur im Geplauder an der Bartheke üblich, „on first names“. Das führt dazu, dass der Leser nach 258 Seiten plötzlich wieder auf „Samson“ stößt und sich hoffentlich daran erinnert, dass es um den Swapo-Dissidenten Ndeikwila geht. Bei Prozessgegnern, militärischen Befehlshabern und „entfernteren“ Personen hingegen verwendet er sinnvoll den vollen, bzw. den Nachnamen. Ebenso verwirrend ist das IG-Kürzel für die Übergangsregierung, das gemeinhin für die langjährige Interessengemeinschaft Deutschsprachiger Südwester geläufig war, anstatt die amtliche Bezeichnung TGNU (Transitional Government of National Unity) zu nutzen. Eingangs stellt sich Smuts bei der Kurzeinführung in Namibias Geschichte unreflektiert hinter das Genozid-Dogma.
Dieses Werk zählt ansonsten zu den einschlägigen, unentbehrlichen und zuverlässigen Quellen der Zeitgeschichte und trägt zum fundierten Verständnis der gegenwärtigen Gesellschaft bei. Es beleuchtet Bereiche, die vor allem dem in den 80-iger Jahren weitgehend abgeschirmten weißen Bevölkerungsteil eine hilfreiche Offenlegung sein dürften. In der packenden Niederschrift trifft die namibische Leserschaft zahlreiche bekannte Akteure an.
Eberhard Hofmann
Für Menschenrechte engagiert
Aber im kostbaren Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit in Namibia und Südafrika schreiben und publizieren Zeitzeugen - Juristen, Gefolterte und Ernüchterte - ihre persönlichen Erfahrungen nieder. Erfahrungen, in denen sie zumeist um Haaresbreite mit dem Schrecken davongekommen sind.
David Smuts, jetzt Richter des Obersten Gerichtshofes, dem Appellationsgericht Namibias (Supreme Court), ist als unerschrockener Menschenrechtsjurist im letzten Jahrzehnt vor Namibias Unabhängigkeit auch ins Fadenkreuz des südafrikanischen Militär-Geheimdiensts geraten. Auf der Liste standen unter anderen der Swapo-Aktivist Advokat Anton Lubowski, nachweislich vom südafrikanischen Geheimdienst ermordet, sowie die Chefredakteurin und Gründerin der neuen Tageszeitung „The Namibian“, damals deutlich im Fahrwasser der Swapo, und andere. Smuts` Schilderung seines Engagements bei der Gründung der Zeitung gehört zu den besonders spannenden Kapiteln. Die Redaktion in Windoek West musste anfangs Brandkörper-Anschläge überstehen.
In diesem Buch behandelt Smuts exakt mit überprüfbaren Zeit-, Personen- und Ortsangaben seinen und den Einsatz weniger gleichgesinnter Juristen, Gefangene sowie Angeklagte unter dem Anti-Terrorismus-Gesetz zu verteidigen, bzw. geheim gehaltene (Buschkriegs)Gefangene wenigstens ans Tageslicht des Gerichts zu bringen, auch wenn ihre Freilassung nicht zu erwirken war. Das Jahrzehnt der 80-ziger Jahre stand im Zeichen extremer politischer Polarisierung sowie des kubanischen Junktims. Obwohl Südafrika 1978 den UN-Lösungsplan für Namibia (UN-Sicherheitsrats-Resolution 435) formal angenommen hatte, hat Pretoria die Umsetzung selbiger Resolution mit Unterstützung der USA solange verweigert, bis mit Kuba (und damit der Sowjetunion) vereinbart war, dass die kubanischen Truppen aus Angola abziehen würden, worauf auch das südafrikanische Militär, die Schutz- oder Besatzungsmacht in SWA/Namibia, das Territorium verlassen würde, was dann geschehen ist. Diese Kulisse sollte man bei der Lektüre des packenden Werkes von Smuts im Auge behalten.
Nachdem mehrere Überlebende der Swapo-Straflager in Angola, Sambia und Tansania, unter Anderen Oiva Angula und Samson Ndeikwila sowie zuvor der lutherische Pastor Siegfried Groth Folter und höchst fragwürdige Einkerkerung belegt haben, wurde es höchste Zeit, die Aufmerksamkeit auf die südafrikanische Rechtsprechung in Namibia, den südafrikanischen Geheimdienst, darunter das sogenannte Civil Cooperation Bureau/Burgerlike Beskermingskomitee (CCB/BBK), berüchtigt für Gift- und Mordanschläge, sowie auf die Verhör- und Foltermethoden der Polizei und des südafrikanischen Militärs zu lenken, frei von Patipropagnda. Als qualifizierter junger Jurist leistet Smuts ab Januar 1978 zwei Jahre Wehrpflicht hautpsächlich im
Ovamboland ab, was seine liberale politische Gesinnung dann zur Ablehnung des gsamten des Status Quo steigert. Er möchte nicht länger Verteidigungsanwalt sein, sondern vom System Rechenschaft verlangen. Nach dem Militärdienst avanciert er in der Kanzlei Lorentz & Bone unter John Kirkpatrick bis zu Partnerschaft. 1983 holt er sich dabei noch einen juristischen Grad an der Harvard-Universität (USA). 1973 hatte er in Stellenbosch sein Jurastudium begonnen und sich mit dem Kommilitonen Anton Lubowski angefreundet.
Brisante Gerichtsprozesse
Smuts nimmt die Leserschaft mit auf seinen forschen Weg als Verteidigungsanwalt in packende Justizrecherchen, um geheim gehaltene Gefangene auf die Gerichtsagenda zu bringen. Er setzt sich mit dem Koevoet-Befehlshaber (Sterk) Hans Dreyer auseinander, um konvertierten, „halb gefangenen“, ehemaligen Swapo-Kämpfern in den Reihen der unkonventionellen Guerilla-Abwehr die Rückkehr ins Zivilleben zu ebnen. Er exponiert Fälle der methodischen Folter politischer Gefangener und Häftlinge. Er deckt vertuschte Fälle von Gräueltaten der Sicherheitskräfte gerichtlich auf. Noch im Übergangsjahr 1989, als UNO-Kräfte für Frieden im Land sorgen sollen, erhalten Smuts, Lister und Lubowski Todesdrohungen per Telefon. Die akribische Schilderung der Ermordung Lubowskis und des Geflechts geheimer, Aktionen, samt Namen der „under cover“-Akteure des Militärs gehören zu den spannendsten Abschnitten des Buches. Smuts exponiert fener die vielrassische Übergangsregierung von Pretorias Gnaden von 1985, die mit einem Katalog der Menschenrechte publikumswirksam aus der Taufe gehoben wurde, diese aber unter Druck der Sicherheitskräfte nicht konsequent anwenden wollte oder konnte. Wiederholt lässt er sich von namhaften Anwälten in Südafrika beraten, die seine Strategie vor dem Richterstuhl mitprägen. Kurz vor der Unabhängigkeit verlässt Smuts die Anwaltskanzlei und gründet das Zentrum für Rechtsbeistand LAC (Legal Assistance Centre) entgegen der Störmanöver der Sicherheitskräfte. Schließlich reißt er knapp noch das leidige Thema der Swapo-Straflager an. Überlebende konnten in Windhoek ihre Folternarben zeigen.
Als verwirrende, vermeidbare Stilschwäche bei Smuts stellt sich seine Vorliebe heraus, Anwaltskollegen und ihm besonders vertraute Mandanten nach erster Erwähnung nur noch beim Vornamen zu nennen, wie sonst nur im Geplauder an der Bartheke üblich, „on first names“. Das führt dazu, dass der Leser nach 258 Seiten plötzlich wieder auf „Samson“ stößt und sich hoffentlich daran erinnert, dass es um den Swapo-Dissidenten Ndeikwila geht. Bei Prozessgegnern, militärischen Befehlshabern und „entfernteren“ Personen hingegen verwendet er sinnvoll den vollen, bzw. den Nachnamen. Ebenso verwirrend ist das IG-Kürzel für die Übergangsregierung, das gemeinhin für die langjährige Interessengemeinschaft Deutschsprachiger Südwester geläufig war, anstatt die amtliche Bezeichnung TGNU (Transitional Government of National Unity) zu nutzen. Eingangs stellt sich Smuts bei der Kurzeinführung in Namibias Geschichte unreflektiert hinter das Genozid-Dogma.
Dieses Werk zählt ansonsten zu den einschlägigen, unentbehrlichen und zuverlässigen Quellen der Zeitgeschichte und trägt zum fundierten Verständnis der gegenwärtigen Gesellschaft bei. Es beleuchtet Bereiche, die vor allem dem in den 80-iger Jahren weitgehend abgeschirmten weißen Bevölkerungsteil eine hilfreiche Offenlegung sein dürften. In der packenden Niederschrift trifft die namibische Leserschaft zahlreiche bekannte Akteure an.
Eberhard Hofmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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