St. Christopherus Hospiz: Den Tagen mehr Leben geben
"Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben." Dies ist das Motto des kürzlich gegründeten St. Christopherus Hospiz Windhoek. Ehrenamtliche MitarbeiterInnen der Organisation wollen Sterbenden und ihren Angehörigen die letzten Momente verschönern.
Als Angehöriger eines Sterbenden ist man oft allein, meint Traute Behrens, Vorsitzende des St. Christopherus Hospiz Windhoek. Man hat wenig seelische Unterstützung, weiß nicht, wie man mit der Pflege des geliebten Menschen und der Trauer allein zurechtkommen soll. Behrens hat das alles selbst erfahren, als sie vor einigen Jahren ihren krebskranken Mann verloren hat. Seitdem engagiert sich die Windhoekerin ehrenamtlich als Sterbebegleiterin.
"Ich bin da so hineingeschlittert, ohne dass ich das jemals vorgehabt hätte", sagt Behrens. Die persönliche Erfahrung hat sie dazu bewegt, an einem Kursus über Hospizarbeit in Berlin teilzunehmen. Krankenpflege und Aids-Patienten-Betreuung hatte sie vorher schon gelernt durch ihre Arbeit beim Johanniter Hilfswerk. Nun hat Behrens gemeinsam mit anderen Organisationen, die in der Sterbebegleitung aktiv waren, die Initiative für die Gründung des St. Christopherus Hospiz übernommen. Unter diesem Namen sind nun die entsprechenden Aktivitäten der Deutsch-Evangelischen Lutherischen Kirche in Namibia (DELK), der Katholischen Gemeinde Windhoek, der Johanniter und der Krebsvereinigung gebündelt.
Das St. Christopherus Hospiz Windhoek, am 10. März dieses Jahres offiziell gegründet, will schwerkranke und sterbende Menschen "begleiten". Hauptsächlich geht es darum, dem Kranken oder Sterbenden zuzuhören, ihm oder ihr letzte Wünsche zu erfüllen sowie die Angehörigen zu unterstützen und entlasten. Das Hospiz leistet keine pflegerische oder medizinische Versorgung, setzt sich aber in Zusammenarbeit mit dem betreuenden Arzt und Pflegepersonal für eine gute Schmerztherapie ein. Außerdem steht es Freunden und Familie beim Abschiednehmen und in der Trauer zur Seite.
Ein letzter Whiskey, noch eine Zigarette
"Wenn man weiß, dass man bald sterben wird, möchte man die verbleibende Zeit doch noch so angenehm wie möglich verbringen", sagt Traute Behrens. Mancher Patient möchte - da kann der Arzt abraten, so viel er will - noch einen letzten Whiskey trinken oder eine Zigarette rauchen. Oder noch einmal von einem Berg aus den Sonnenuntergang über Windhoek betrachten. Für solche und andere Wünsche haben die Hospizmitarbeiter ein offenes Ohr, verstehen durch ihre Erfahrung mit der Symbolsprache Sterbender oftmals auch besser, worum es den Pflegebedürftigen geht.
Manchmal gilt es auch, alte Familienzwiste lösen zu helfen, bevor es zu spät ist, erzählt Behrens. Oder zwischen verschiedenen christlichen Organisationen zu vermitteln, die sich in den letzten Stunden verstärkt um das Seelenheil des Sterbenden bemühen wollen. Dabei ist das St. Christopherus Hospiz Windhoek eine überkonfessionelle Organisation, die keineswegs darauf aus ist, zu missionieren. "Viele Sterbende möchten an etwas glauben. Dann muss man ihnen das Vertrauen geben, dass alles einen Grund hat. Andere wollen aber auch gar nichts mit der Kirche zu tun haben. Das Wichtigste ist, dass man zuhören kann - und Angebote macht", so die Hospiz-Vorsitzende.
Zehn ausgebildete Mitarbeiter hat das St. Christopherus Hospiz bereits, weitere zwölf sind gerade dabei, sich mit der Aufgabe vertraut zu machen. Ihre Arbeit ist ehrenamtlich und unentgeltlich. Wer Sterbenden und ihren Angehörigen helfen möchte, muss sich zuerst mit dem eigenen Tod auseinandersetzen, muss sich die Frage stellen, warum er diese Aufgabe übernehmen will.
Die meisten Helfer sind durch Sterbefälle in ihrem eigenen Familien- oder engen Freundeskreis zur Hospizarbeit gelangt. So auch Raghilt Redecker, die als ältestes Kind ihrer Eltern ihre kranke Mutter gepflegt hat.
Raghilt Redecker ist das, was man in der Bundesrepublik heute eine "Geh-Amme" nennt: Geburtenhelferin und zugleich Sterbebegleiterin. "In dem Begriff Gehamme steckt beides drin: das Ins-Leben-Heben und das Zum-Gehen-Verhelfen", erklärt Redecker. "In der Tat gibt es ja auch so viel Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Berufen. Für viele ist es eine freudige Erleichterung, wenn der Tod kommt - ganz ähnlich wie bei einer Entbindung. Ich sehe das Sterben letztlich als ein Geboren werden in eine andere Welt."
"Ist heute wieder ein Kind geboren?"
In Redeckers Arbeit schließt sich der Kreislauf von Leben und Tod. In der Tat ist es gerade ihre Arbeit als Geburtenhelferin, die vielen Sterbenden in ihren letzten Stunden Zuversicht gibt. "Ist heute wieder ein Kind geboren?", wird die Hebamme hoffnungsvoll an so manchem Sterbebett gefragt. "Das sind alles beides Momente, die einmalig sind im Leben", sagt Redecker. "Deshalb ist es auch so wichtig, dass diese Momente positiv gestaltet werden, mit viel Liebe, Ruhe und Zuversicht."
Das Ableben positiv gestalten - das heißt auch, den Angehörigen Zeit geben, sich von dem Verstorbenen zu verabschieden. Eine Kerze anzünden; die Leiche - je nach Wunsch gemeinsam mit der Familie - zu waschen, schön anzuziehen, ihr eine Blume zwischen die Hände legen...
Für Redecker und Behrens hört die Sterbebegleitung nicht mit dem Tod des Pflegepatienten auf. Auch danach noch sind sie für die Angehörigen da, begleiten sie zur Beerdigung, stehen ihnen in ihrer Trauer zur Seite.
Dass diese Arbeit nicht die eigene Psyche belastet, ist etwas, was man lernen und trainieren kann, sagt Traute Behrens. Dafür haben die Hospizmitarbeiter regelmäßige Treffen, bei denen sie sich über ihre Erfahrungen und Emotionen austauschen.
"Ich rede viel mit meiner Familie darüber", sagt Raghilt Redecker. "Geburt und Leben an einem Tag - das sind Schwankungen, die einen ganz schön mitnehmen können. Aber ich denke, dass meine Kinder das ganz gut verstehen. Es ist ein holistischer Ansatz, für mich bedeutet die Arbeit so etwas wie eine Großfamilie. Ich bin bei jeder Taufe und Beerdigung dabei."
Auch für Traute Behrens ist die Sterbebegleitung etwas, das ihr hilft, das Leben und sich selbst besser zu verstehen. "Mit jedem Mal legt man ein kleines Stück eigener Trauer ab", meint die Witwe.
Irmgard Schreiber
Warum Hospiz?
Hospiz heißt Herberge. Im Mittelalter fanden dort Pilger Unterkunft, Arme und Kranke Hilfe und Pflege. Heute steht Hospiz für die Betreuung Sterbender und ihrer Angehörigen.
Die Hospizbewegung setzt sich ein für ein Sterben in Würde und Geborgenheit. Im Mittelpunkt steht der schwerkranke und sterbende Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen. Die Begleitung ist unabhängig von Nationalität, Konfession und Weltanschauung. Aktive Sterbehilfe wird abgelehnt.
Alle Mitarbeiter werden in Seminaren vorbereitet und weiterhin fachlich begleitet. Sie unterliegen der Schweigepflicht.
- Das St. Christopherus Hospiz unterstützt den Wunsch, in der vertrauten Umgebung zu sterben. Sterbebegleitung findet zu Hause, in Krankenhäusern und Heimen statt. Das Hospiz arbeitet ehrenamtlich, vertraulich, unentgeltlich und nur auf Anfrage.
- Nachfragen: Traute Behrens, Tel. 233968, oder Raghilt Redecker, Tel. 243555.
- Möchten Sie das St. Christopherus Hospiz durch ihre Mitgliedschaft (Jahresbeitrag N$ 60, für Organisationen N$ 200) oder eine Spende unterstützen? Konto: St. Christopherus Hospiz, Konto-Nr. 1038 182239, Commercial Bank of Namibia, Filiale Independence Ave, BLZ 103-872.
Als Angehöriger eines Sterbenden ist man oft allein, meint Traute Behrens, Vorsitzende des St. Christopherus Hospiz Windhoek. Man hat wenig seelische Unterstützung, weiß nicht, wie man mit der Pflege des geliebten Menschen und der Trauer allein zurechtkommen soll. Behrens hat das alles selbst erfahren, als sie vor einigen Jahren ihren krebskranken Mann verloren hat. Seitdem engagiert sich die Windhoekerin ehrenamtlich als Sterbebegleiterin.
"Ich bin da so hineingeschlittert, ohne dass ich das jemals vorgehabt hätte", sagt Behrens. Die persönliche Erfahrung hat sie dazu bewegt, an einem Kursus über Hospizarbeit in Berlin teilzunehmen. Krankenpflege und Aids-Patienten-Betreuung hatte sie vorher schon gelernt durch ihre Arbeit beim Johanniter Hilfswerk. Nun hat Behrens gemeinsam mit anderen Organisationen, die in der Sterbebegleitung aktiv waren, die Initiative für die Gründung des St. Christopherus Hospiz übernommen. Unter diesem Namen sind nun die entsprechenden Aktivitäten der Deutsch-Evangelischen Lutherischen Kirche in Namibia (DELK), der Katholischen Gemeinde Windhoek, der Johanniter und der Krebsvereinigung gebündelt.
Das St. Christopherus Hospiz Windhoek, am 10. März dieses Jahres offiziell gegründet, will schwerkranke und sterbende Menschen "begleiten". Hauptsächlich geht es darum, dem Kranken oder Sterbenden zuzuhören, ihm oder ihr letzte Wünsche zu erfüllen sowie die Angehörigen zu unterstützen und entlasten. Das Hospiz leistet keine pflegerische oder medizinische Versorgung, setzt sich aber in Zusammenarbeit mit dem betreuenden Arzt und Pflegepersonal für eine gute Schmerztherapie ein. Außerdem steht es Freunden und Familie beim Abschiednehmen und in der Trauer zur Seite.
Ein letzter Whiskey, noch eine Zigarette
"Wenn man weiß, dass man bald sterben wird, möchte man die verbleibende Zeit doch noch so angenehm wie möglich verbringen", sagt Traute Behrens. Mancher Patient möchte - da kann der Arzt abraten, so viel er will - noch einen letzten Whiskey trinken oder eine Zigarette rauchen. Oder noch einmal von einem Berg aus den Sonnenuntergang über Windhoek betrachten. Für solche und andere Wünsche haben die Hospizmitarbeiter ein offenes Ohr, verstehen durch ihre Erfahrung mit der Symbolsprache Sterbender oftmals auch besser, worum es den Pflegebedürftigen geht.
Manchmal gilt es auch, alte Familienzwiste lösen zu helfen, bevor es zu spät ist, erzählt Behrens. Oder zwischen verschiedenen christlichen Organisationen zu vermitteln, die sich in den letzten Stunden verstärkt um das Seelenheil des Sterbenden bemühen wollen. Dabei ist das St. Christopherus Hospiz Windhoek eine überkonfessionelle Organisation, die keineswegs darauf aus ist, zu missionieren. "Viele Sterbende möchten an etwas glauben. Dann muss man ihnen das Vertrauen geben, dass alles einen Grund hat. Andere wollen aber auch gar nichts mit der Kirche zu tun haben. Das Wichtigste ist, dass man zuhören kann - und Angebote macht", so die Hospiz-Vorsitzende.
Zehn ausgebildete Mitarbeiter hat das St. Christopherus Hospiz bereits, weitere zwölf sind gerade dabei, sich mit der Aufgabe vertraut zu machen. Ihre Arbeit ist ehrenamtlich und unentgeltlich. Wer Sterbenden und ihren Angehörigen helfen möchte, muss sich zuerst mit dem eigenen Tod auseinandersetzen, muss sich die Frage stellen, warum er diese Aufgabe übernehmen will.
Die meisten Helfer sind durch Sterbefälle in ihrem eigenen Familien- oder engen Freundeskreis zur Hospizarbeit gelangt. So auch Raghilt Redecker, die als ältestes Kind ihrer Eltern ihre kranke Mutter gepflegt hat.
Raghilt Redecker ist das, was man in der Bundesrepublik heute eine "Geh-Amme" nennt: Geburtenhelferin und zugleich Sterbebegleiterin. "In dem Begriff Gehamme steckt beides drin: das Ins-Leben-Heben und das Zum-Gehen-Verhelfen", erklärt Redecker. "In der Tat gibt es ja auch so viel Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Berufen. Für viele ist es eine freudige Erleichterung, wenn der Tod kommt - ganz ähnlich wie bei einer Entbindung. Ich sehe das Sterben letztlich als ein Geboren werden in eine andere Welt."
"Ist heute wieder ein Kind geboren?"
In Redeckers Arbeit schließt sich der Kreislauf von Leben und Tod. In der Tat ist es gerade ihre Arbeit als Geburtenhelferin, die vielen Sterbenden in ihren letzten Stunden Zuversicht gibt. "Ist heute wieder ein Kind geboren?", wird die Hebamme hoffnungsvoll an so manchem Sterbebett gefragt. "Das sind alles beides Momente, die einmalig sind im Leben", sagt Redecker. "Deshalb ist es auch so wichtig, dass diese Momente positiv gestaltet werden, mit viel Liebe, Ruhe und Zuversicht."
Das Ableben positiv gestalten - das heißt auch, den Angehörigen Zeit geben, sich von dem Verstorbenen zu verabschieden. Eine Kerze anzünden; die Leiche - je nach Wunsch gemeinsam mit der Familie - zu waschen, schön anzuziehen, ihr eine Blume zwischen die Hände legen...
Für Redecker und Behrens hört die Sterbebegleitung nicht mit dem Tod des Pflegepatienten auf. Auch danach noch sind sie für die Angehörigen da, begleiten sie zur Beerdigung, stehen ihnen in ihrer Trauer zur Seite.
Dass diese Arbeit nicht die eigene Psyche belastet, ist etwas, was man lernen und trainieren kann, sagt Traute Behrens. Dafür haben die Hospizmitarbeiter regelmäßige Treffen, bei denen sie sich über ihre Erfahrungen und Emotionen austauschen.
"Ich rede viel mit meiner Familie darüber", sagt Raghilt Redecker. "Geburt und Leben an einem Tag - das sind Schwankungen, die einen ganz schön mitnehmen können. Aber ich denke, dass meine Kinder das ganz gut verstehen. Es ist ein holistischer Ansatz, für mich bedeutet die Arbeit so etwas wie eine Großfamilie. Ich bin bei jeder Taufe und Beerdigung dabei."
Auch für Traute Behrens ist die Sterbebegleitung etwas, das ihr hilft, das Leben und sich selbst besser zu verstehen. "Mit jedem Mal legt man ein kleines Stück eigener Trauer ab", meint die Witwe.
Irmgard Schreiber
Warum Hospiz?
Hospiz heißt Herberge. Im Mittelalter fanden dort Pilger Unterkunft, Arme und Kranke Hilfe und Pflege. Heute steht Hospiz für die Betreuung Sterbender und ihrer Angehörigen.
Die Hospizbewegung setzt sich ein für ein Sterben in Würde und Geborgenheit. Im Mittelpunkt steht der schwerkranke und sterbende Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen. Die Begleitung ist unabhängig von Nationalität, Konfession und Weltanschauung. Aktive Sterbehilfe wird abgelehnt.
Alle Mitarbeiter werden in Seminaren vorbereitet und weiterhin fachlich begleitet. Sie unterliegen der Schweigepflicht.
- Das St. Christopherus Hospiz unterstützt den Wunsch, in der vertrauten Umgebung zu sterben. Sterbebegleitung findet zu Hause, in Krankenhäusern und Heimen statt. Das Hospiz arbeitet ehrenamtlich, vertraulich, unentgeltlich und nur auf Anfrage.
- Nachfragen: Traute Behrens, Tel. 233968, oder Raghilt Redecker, Tel. 243555.
- Möchten Sie das St. Christopherus Hospiz durch ihre Mitgliedschaft (Jahresbeitrag N$ 60, für Organisationen N$ 200) oder eine Spende unterstützen? Konto: St. Christopherus Hospiz, Konto-Nr. 1038 182239, Commercial Bank of Namibia, Filiale Independence Ave, BLZ 103-872.
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Allgemeine Zeitung
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