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Stachelige Eindringlinge

Nicht-einheimische Pflanzen bedrohen die namibische Flora
Clemens von Alten
Im Auto von Gunhild Voigts liegt schweres Gerät – Harken, Sägen und Picken. „Da vorne haben wir den ganzen Hang gesäubert“, oder: „Diese ganze Fläche war zugewuchert mit Kakteen“, sagt sie immer wieder und zeigt energisch aus dem Autofenster. Sie sitzt auf dem Rücksitz und gibt die Richtung vor. Ihr Ehemann sitzt am Steuer, der Beifahrersitz ist reserviert für interessierte Gäste. Vertreter von Behörden und skeptische Grundstückseigentümer hat Gunhild Voigts schon mitgenommen auf diese besondere Tour. Im Schritttempo rollt das Auto durch die Straßen Windhoeks. Auf dem Programm stehen weder der Tintenpalast noch die Christuskirche. Es ist eine besondere Stadttour – Windhoek aus der Perspektive einer leidenschaftlichen Naturschützerin. Gunhild Voigts – schlank, großgewachsen, mit schneeweißem Haar – zeigt ihre Erfolge: saubere, kaktus-freie Vorgärten und große Haufen gerodeter Kakteen am Straßenrand. „Eigentlich hatten wir gehofft, die Kakteen zu kompostieren, aber dafür ist es in diesem Jahr zu trocken“, bedauert sie.

So wie die botanische Gesellschaft innerhalb des botanischen Gartens zu Säuberungsaktionen aufruft, so bemüht sich Voigts mit ihrer Initiative Cactus Clean-Up die Stachelgewächse und andere Eindringlinge von Windhoeks Gehwegen zu entfernen. Auf städtischem Grund macht sie das auf ausdrücklichen Wunsch der Stadtverwaltung. Privaten Grundstücksbesitzern vermittelt sie zuverlässige und erfahrene Arbeitskräfte, die den Garten gegen Bezahlung von Kakteen befreien.

Trotz aller Erfolge gibt es noch viel zu tun. Immer wieder führt die Tour an „Kakteen-verseuchten“ Grundstücken vorbei, wie Voigts sagt. „Wir möchten der nächsten Generation keine gekippte Vegetation überlassen.“ Jeden Baum am Straßenrand kann sie benennen – oft macht sie das mit einem bitteren Beigeschmack. „Schau, alles voller Eukalyptus.“ Sie schüttelt mit dem Kopf. „Eukalyptus benutzt man eigentlich um Sümpfe auszutrocknen, weil die Pflanzen so viel Wasser aus dem Boden ziehen. Bei der Wasserknappheit in Namibia können wir das aber überhaupt nicht gebrauchen.“

Bei ihren Säuberungsaktionen stößt Gunhild Voigts immer wieder auf Vorbehalte und skeptische Blicke von Anwohnern, die ihre Gärten mit hübschen Zierpflanzen schmücken oder mit Kakteen vor unerwünschten Eindringlingen schützen. Mit viel Geduld erklärt die Naturschützerin dann, warum Kakteen und andere Neophyten so problematisch sind für die heimische Natur. Häufig findet sich ein Kompromiss: „Dieses Ehepaar hat Angst vor Einbrüchen, also habe ich mit ihnen vereinbart, dass die Kakteen dort bleiben können, bis ich ihnen eine Alternative verschafft habe“, erzählt Voigts und zeigt aus dem Autofenster auf einen hohen Zaun, der von oben mit einer Rolle Stacheldraht verstärkt wurde. Die längeren Stacheln lauern allerdings unter dem Zaun – ein Kaktus bedeckt beinahe die gesamte Fläche unter dem Gitter. Eine gute Alternative seien die sogenannten Gemsbockhörner oder Sanservieria pearsonii. „Die sind oben spitz und von der Seite harmlos. Da steigt kein Einbrecher hinein“, verspricht sie und lacht.

Gunhild Voigts möchte ihre Methode an andere weitergeben: „Ich habe die Cactus-Clean-Up-Initiative dem ‚Dubai Expo Global Best Practice Program‘ für die Weltausstellung 2021 vorgelegt. Das Problem gibt es ja nicht nur bei uns. In Athen droht man die Akropolis an die Kakteen zu verlieren. Unsere Initiative kann als Beispiel dafür dienen, wie eine Gemeinschaft ihr Umweltproblem selbst lösen kann“, erzählt sie. „Das Projekt erfüllt alle Kriterien: es ist kostengünstig und leicht umzusetzen und es ist effektiv.“

In Zukunft wollen Barbara Curtis, Gunhild und Voigts und die Botanische Gesellschaft den stacheligen Eindringlingen aber nicht nur mit bloßen Händen und Gartengerät zu Leibe rücken. Ein sogenannter „Bio-Control Agent“ soll die Kakteen abtöten. Ein Komitee um die Namibian Chamber of Enviroment hat den Import aus Südafrika genehmigt. „Man kann sich das vorstellen, wie kleine Insekten, die die Kakteen befallen und abtöten“, erklärt Voigts. Für andere Pflanzen bestehe aber keine Gefahr, versichert Barbara Curtis. „Die Biokontrollmittel sind so spezifisch gezüchtet, dass sie immer nur eine Kaktusart befallen. Wir bekommen nun drei verschiedene.“ Sobald die Temperaturen in der Nacht nicht mehr so tief sinken, sollen diese Bio-Control Agents auf Windhoeker Kakteen ausgesetzt werden.

Viele der nicht-einheimischen Pflanzen sind schön anzuschauen. Sie haben bunte Blüten und Früchte, sind robust und gut an das namibische Klima angepasst. Kein Wunder, dass sich viele Bewohner Windhoeks zum Beispiel Cryptostegia grandiflora, die Schlingpflanze mit den hübschen rosa Blüten in die Vorgärten pflanzen. Doch der schöne Schein trügt. Der Gummiwein oder „Rubber Vine“ ist hochinvasiv. Er wächst schnell, legt sich über Bäume, denen er jegliches Licht und Wasser entzieht. Der befallene Baum stirbt langsam ab. So sei es mit vielen Neophyten, sagt Biologin Barbara Curtis. „Sie nehmen den heimischen Pflanzen Lebensraum und Wasser weg und drängen sie dadurch immer weiter zurück.“ Ihr Appell lautet deshalb: „Pflanzen Sie sie nicht an. Viele Leute glauben, sie hätten die Zierpflanzen im eigenen Garten im Griff, aber das täuscht“, warnt die Biologin. „Vögel fressen die Samen. Wo sie ihren Kot hinterlassen, wächst eine neue Pflanze. Das kann man nicht kontrollieren.“

Die Biologin Barbara Curtis arbeitet mit an der Neuauflage des Atlas of Namibia, ein Buch, in dem sämtliche Tiere und Pflanzen Namibias aufgeführt sind, aber auch Straßen, geologische Gegebenheiten und vieles mehr. Im Unterschied zur letzten Fassung sollen dieses Mal auch gebietsfremde Pflanzen auf Landkarten lokalisiert werden. Dafür ist sie auf der Suche nach den Orten, an denen „Alien Plants“ wachsen. Sie hofft auf die Mithilfe der Bevölkerung. „Leute können sich bei mir melden, wenn sie nicht einheimische Pflanzen entdecken. Am besten schicken sie mir ein Foto und die GPS-Koordinaten, aber auch eine grobe Beschreibung von Ort und Pflanze sind ausreichend.“ Ihr ist es wichtig, dass sich die Karten auf ausreichend Material stützen, damit kein falscher Eindruck entsteht: „Wenn zu wenig betroffene Orte auf der Karte auftauchen, dann entsteht der Eindruck, das Problem sei gar nicht so groß“, befürchtet Curtis. Dem will sie entgegenwirken, indem sie nicht alleine nach den Eindringlingen sucht, sondern möglichst viele Hinweise aus der Bevölkerung sammelt.

Wer eine nicht-einheimische Pflanze entdeckt, kann seinen Fund per E-Mail an Barbara Curtis unter der [email protected] melden. Optimal sind die GPS-Daten und ein Foto, allerdings ist auch eine grobe Beschreibung von Ort und Pflanze ausreichend.

Weitere Informationen zur Initiative Cactus Clean-Up gibt es auf der Website www.cactusclean-up.com und bei Gunhild Voigts unter [email protected]. Wer die Initiative finanziell unterstützen möchte, kann das über folgendes Konto tun: CACTUS CLEAN UP, Bank Windhoek, Kudu Branch 482172, Account 8005224758.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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