Starthilfe zum Lernerfolg: Lesen ist das A und O
Von Ulrike Keller, Swakopmund
Die Unterteilung lautet „Junior“ und „Senior“. Sie steht auf zwei Papierblätter gedruckt und klebt an den Holzregalen. Diese halten für beide Altersgruppen hunderte Bücher parat. Vor wenigen Monaten erst ist die Bibliothek der Swakopmunder Nachmittagsschule MYO (Mondesa Youth Opportunity Trust) räumlich aufs Doppelte vergrößert worden. Zuvor sind unter anderem ein Fußballfeld und eine Garage neu entstanden. Das Lernprojekt im Stadtteil Mondesa wächst stetig - und das nun schon seit zehn Jahren.
Rund 120 Kinder aus Swakopmund verbringen montags bis freitags ihren Nachmittag hier. Die Anlage hinter einer grünen Mauer wirkt wie ein kleines Dorf aus blau und rot gestrichenen Containern. Darin befinden sich reichlich ausgestattete Matheräume, Musikzimmer, ein Computerkabinett oder auch gut erhaltene Toiletten. All das, was in manchen staatlichen Schulen nicht unbedingt selbstverständlich ist. An eben deren Schüler richtet sich MYO. Die Idee des Projektes ist es, erschwerte Bedingungen wie überfüllte Klassen, häufiger Unterrichtsausfall oder fehlende Lernmittel für Kinder mit guten Zensuren aus sozial benachteiligten Familien auszugleichen. Durch kostenfreie Lernangebote am Nachmittag sollen sie bessere Chancen auf einen Abschluss und damit vielleicht sogar auf ein Studium erhalten.
Einzige Voraussetzung: Sie müssen kontinuierlich mitarbeiten - erst herrscht Anwesenheitspflicht. Stiftungsmitglied Vera Leech weiß: „Es ist nicht leicht, den ganzen Vormittag in der Schule zu verbringen und danach erneut zum Unterricht zu erscheinen.“ Doch genau diese Motivation setzt das Projekt voraus, um angesichts der Spendenfinanzierung auch für Erfolge garantieren zu können.
Wer hier lernt, hat ein mehrstufiges Auswahlverfahren bestanden. Aus etwa 70 Kindern der dritten Klasse an der staatlichen Schule bilden die 24 Besten ab ihrem vierten Schuljahr eine MYO-Klasse. Vier Jahre wird diese dann nachmittags ab 14 Uhr gefördert. Wenn die Schüler 13 Uhr ankommen, können sie eine Stunde abschalten: Es gibt ein gesundes Mittagessen, oft warm, und verschiedene Möglichkeiten zum Spielen. Sehr beliebt: eine Schachpartie. Ab Klasse 9 dann können die Jugendlichen aus freien Stücken vorbei schauen, um Lehrer um Rat bei den Hausaufgaben zu fragen oder Bibliothek und Computer zur Recherche für die Schularbeiten zu nutzen.
In der normalen Nachmittagsschule konzentrieren sich die Lehrer auf die Fächer Englisch, Mathe, Lesen, Lebenskunde, Musik und Sport. Ein besonderer Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Lesen. Stiftungsmitglied Vera Leech wird nicht müde zu betonen: „Jemand, der nicht gut lesen kann, ist erheblich benachteiligt. Für die Mathematik und Wissenschaften muss man lesen und verstehen können, die Computertechnologie lässt sich ohne diese Fähigkeit nicht begreifen, und das gesamte Verständnis eines Menschen, sein Leben zu meistern und die Welt um sich herum zu beurteilen, hängt von dem Wissen ab, das er durchs Lesen erwirbt.“ Den Schlüssel zu Bildung und Entwicklung - individuell wie gesellschaftlich - sieht sie deshalb in einer verbreiteten Lesekultur. Der Kreislauf schlechten Englischs müsse gestoppt werden.
Deshalb auch wird die Bibliothek als so wichtig angesehen. In dem mittlerweilen umfangreichen Fundus an Themen und Autoren sollen die MYO-Schüler Lust aufs Lesen bekommen und fit für den Besuch einer großen Bibliothek werden. So dürfen sie sich im Leseunterricht Bücher ihrer Wahl aussuchen, müssen sie aber im Computerprogramm offiziell ausleihen und innerhalb der Leihfrist bei der Rückgabe wieder im Computer verfügbar melden.
Unterstützt wird das Projekt von großen Sponsoren wie dem Urankonzern Areva, der Uranmine Langer Heinrich Uranium, dem Rotary Club und der Internationalen Schule in Walvis Bay. Doch auch zahlreiche Privatspender - etwa aus Deutschland - ermöglichen die ständige Fortsetzung der Arbeit.
Der erste Jahrgang an MYO-Zöglingen machte vor zwei Jahren seinen Abschluss an der High School - zum Teil sogar mit Auszeichnung. Von diesen Absolventen und denen von 2013 haben sich etliche für den akademischen Weg entschieden. In Namibia studieren sie Fächer wie Medizin, Wirtschaftsprüfung, Geografische Informationssysteme, Englisch und Maschinenbau. Einzelne hat es ins Ausland verschlagen, etwa zum Studium der Medizin nach Russland, der Pharmazie nach Simbabwe oder der Buchhaltung nach Malaysia. MYO-Stiftungsmitglied Vera Leech spricht stolz von leuchtenden Beispielen für harte Arbeit und großes Engagement.,
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Allgemeine Zeitung
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