Status und Zukunft des Reiterdenkmals - eine Denkschrift (Teil 1)
Der namibische Denkmalrat hat keine Einwände gegen die Verschiebung des Reiterdenkmals vor die Alte Feste in Windhoek," sagte Dr. Gabi Schneider, Vize-Vorsitzende des Denkmalrates, "Vor der Alten Feste steht das Reiterdenkmal genauso gut wie am jetzigen Standort". "Da es sich um einen berittenen Soldaten handelt ist es sogar passend, wenn dieser vor einem Gebäude steht, in dem einst Soldaten beherbergt wurden" (AZ, 12. Juni 2008, S.1).
Problemstellung
Durch die namibischen Printmedien kursierte erneut der bereits 2001 gefasste Beschluss des Kabinetts, das Reiterdenkmal in Windhoek zu verschieben. Dabei wurde die Frage offen gelassen, genau wohin es verschoben werden soll (es wurde vage angegeben "vor die Alte Feste"). Ob das Reiterdenkmal dahin passt, dahin gehört und warum es gerade dorthin versetzt werden soll, bleibt im Wesentlichen ungeklärt. Es besteht die akute Gefahr, dass durch unsachgemäße Behandlung des Reiterdenkmals ein Schaden entsteht, der später nicht mehr gutgemacht werden kann. Dieser bedenkliche Beschluss soll dadurch motiviert worden sein, dass am gegenwärtigen Standort des Reiterdenkmals ein dem namibischen Befreiungskampf gewidmetes "Museum" entstehen soll. Es ist fraglich, ob dieser Entscheidung eine denkmalkundliche Analyse zugrunde lag, die die folgenden Aspekte bezüglich einer derartigen Verschiebung in Betracht zieht:
1. Historisches Denkmal
Das Reiterdenkmal ist ein historisches Denkmal, das seit seiner Enthüllung im Jahre 1912 unverändert an seinem Platz steht und bereits verschiedene Regierungswechsel unbeschadet überstanden hat. Das Reiterdenkmal ist eines der prominentesten Wahrzeichen Windhoeks und das bekannteste historische Kriegerdenkmal in Namibia. Zusammen mit der Christuskirche, der Alten Feste und einer Anzahl von historischen Regierungsgebäuden (beispielsweise Tintenpalast und Nationalmuseum/Alte Kaiserliche Realschule) bildet es als Ensemble den historischen Stadtkern Windhoeks. Seine geplante Verschiebung stellt einen Eingriff in ein historisches Denkmalensemble dar, der nicht ohne sorgfältigste und gründlichste Impaktstudien vorgenommen werden sollte.
2. Kunst- und kulturhistorische Einzigartigkeit
Das Reiterdenkmal ist vom kunst- und kulturhistorischen Standpunkt insofern einzigartig, als dass es einen einfachen Reitersoldaten (Schutztruppensoldaten) zu Pferde darstellt. Seit der Antike war ein Denkmal zu Pferde (Reiterdenkmal) nur Kaisern, Königen und Fürsten vorbehalten. Die Würdigung des einfachen Soldaten (eines Unteroffiziers) durch ein Reiterdenkmal ist nicht nur in der europäischen Tradition, sondern auch weltweit einzigartig. Das Reiterdenkmal entspricht somit schon allein deshalb allen Ansprüchen der Einzigartigkeit und der Authentizität, die das Einzeldenkmal in Windhoek aus der Reihe der eher normalen Denkmäler weit herausragen lässt.
3. Das Reiterdenkmal als skulpturales Kunstwerk
Das Reiterdenkmal ist als Bronzeskulptur und mit hoher Detailgenauigkeit ein hochrangiges Kunstwerk. Der Künstler Adolf Kürle schuf mit dem Reiterdenkmal ein Meisterwerk, das die Bildhauer- und Skulpturenkunst des wilhelminischen Deutschlands dokumentiert. Es hat ein Jahrhundert voller historischer Spannungen und grundlegender politischer Umwälzungen unbeschadet überdauert. Das macht das Standbild zu einem besonderen Kulturdenkmal, zumal es obendrein auf afrikanischem Boden steht.
4. Das Reiterdenkmal als besonderes historisches Denkmal
Das Reiterdenkmal hat den politischen Wandel aus der deutschen Kolonialzeit in die Mandatszeit, aus der Mandatszeit in die Zeit der südafrikanischen Kolonialzeit in die namibische Unabhängig unbeschadet überlebt. Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, welche ideologischen Differenzen es in jenen Jahren zwischen den Bevölkerungsgruppen Namibias gab. Bei aller ideologischer Überfrachtung sollte nicht aus dem Auge verloren werden, dass das Reiterdenkmal sowohl ein Teil deutscher Geschichte als auch afrikanischer Geschichte im Kontext der Kolonialgeschichte ist, die es untrennbar mit der afrikanisch-europäischen Geschichte verbindet.
Sein weiterer Erhalt wäre somit im namibisch/afrikanischen, aber auch im deutschen/europäischen Interesse. Gerade an Erhalt und Pflege des Denkmals und seinem behutsamen Umgang ließe sich zudem die Versöhnung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen sichtbar demonstrieren. Eine Verschiebung des Denkmals unter Ausschluss der Meinung diverser Interessenträger käme einer Beeinträchtigung dieser versöhnlichen Haltung entgegen, die von den meisten Namibiern geteilt und praktiziert wird. Wie Dr. Schneider anführt, dass das "Reiterdenkmal nicht angezweifelt werden kann, ein gutes Bekenntnis für die Versöhnung sei", ist zweifelhaft, da bei dem Beschluss, das Denkmal zu verschieben, weder hiesige oder internationale Interessenverbände, noch die Bevölkerung befragt wurden. Die Denkmalverschiebung wurde einseitig vom Kabinett, ohne Parlamentsdebatte, ohne vorher die Stellungnahme des Denkmalrates oder der Öffentlichkeit einzuholen, d.h. von oben und undemokratisch vorgenommen - das soll "versöhnlich" sein? Unverständlich.
5. Das Reiterdenkmal als Krieger- und Soldatendenkmal
Das Reiterdenkmal ist ein Soldaten- und Erinnerungsdenkmal. Es ist dem Gedenken deutscher Soldaten und Zivilisten gewidmet, die in den Kolonialkriegen gefallen und umgekommen sind. Andere Denkmäler (z.B. die der Herero in Okahandja) erinnern an deren Helden; das Reiterdenkmal ist daher ein integraler Bestandteil der Soldaten- und Kriegerdenkmäler in Namibia. Von diesen sind eine ganze Reihe aus den verschiedensten Epochen anzutreffen, die auf Namibias konfliktreiche Vergangenheit hinweisen. Inzwischen kommen neue Soldatengräber aus den Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und Angola hinzu, und auch neue Soldatendenkmäler entstehen, wie z.B. der Heldenacker in Windhoek. Namibias konfliktreiche Vergangenheit ragt demnach in die Gegenwart hinein, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch in die Zukunft, wie die nicht übersehbare Militarisierung der namibischen Nation durch die wachsende Zahl bewaffneter Soldaten in den Städten und die Militärparaden wie zum Heldenempfang der Rückkehrer aus dem Kongo u.ä. in der Vergangenheit belegen.
Da in einem Krieg der Staat seine Bürger zum Krieg aufruft, obliegt ihm die Pflicht der Aufstellung, Erhaltung und Pflege eines jeden Kriegerdenkmals, so wie ein Soldat das Recht auf Anerkennung seiner im Krieg erbrachten Leistung hat. Diese Pflicht und dieses Recht leiten sich aus dem Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Bürger ab und dürfen nicht grundlos vernachlässigt werden. Hinsichtlich des Erhalts oder der Verschiebung des Reiterdenkmals hat daher nicht nur die namibische, sondern auch die deutsche Regierung eine eindeutige Haltung einzunehmen.
Zu allen Zeiten und in allen Kulturen wurden zu den unterschiedlichsten Anlässen und für die unterschiedlichsten Personen Denkmäler aufgestellt. Diese zu respektieren und zu pflegen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist allerdings verständlich, wenn Standbilder von Despoten wie Frankreichs Ludwig XIV. oder von Diktatoren wie Stalin oder Hitler gestürzt werden. Diese verachteten die Völker, die sie gleichzeitig unterdrückten. Der Sturz derartiger Denkmäler ist daher verständlich. Im Soldatendenkmal dahingegen wird der Einsatz des Soldaten gewürdigt, der sein eigenes Leben unfreiwillig, aus Pflichtgefühl und auf staatliche Anordnung hin im Interesse des Gemeinwohls aufs Spiel setzt und dabei selbst oft untergeht. Dies ist der grundlegende Unterschied zwischen einem Denkmal, das politischem Personenkult dient, und einem Soldatendenkmal, das den persönlichen Einsatz, die Selbstüberwindung, die Strapazen, die Aufopferung und Entbehrungen, die der Soldat auf sich nimmt, auf angemessene Art und Weise würdigt.
Insofern ist es auch unangemessen, einem Soldatendenkmal eine rein politische Bedeutung beizumessen oder ihm eine ausschließlich ideologische Funktion zukommen zu lassen. Dieses würde der Vielschichtigkeit, die ein bedeutendes Denkmal nun einmal hat, nur Abbruch tun. Niemandem würde es einfallen, die Popularität und Bedeutung des Reiterdenkmals, das in breiten Schichten der Bevölkerung anerkannt wird und auch kontrovers diskutiert wird - aus welchen Gründen auch immer - in Frage zu stellen. Das beweist aber, dass es sich um ein bedeutendes Denkmal handelt, denn sonst wäre es längst vergessen. Es ruft jedoch immer wieder dazu auf, sich auf seine Geschichte zu besinnen bzw. diese zu hinterfragen. Als solches ist es auch ein Mahnmal, das daran erinnert, dass der Verlust eines Menschenlebens im Kriege nie und nimmer durch die Errichtung eines - wie auch immer großartig gestalteten - Denkmals ersetzt werden kann.
Wenn also die Regierung das Reiterdenkmal leichtfertig für eine politische Demonstration oder billige Machtgeste benutzen sollte, kann dieses leicht die gegenteilige Wirkung hervorrufen. Die damalige Reiterinitiative hatte bereits gezeigt, was aus einem unüberlegten Impuls bezüglich des Reiterdenkmals wurde. Die Regierung täte gut daran, es sich - im eigenen Interesse - genau zu überlegen, das Reiterdenkmal zu verschieben. Denn auf den "Erfolg" würde sehr schnell die Ernüchterung folgen. Es wäre kaum wieder gutzumachen, den "Reiter" für alle Zeiten von seinem angestammten Platze zu entfernen - und womöglich noch dabei zu beschädigen - und erst danach festzustellen, dass es bei einigen Teilen der Bevölkerung die gegenteilige Wirkung hervorgerufen hat. Dadurch würde sie sich - wenn es zu einem Misserfolg kommen sollte, was mit aller Wahrscheinlichkeit eintreten wird - nur selber schaden. Es ist aber die Aufgabe der Bevölkerung, die Regierung vermittels einer Behörde wie den Denkmalrat, der ja gemäß seines eigenen Namens die Regierung und Öffentlichkeit in Sachen Denkmalschutz berät, diese rechtzeitig, professionell, nüchtern und unvoreingenommen davon zu unterrichten und auf möglichen Schaden sowohl wie am Denkmal als auch für das Image der Regierung hinzuweisen.
6. Ethik
Ethisch gesehen sind Erhalt und Pflege eines Denkmals ebenso wie die eines Grabdenkmals oder Friedhofs eine Frage der Pietät. Erhalt und Pflege derselben ist in den verschiedensten Kulturkreisen üblich. Aus diesem Grund wäre die Verschiebung des Reiterdenkmals nicht nur pietätlos, sondern eine rücksichtslose und unzivilisierte Handlung. Eine Verschiebung des Reiterdenkmals kann nur erfolgen, wenn wirklich zwingende Gründe vorliegen. Die Errichtung eines Museums stellt keinen zwingenden Grund dar, da es genügend freie Räume und Plätze in Windhoek gibt, an denen ein Museum gebaut und eingerichtet werden kann, z.B. in dem Bereich zwischen Staatsmuseum und Zentralbank, da sich ein Freiheitsmuseum dort gut einreihen ließe. Für den Heldenacker in den Auasbergen wurde auch eine angemessene Lokalität ausfindig gemacht, das Reiterdenkmal stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar.
7. Das Reiterdenkmal als sakrales Monument
Als Soldatendenkmal wurde das Reiterdenkmal nach seiner Aufstellung im Jahre 1912 von Geistlichen beider (protestantischer und katholischer) Konfessionen geweiht. Alljährlich finden am Reiterdenkmal Versammlungen von verschiedenen Veteranenverbänden mit Mitgliedern verschiedener Kongregationen und verschiedener Sprachgruppen statt, die dort Kranzniederlegungen usw. vornehmen. Dieser Brauch lebt ununterbrochen bis in die Gegenwart fort und würde durch die Verschiebung des Denkmals entscheidend gestört. In dieser Hinsicht ist das Reiterdenkmal eine Gedenkstätte mit sakralem Status und daher sakrosankt.
Eine Verschiebung käme der Verlegung eines Kirchengebäudes, das noch durch seine Gemeinde genutzt wird, gleich. Ein solcher Schritt würde daher der groben Verletzung der Rechte einer solchen Gemeinde gleichkommen und sollte daher unterlassen werden. Den Windhoeker Einwohnern ist der Abriss einer Missionskirche in Ludwigsdorf im Jahre 1994 in Erinnerung, die die Gefühle der Ein- und Anwohner empfindlich verletzt hat. An deren Stelle sind stillose Prunkvillen entstanden, die historische Denkmalslandschaft hat dort Einbußen hinnehmen müssen. Eine Wiederholung eines derartigen Vorfalls ist unter allen Umständen zu vermeiden. Die Kirchen beider Konfessionen sollten sich auch eindeutig zu der beabsichtigten Verschiebung des Denkmals äußern, da sie es seinerzeit weihten. Wie bei einer Umbettung der Gebeine verstorbener Menschen sollte auch ein Denkmal angemessen und würdig behandelt werden.
Namibische Kulturträger wie z.B. der Deutsche Kulturrat sollten sich hinsichtlich der Verschiebung des Reiterdenkmals ebenfalls einklinken und entschieden die Unterlassung der Verschiebung fordern. Sollte der Reiter doch verschoben werden, sollte unter Umständen ein geeignetes Gelände angekauft, der Reiter fachmännisch transloziert und eine angemessene Weihestätte geschaffen werden. Die Entfernung der Erinnerungstafeln katholischer Schutztruppenangehöriger aus der St. Mary's Cathedral in Windhoek, bei der zwei riesige Bronzetafeln mit dem Brecheisen abmontiert, beschädigt und in den Dreck getreten wurden, danach von einigen beherzten Individuen geborgen, restauriert und wieder öffentlich aufmontiert wurden, ist noch in frischer Erinnerung. Die Verschiebung des Reiterdenkmals könnte in Verbindung mit ähnlichen, den Erhalt und die Pflege der Kolonialdenkmäler betreffenden Maßnahmen nicht nur erörtert, sondern in Angriff genommen werden. Dem Denkmalrat fiele hierbei eine koordinierende Rolle zu, die ihm anscheinend unbekannt ist.
Teil 2 dieser Denkschrift erscheint am 19. Juni 2008 in der AZ.
Literatur
Krynauw, DW. 1964a. Die Alte Feste und der Reiter von Südwest. Windhoek: Afrika-Verlag Der Kreis.
Krynauw, DW. 1964b. Die Alte Feste en die Ruiter van Suidwes. Windhoek: Afrika Verlag der Kreis.
Marais, Christine. 1986. Windhoek: Our heritage/Ons erfenis/Unser Erbe. Windhoek: Gamsberg.
Mossolow, N. 1972. Windhoek: Drei historische Wahrzeichen/Drie geskiedkundige kentekens/Three historical landmarks. Windhoek: John Meinert.
Peters, W. 1981. Baukunst in Südwestafrika: Die Rezeption deutscher Architektur in der Zeit von 1884 bis 1914 im ehemaligen DSWA (Namibia). Windhoek: SWA Wissenschaftliche Gesellschaft.
Vogt, A. 2006. Nationale Denkmäler in Namibia. Ein Inventar der proklamierten nationalen Denkmäler in der Republik Namibia. Gamsberg Macmillan Publishers, Windhoek.
Problemstellung
Durch die namibischen Printmedien kursierte erneut der bereits 2001 gefasste Beschluss des Kabinetts, das Reiterdenkmal in Windhoek zu verschieben. Dabei wurde die Frage offen gelassen, genau wohin es verschoben werden soll (es wurde vage angegeben "vor die Alte Feste"). Ob das Reiterdenkmal dahin passt, dahin gehört und warum es gerade dorthin versetzt werden soll, bleibt im Wesentlichen ungeklärt. Es besteht die akute Gefahr, dass durch unsachgemäße Behandlung des Reiterdenkmals ein Schaden entsteht, der später nicht mehr gutgemacht werden kann. Dieser bedenkliche Beschluss soll dadurch motiviert worden sein, dass am gegenwärtigen Standort des Reiterdenkmals ein dem namibischen Befreiungskampf gewidmetes "Museum" entstehen soll. Es ist fraglich, ob dieser Entscheidung eine denkmalkundliche Analyse zugrunde lag, die die folgenden Aspekte bezüglich einer derartigen Verschiebung in Betracht zieht:
1. Historisches Denkmal
Das Reiterdenkmal ist ein historisches Denkmal, das seit seiner Enthüllung im Jahre 1912 unverändert an seinem Platz steht und bereits verschiedene Regierungswechsel unbeschadet überstanden hat. Das Reiterdenkmal ist eines der prominentesten Wahrzeichen Windhoeks und das bekannteste historische Kriegerdenkmal in Namibia. Zusammen mit der Christuskirche, der Alten Feste und einer Anzahl von historischen Regierungsgebäuden (beispielsweise Tintenpalast und Nationalmuseum/Alte Kaiserliche Realschule) bildet es als Ensemble den historischen Stadtkern Windhoeks. Seine geplante Verschiebung stellt einen Eingriff in ein historisches Denkmalensemble dar, der nicht ohne sorgfältigste und gründlichste Impaktstudien vorgenommen werden sollte.
2. Kunst- und kulturhistorische Einzigartigkeit
Das Reiterdenkmal ist vom kunst- und kulturhistorischen Standpunkt insofern einzigartig, als dass es einen einfachen Reitersoldaten (Schutztruppensoldaten) zu Pferde darstellt. Seit der Antike war ein Denkmal zu Pferde (Reiterdenkmal) nur Kaisern, Königen und Fürsten vorbehalten. Die Würdigung des einfachen Soldaten (eines Unteroffiziers) durch ein Reiterdenkmal ist nicht nur in der europäischen Tradition, sondern auch weltweit einzigartig. Das Reiterdenkmal entspricht somit schon allein deshalb allen Ansprüchen der Einzigartigkeit und der Authentizität, die das Einzeldenkmal in Windhoek aus der Reihe der eher normalen Denkmäler weit herausragen lässt.
3. Das Reiterdenkmal als skulpturales Kunstwerk
Das Reiterdenkmal ist als Bronzeskulptur und mit hoher Detailgenauigkeit ein hochrangiges Kunstwerk. Der Künstler Adolf Kürle schuf mit dem Reiterdenkmal ein Meisterwerk, das die Bildhauer- und Skulpturenkunst des wilhelminischen Deutschlands dokumentiert. Es hat ein Jahrhundert voller historischer Spannungen und grundlegender politischer Umwälzungen unbeschadet überdauert. Das macht das Standbild zu einem besonderen Kulturdenkmal, zumal es obendrein auf afrikanischem Boden steht.
4. Das Reiterdenkmal als besonderes historisches Denkmal
Das Reiterdenkmal hat den politischen Wandel aus der deutschen Kolonialzeit in die Mandatszeit, aus der Mandatszeit in die Zeit der südafrikanischen Kolonialzeit in die namibische Unabhängig unbeschadet überlebt. Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, welche ideologischen Differenzen es in jenen Jahren zwischen den Bevölkerungsgruppen Namibias gab. Bei aller ideologischer Überfrachtung sollte nicht aus dem Auge verloren werden, dass das Reiterdenkmal sowohl ein Teil deutscher Geschichte als auch afrikanischer Geschichte im Kontext der Kolonialgeschichte ist, die es untrennbar mit der afrikanisch-europäischen Geschichte verbindet.
Sein weiterer Erhalt wäre somit im namibisch/afrikanischen, aber auch im deutschen/europäischen Interesse. Gerade an Erhalt und Pflege des Denkmals und seinem behutsamen Umgang ließe sich zudem die Versöhnung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen sichtbar demonstrieren. Eine Verschiebung des Denkmals unter Ausschluss der Meinung diverser Interessenträger käme einer Beeinträchtigung dieser versöhnlichen Haltung entgegen, die von den meisten Namibiern geteilt und praktiziert wird. Wie Dr. Schneider anführt, dass das "Reiterdenkmal nicht angezweifelt werden kann, ein gutes Bekenntnis für die Versöhnung sei", ist zweifelhaft, da bei dem Beschluss, das Denkmal zu verschieben, weder hiesige oder internationale Interessenverbände, noch die Bevölkerung befragt wurden. Die Denkmalverschiebung wurde einseitig vom Kabinett, ohne Parlamentsdebatte, ohne vorher die Stellungnahme des Denkmalrates oder der Öffentlichkeit einzuholen, d.h. von oben und undemokratisch vorgenommen - das soll "versöhnlich" sein? Unverständlich.
5. Das Reiterdenkmal als Krieger- und Soldatendenkmal
Das Reiterdenkmal ist ein Soldaten- und Erinnerungsdenkmal. Es ist dem Gedenken deutscher Soldaten und Zivilisten gewidmet, die in den Kolonialkriegen gefallen und umgekommen sind. Andere Denkmäler (z.B. die der Herero in Okahandja) erinnern an deren Helden; das Reiterdenkmal ist daher ein integraler Bestandteil der Soldaten- und Kriegerdenkmäler in Namibia. Von diesen sind eine ganze Reihe aus den verschiedensten Epochen anzutreffen, die auf Namibias konfliktreiche Vergangenheit hinweisen. Inzwischen kommen neue Soldatengräber aus den Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und Angola hinzu, und auch neue Soldatendenkmäler entstehen, wie z.B. der Heldenacker in Windhoek. Namibias konfliktreiche Vergangenheit ragt demnach in die Gegenwart hinein, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch in die Zukunft, wie die nicht übersehbare Militarisierung der namibischen Nation durch die wachsende Zahl bewaffneter Soldaten in den Städten und die Militärparaden wie zum Heldenempfang der Rückkehrer aus dem Kongo u.ä. in der Vergangenheit belegen.
Da in einem Krieg der Staat seine Bürger zum Krieg aufruft, obliegt ihm die Pflicht der Aufstellung, Erhaltung und Pflege eines jeden Kriegerdenkmals, so wie ein Soldat das Recht auf Anerkennung seiner im Krieg erbrachten Leistung hat. Diese Pflicht und dieses Recht leiten sich aus dem Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Bürger ab und dürfen nicht grundlos vernachlässigt werden. Hinsichtlich des Erhalts oder der Verschiebung des Reiterdenkmals hat daher nicht nur die namibische, sondern auch die deutsche Regierung eine eindeutige Haltung einzunehmen.
Zu allen Zeiten und in allen Kulturen wurden zu den unterschiedlichsten Anlässen und für die unterschiedlichsten Personen Denkmäler aufgestellt. Diese zu respektieren und zu pflegen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist allerdings verständlich, wenn Standbilder von Despoten wie Frankreichs Ludwig XIV. oder von Diktatoren wie Stalin oder Hitler gestürzt werden. Diese verachteten die Völker, die sie gleichzeitig unterdrückten. Der Sturz derartiger Denkmäler ist daher verständlich. Im Soldatendenkmal dahingegen wird der Einsatz des Soldaten gewürdigt, der sein eigenes Leben unfreiwillig, aus Pflichtgefühl und auf staatliche Anordnung hin im Interesse des Gemeinwohls aufs Spiel setzt und dabei selbst oft untergeht. Dies ist der grundlegende Unterschied zwischen einem Denkmal, das politischem Personenkult dient, und einem Soldatendenkmal, das den persönlichen Einsatz, die Selbstüberwindung, die Strapazen, die Aufopferung und Entbehrungen, die der Soldat auf sich nimmt, auf angemessene Art und Weise würdigt.
Insofern ist es auch unangemessen, einem Soldatendenkmal eine rein politische Bedeutung beizumessen oder ihm eine ausschließlich ideologische Funktion zukommen zu lassen. Dieses würde der Vielschichtigkeit, die ein bedeutendes Denkmal nun einmal hat, nur Abbruch tun. Niemandem würde es einfallen, die Popularität und Bedeutung des Reiterdenkmals, das in breiten Schichten der Bevölkerung anerkannt wird und auch kontrovers diskutiert wird - aus welchen Gründen auch immer - in Frage zu stellen. Das beweist aber, dass es sich um ein bedeutendes Denkmal handelt, denn sonst wäre es längst vergessen. Es ruft jedoch immer wieder dazu auf, sich auf seine Geschichte zu besinnen bzw. diese zu hinterfragen. Als solches ist es auch ein Mahnmal, das daran erinnert, dass der Verlust eines Menschenlebens im Kriege nie und nimmer durch die Errichtung eines - wie auch immer großartig gestalteten - Denkmals ersetzt werden kann.
Wenn also die Regierung das Reiterdenkmal leichtfertig für eine politische Demonstration oder billige Machtgeste benutzen sollte, kann dieses leicht die gegenteilige Wirkung hervorrufen. Die damalige Reiterinitiative hatte bereits gezeigt, was aus einem unüberlegten Impuls bezüglich des Reiterdenkmals wurde. Die Regierung täte gut daran, es sich - im eigenen Interesse - genau zu überlegen, das Reiterdenkmal zu verschieben. Denn auf den "Erfolg" würde sehr schnell die Ernüchterung folgen. Es wäre kaum wieder gutzumachen, den "Reiter" für alle Zeiten von seinem angestammten Platze zu entfernen - und womöglich noch dabei zu beschädigen - und erst danach festzustellen, dass es bei einigen Teilen der Bevölkerung die gegenteilige Wirkung hervorgerufen hat. Dadurch würde sie sich - wenn es zu einem Misserfolg kommen sollte, was mit aller Wahrscheinlichkeit eintreten wird - nur selber schaden. Es ist aber die Aufgabe der Bevölkerung, die Regierung vermittels einer Behörde wie den Denkmalrat, der ja gemäß seines eigenen Namens die Regierung und Öffentlichkeit in Sachen Denkmalschutz berät, diese rechtzeitig, professionell, nüchtern und unvoreingenommen davon zu unterrichten und auf möglichen Schaden sowohl wie am Denkmal als auch für das Image der Regierung hinzuweisen.
6. Ethik
Ethisch gesehen sind Erhalt und Pflege eines Denkmals ebenso wie die eines Grabdenkmals oder Friedhofs eine Frage der Pietät. Erhalt und Pflege derselben ist in den verschiedensten Kulturkreisen üblich. Aus diesem Grund wäre die Verschiebung des Reiterdenkmals nicht nur pietätlos, sondern eine rücksichtslose und unzivilisierte Handlung. Eine Verschiebung des Reiterdenkmals kann nur erfolgen, wenn wirklich zwingende Gründe vorliegen. Die Errichtung eines Museums stellt keinen zwingenden Grund dar, da es genügend freie Räume und Plätze in Windhoek gibt, an denen ein Museum gebaut und eingerichtet werden kann, z.B. in dem Bereich zwischen Staatsmuseum und Zentralbank, da sich ein Freiheitsmuseum dort gut einreihen ließe. Für den Heldenacker in den Auasbergen wurde auch eine angemessene Lokalität ausfindig gemacht, das Reiterdenkmal stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar.
7. Das Reiterdenkmal als sakrales Monument
Als Soldatendenkmal wurde das Reiterdenkmal nach seiner Aufstellung im Jahre 1912 von Geistlichen beider (protestantischer und katholischer) Konfessionen geweiht. Alljährlich finden am Reiterdenkmal Versammlungen von verschiedenen Veteranenverbänden mit Mitgliedern verschiedener Kongregationen und verschiedener Sprachgruppen statt, die dort Kranzniederlegungen usw. vornehmen. Dieser Brauch lebt ununterbrochen bis in die Gegenwart fort und würde durch die Verschiebung des Denkmals entscheidend gestört. In dieser Hinsicht ist das Reiterdenkmal eine Gedenkstätte mit sakralem Status und daher sakrosankt.
Eine Verschiebung käme der Verlegung eines Kirchengebäudes, das noch durch seine Gemeinde genutzt wird, gleich. Ein solcher Schritt würde daher der groben Verletzung der Rechte einer solchen Gemeinde gleichkommen und sollte daher unterlassen werden. Den Windhoeker Einwohnern ist der Abriss einer Missionskirche in Ludwigsdorf im Jahre 1994 in Erinnerung, die die Gefühle der Ein- und Anwohner empfindlich verletzt hat. An deren Stelle sind stillose Prunkvillen entstanden, die historische Denkmalslandschaft hat dort Einbußen hinnehmen müssen. Eine Wiederholung eines derartigen Vorfalls ist unter allen Umständen zu vermeiden. Die Kirchen beider Konfessionen sollten sich auch eindeutig zu der beabsichtigten Verschiebung des Denkmals äußern, da sie es seinerzeit weihten. Wie bei einer Umbettung der Gebeine verstorbener Menschen sollte auch ein Denkmal angemessen und würdig behandelt werden.
Namibische Kulturträger wie z.B. der Deutsche Kulturrat sollten sich hinsichtlich der Verschiebung des Reiterdenkmals ebenfalls einklinken und entschieden die Unterlassung der Verschiebung fordern. Sollte der Reiter doch verschoben werden, sollte unter Umständen ein geeignetes Gelände angekauft, der Reiter fachmännisch transloziert und eine angemessene Weihestätte geschaffen werden. Die Entfernung der Erinnerungstafeln katholischer Schutztruppenangehöriger aus der St. Mary's Cathedral in Windhoek, bei der zwei riesige Bronzetafeln mit dem Brecheisen abmontiert, beschädigt und in den Dreck getreten wurden, danach von einigen beherzten Individuen geborgen, restauriert und wieder öffentlich aufmontiert wurden, ist noch in frischer Erinnerung. Die Verschiebung des Reiterdenkmals könnte in Verbindung mit ähnlichen, den Erhalt und die Pflege der Kolonialdenkmäler betreffenden Maßnahmen nicht nur erörtert, sondern in Angriff genommen werden. Dem Denkmalrat fiele hierbei eine koordinierende Rolle zu, die ihm anscheinend unbekannt ist.
Teil 2 dieser Denkschrift erscheint am 19. Juni 2008 in der AZ.
Literatur
Krynauw, DW. 1964a. Die Alte Feste und der Reiter von Südwest. Windhoek: Afrika-Verlag Der Kreis.
Krynauw, DW. 1964b. Die Alte Feste en die Ruiter van Suidwes. Windhoek: Afrika Verlag der Kreis.
Marais, Christine. 1986. Windhoek: Our heritage/Ons erfenis/Unser Erbe. Windhoek: Gamsberg.
Mossolow, N. 1972. Windhoek: Drei historische Wahrzeichen/Drie geskiedkundige kentekens/Three historical landmarks. Windhoek: John Meinert.
Peters, W. 1981. Baukunst in Südwestafrika: Die Rezeption deutscher Architektur in der Zeit von 1884 bis 1914 im ehemaligen DSWA (Namibia). Windhoek: SWA Wissenschaftliche Gesellschaft.
Vogt, A. 2006. Nationale Denkmäler in Namibia. Ein Inventar der proklamierten nationalen Denkmäler in der Republik Namibia. Gamsberg Macmillan Publishers, Windhoek.
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