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Stief Vexierbilder und Helden mit Maulbinden

Eberhard Hofmann
Die Luthersche Bibelübersetzung wäre jetzt total unmöglich, weil der verfolgte Mönch dem Volk nich mehr aufs Maul schauen könnte. Und die Übersetzung hätte an Treffkraft verloren. Niemand hätte gedacht, dass Gesichtsmasken im Corona-Mummenschanz und Covid-Mumpitz die Bedeutung von Bauch- und Monatsbinden überflügeln könnten. Das hat auch Folgen für Paparazzi und Fotoarchive der Zeitungen, die das bestehende, unvermummte Porträt der Akteure, Helden, der Oukies und Tussies durch maskiertes Antlitz ersetzen müssen, um beiden, sowohl der blanken als auch der verhüllten Visage gerecht zu werden.

Die Gesichtsmaske, die wechselseitig den Mitmenschen vor Deinem Ausatmen, Niesen und Hustengebell schützen soll, bietet also gleichzeitig Schutz vor Leuten, die im Gespräch und der Anrede ansonsten „feucht“ mit Dir reden. Die können Dich eben nich mehr zufällig besprühen, vor allem wenn die Dir selbst schon mit Maulbinde begegnen. Soweit der Hygiene-Effekt.

Es besteht aber allseits der Wunsch, dass die Binde vor allem jene Mäuler und Schnuten verschnüren möge, die ständig ´nen Haufen Kokolores, Stuss und Fäik Niuhs in die Welt setzen, ums nur milde auszudrükken. Maulbinde sozusagen als Feinsieb, das nur Wahres und Authentisches durchlässt. Und das Ausgesiebte muss der Verursacher am besten selbst wieder schlucken. Hätte die Maulbinde diese Eigenschaft und Funktion, wären die Haushaltsreden der Minister in der Nationalversammlung um mindestens die Hälfte gekürzt, was zur Zeiteinsparung führen würde.

Andersrum würde ein Bartheken- und Shebeenbesuch bleddy langweilig ausfallen, denn die Maulbinde müsste dem Stammzecher, dem Plauderer, Schwätzer und Klöner – beiderlei Geschlechts, das versteht sich ohne Genderfimmel – ständig das Wort abschneiden und seine Wortmeldung bis zur Unkenntlichkeit zensieren, insofern der Alkoholkonsum das nich schon vorweggenommen hat.

Ein schlimmer Effekt der übertriebenen Maskerade is der affige Auftritt der Mehrzahl der Interviewten vor der Fernsehkamera, die den bleddy Lappie net nich von der Visage nehmen, obwohl der gebotene Abstand vom Nächsten und gewiss vom Fernsehpublikum von selbst gegeben is.

Wer will denn schon dem gefilterten Lappiegemurmel folgen? Kinder und Laffen?

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-25

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