Sudans schwierige Altlast: Wer richtet über Al-Baschir?
Von Jürgen Bätz und Annette Birschel, dpa
Khartum/Den Haag (dpa) - Jahrelang ließ Sudans Machthaber Omar al-Baschir seine Kritiker im berüchtigten Gefängnis von Khartum einsperren. Nun sitzt der 75-Jährige selbst dort und blickt wohl bange in die Zukunft. Einen Prozess wollen sowohl die Anführer des Militärputsches, die ihn im April stürzten, als auch die Opposition. Doch die Frage ist: Wer wird über ihn richten?
"Al-Baschir ist ein Mörder", heißt es auf den Plakaten bei den Massenprotesten im Sudan und auch: "Al-Baschir ausliefern" oder "Blut für Blut - wir akzeptieren kein Blutgeld".
Erstmals besteht die Chance, dass Al-Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert wird. Das Gericht sucht ihn seit 2009 wegen Völkermordes und Kriegsverbrechen in der westlichen Krisenprovinz Darfur. Doch die Militärführung will einen Prozess im Sudan. Und Teile der Opposition fordern die Todesstrafe, die es beim Weltstrafgericht nicht gibt.
"Ein Verfahren im Sudan ist momentan wahrscheinlicher, weil beide Seiten sich darauf einigen könnten", sagte Politikprofessor Haj Hamad von der Universität des Sudans in Khartum. Allerdings ist fraglich, ob die Justiz im Sudan dazu überhaupt in der Lage ist. Oppositionelle mahnen, dass zunächst die Justiz wieder unabhängig werden muss.
Die Generäle sagen zwar, dass sie die Entscheidung über eine Auslieferung einer künftigen Zivilregierung überlassen würden. Doch wie ernst kann man das nehmen? Denn bei einem Prozess in Den Haag würde auch ihre Rolle im Darfur-Konflikt ans Licht kommen.
Knapp 5000 Kilometer Luftlinie entfernt äußert sich das Weltstrafgericht in Den Haag nicht zum Fall. Dabei hätten die Ankläger allen Grund zum Jubel: Schließlich wollen sie Al-Baschir schon ein ganzes Jahrzehnt lang vor Gericht bringen. Doch der Fall könnte sich auch wie ein Bumerang gegen das Gericht wenden.
2005 hatte der UN-Sicherheitsrat das Gericht mit Ermittlungen zu Verbrechen in Darfur beauftragt. Etwa 300 000 Menschen wurden dort seit 2003 ermordet, über zwei Millionen vertrieben. 2009 erließ die Anklage erstmals einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef.
Und dann? Nichts. Die Ermittler durften nie nach Darfur reisen, sondern Zeugen nur in ausländischen Flüchtlingslagern befragen. Al-Baschir aber reiste trotz Haftbefehls munter durch die Region und mehrfach auch in Vertragsstaaten des Gerichts, wie 2015 Südafrika und 2017 Jordanien. Sie liessen ihn unbehelligt und beriefen sich auf die Immunität des Staatschefs. Die aber galt nicht, bekräftigten die Richter am Montag.
Die Auslieferung würde dem Weltstrafgericht gut tun, sagte der Professor für internationales Strafrecht an der Universität Leiden, Carsten Stahn, der Deutschen Presse-Agentur. "Das wäre ein wichtiges Signal zugunsten des Gerichts, dessen Bilanz ja eher mager ist."
Das ist eher eine Untertreibung. In den 16 Jahren des Bestehens gab es nur drei Schuldsprüche. Alle Verfahren gegen hohe Staatsfunktionäre endeten für die Anklage als Fiasko. Der Prozess gegen Kenias Präsidenten Uhuru Kenyatta wurde eingestellt. Zuletzt wurden der ehemalige Vize-Präsident des Kongo, Jean-Pierre Bemba und der Ex-Präsident der Elfenbeinküste Laurent Gbagbo frei gesprochen.
Einen weiteren Fehlschlag kann sich das Gericht schlicht nicht leisten, sagte die Expertin für internationales Recht am Asser-Institut in Den Haag, Marta Bo: "Am Ende könnte ein schwacher Fall gegen Al-Baschir schwere Auswirkungen haben auf die Glaubwürdigkeit und Legitimität des Gerichts."
Chefanklägerin Fatou Bensouda berichtete zwar noch im Dezember 2018: "Große Fortschritte wurden vom Darfur-Ermittlungs-Team erzielt". Doch Beobachter sprechen von einer dürftigen Beweislage. "Wenn man das Staatsoberhaupt angehen will, dann braucht man Insider-Zeugen", sagte der deutsche Professor Stahn, "und da sieht es bisher dünn aus."
Khartum/Den Haag (dpa) - Jahrelang ließ Sudans Machthaber Omar al-Baschir seine Kritiker im berüchtigten Gefängnis von Khartum einsperren. Nun sitzt der 75-Jährige selbst dort und blickt wohl bange in die Zukunft. Einen Prozess wollen sowohl die Anführer des Militärputsches, die ihn im April stürzten, als auch die Opposition. Doch die Frage ist: Wer wird über ihn richten?
"Al-Baschir ist ein Mörder", heißt es auf den Plakaten bei den Massenprotesten im Sudan und auch: "Al-Baschir ausliefern" oder "Blut für Blut - wir akzeptieren kein Blutgeld".
Erstmals besteht die Chance, dass Al-Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert wird. Das Gericht sucht ihn seit 2009 wegen Völkermordes und Kriegsverbrechen in der westlichen Krisenprovinz Darfur. Doch die Militärführung will einen Prozess im Sudan. Und Teile der Opposition fordern die Todesstrafe, die es beim Weltstrafgericht nicht gibt.
"Ein Verfahren im Sudan ist momentan wahrscheinlicher, weil beide Seiten sich darauf einigen könnten", sagte Politikprofessor Haj Hamad von der Universität des Sudans in Khartum. Allerdings ist fraglich, ob die Justiz im Sudan dazu überhaupt in der Lage ist. Oppositionelle mahnen, dass zunächst die Justiz wieder unabhängig werden muss.
Die Generäle sagen zwar, dass sie die Entscheidung über eine Auslieferung einer künftigen Zivilregierung überlassen würden. Doch wie ernst kann man das nehmen? Denn bei einem Prozess in Den Haag würde auch ihre Rolle im Darfur-Konflikt ans Licht kommen.
Knapp 5000 Kilometer Luftlinie entfernt äußert sich das Weltstrafgericht in Den Haag nicht zum Fall. Dabei hätten die Ankläger allen Grund zum Jubel: Schließlich wollen sie Al-Baschir schon ein ganzes Jahrzehnt lang vor Gericht bringen. Doch der Fall könnte sich auch wie ein Bumerang gegen das Gericht wenden.
2005 hatte der UN-Sicherheitsrat das Gericht mit Ermittlungen zu Verbrechen in Darfur beauftragt. Etwa 300 000 Menschen wurden dort seit 2003 ermordet, über zwei Millionen vertrieben. 2009 erließ die Anklage erstmals einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef.
Und dann? Nichts. Die Ermittler durften nie nach Darfur reisen, sondern Zeugen nur in ausländischen Flüchtlingslagern befragen. Al-Baschir aber reiste trotz Haftbefehls munter durch die Region und mehrfach auch in Vertragsstaaten des Gerichts, wie 2015 Südafrika und 2017 Jordanien. Sie liessen ihn unbehelligt und beriefen sich auf die Immunität des Staatschefs. Die aber galt nicht, bekräftigten die Richter am Montag.
Die Auslieferung würde dem Weltstrafgericht gut tun, sagte der Professor für internationales Strafrecht an der Universität Leiden, Carsten Stahn, der Deutschen Presse-Agentur. "Das wäre ein wichtiges Signal zugunsten des Gerichts, dessen Bilanz ja eher mager ist."
Das ist eher eine Untertreibung. In den 16 Jahren des Bestehens gab es nur drei Schuldsprüche. Alle Verfahren gegen hohe Staatsfunktionäre endeten für die Anklage als Fiasko. Der Prozess gegen Kenias Präsidenten Uhuru Kenyatta wurde eingestellt. Zuletzt wurden der ehemalige Vize-Präsident des Kongo, Jean-Pierre Bemba und der Ex-Präsident der Elfenbeinküste Laurent Gbagbo frei gesprochen.
Einen weiteren Fehlschlag kann sich das Gericht schlicht nicht leisten, sagte die Expertin für internationales Recht am Asser-Institut in Den Haag, Marta Bo: "Am Ende könnte ein schwacher Fall gegen Al-Baschir schwere Auswirkungen haben auf die Glaubwürdigkeit und Legitimität des Gerichts."
Chefanklägerin Fatou Bensouda berichtete zwar noch im Dezember 2018: "Große Fortschritte wurden vom Darfur-Ermittlungs-Team erzielt". Doch Beobachter sprechen von einer dürftigen Beweislage. "Wenn man das Staatsoberhaupt angehen will, dann braucht man Insider-Zeugen", sagte der deutsche Professor Stahn, "und da sieht es bisher dünn aus."
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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