Sue, die Botschafterin aus dem Jenseits
Sie will mit Verstorbenen sprechen, in die Vergangenheit schauen und die Zukunft lesen können: Sue, das Medium. Die vermeintliche Hellseherin aus Südafrika ist seit Ende November beruflich in Namibia. Bis zu ihrer Abreise am kommenden Donnerstag wird sie für mehr als 200 Namibier die Zukunft geweissagt, einen Einblick in vergangene Leben gewährt und Kontakte zum Jenseits geknüpft haben.
Bisher seien alle vollauf begeistert aus der Sitzung mit Sue gekommen, sagt Veranstalterin Conny Pimenta. Mit Ausnahme von zwei Kandidatinnen: der WAZon-Redakteurin und einer schwarzen Frau aus Windhoek. Letztere hatte sich nach ihrem Treffen mit der Hellseherin beschwert und sie der Hochstaplerei bezichtigt. Nach Rücksprache mit Sue glaubte Pimenta zu wissen warum: "Ich habe gesehen, dass ihre Mutter noch vor Weihnachten versterben wird. Wie hätte ich ihr das sagen können?", brachte Sue zu ihrer Verteidigung hervor. Pimenta erfährt es zufällig, als sie einer Freundin der unzufriedenen Klientin begegnet: Die Mutter der Kandidatin ist tatsächlich einige Tage vor Heilig Abend einem Gehirntumor erlegen.
Sue will es gewusst haben. So, wie sie schon als Vierjährige wusste, dass ihre kleine Schwester sterben wird. "Meine Mutter war dabei, das Baby ins Bett zu legen", erinnert sich Sue. "Ich habe ihr gesagt, sie soll es nicht tun, weil die Engel da sind, um sie zu holen. Einige Minuten später war meine Schwester verschieden."
Sue du Randt wurde in Benoni in der Gauteng Provinz, Südafrika, geboren. Sie wuchs in einer konservativen afrikaansen Familie in Kensington, Johannesburg, auf. Ihre Mutter, erzählt sie, sei von den Anzeichen übersinnlicher Wahrnehmung bei ihrem Kind gar nicht begeistert gewesen. Wenn Sue mal wieder von Engeln sprach, gab es Haue. Auch als sie bei einer Familienfeier ihrer Teenager-Cousine hinterherblickte, die gerade auf dem Weg vom Garten in die Küche war. "Ich sehe ein Baby in deinem Bauch, es ist ein Junge!", will die neunjährige Sue fröhlich in die Runde gerufen haben. Hinterher setzte es Schläge. Und als dann, wenige Wochen später, die Cousine verheiratet wurde, da durfte Sue nicht mit zur Trauung. "Die Familie hatte Angst, ich würde in der Kirche verraten, dass meine Cousine unehelich geschwängert wurde", erzählt Sue und lacht.
Wenn sie lacht, wird eine Reihe schiefer Zähne sichtbar. Sue sehe aus wie eine einfache Hausfrau, und deshalb sei sie sehr skeptisch in die Sitzung gegangen, erinnert sich Karen* aus Windhoek. Karen ist Anfang Dreißig und Anwältin. Sie hat schon immer an Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten geglaubt. Aber sie ist vorsichtig. Es sind so viele Schwindler unterwegs. Von Sue ist sie dennoch mehr oder weniger überzeugt. Sie hatte das Medium um Kontaktaufnahme mit ihrer verstorbenen Lieblingstante gebeten. "Crossing over" nennt Sue das, denn sie glaubt daran, dass der Geist oder die Seele eines Menschen in eine andere Dimension wandert und irgendwann wiedergeboren wird. Ihre Tante sei immer bei ihr, hatte Sue aus dem Jenseits übersetzt. "Das wusste ich sowieso", sagt Karen. "Egal ob Sue es sagt oder nicht. Ich habe ihre Nähe immer um mich gespürt."
Karen hatte auch nach ihrem Großvater gefragt. Sue meinte, sie könne ihn "auf der anderen Seite sehen". Er sei aber noch am Leben, entgegnete Karen. Ja, aber er habe nicht mehr lange. Vielleicht vier bis fünf Monate, so Sue. "Ich hatte das Gefühl, sie meint vier bis fünf Tage - vielleicht wollte sie rücksichtsvoll sein", sagt Karen. Der Großvater verstarb vier Tage nach ihrem Treffen mit Sue. Er war 97 Jahre alt.
Auch Ex-Journalistin Erica Gebhardt besuchte Sue. "Sie wusste, dass ich meinen Job gekündigt habe, und sie wusste, dass meine Großmutter verstorben ist", erzählt die junge Namibierin. "Meine Großmutter war ein interessanter Charakter. Die Art, wie Sue sie beschrieben hat, war einfach passend." Es war bereits das zweite Mal, dass Gebhardt mit dem Medium sprach. Als im vergangenen Jahr der Fund der Leiche einer jungen enthaupteten Frau in Namibia Schlagzeilen machte, rief die Journalistin bei der Hellseherin in Südafrika an. Die Polizei war dabei. Sues Beschreibung des Ortes, an dem der vermisste Kopf zu finden sei, war zutreffend, sagt Gebhardt, "auch wenn wir erst am falschen Ort gesucht haben". Sue gab auch eine Beschreibung des Täters und seines Wagens. Die Polizei hat bis dato allerdings keine Festnahme vermelden können.
Viele Antworten des Mediums seien repetitiv, gibt die ehemalige Journalistin, jetzt Werbetexterin, zu. So sind Liebesbeteuerungen der Geister aus der Vergangenheit an der Tagesordnung. "Wir sind bei dir. Wir lieben dich. Wir sind stolz auf dich", so lauten die Botschaften. Oft reden sie von hinterlassenem Schmuck, der bei anderen Verwandten hinterlegt ist, aber seinen rechtmäßigen Erben in der Crossing-Over-Kandidatin finden muss. Meist bringen sie einen Strauß Blumen mit und gegen Ende der Sitzung Luftballons. "Die Luftballons heißen 'Happy Birthday`", sagt Sue dann mit breitem Lächeln. "Hattest du gerade Geburtstag? Hat jemand anderes in der Familie bald Geburtstag?", testet sie anschließend. Beate*, 25, Managerin von Beruf und seit kurzem Mutter, hatte sich über die Ballons riesig gefreut, denn ihr Geburtstag stand kurz bevor. Die übertragenen Glückwünsche kamen von ihrer Mutter, die Beates Hochzeit und die Geburt ihrer Enkeltochter nicht mehr erlebt hatte, aber laut Sue überall dabei gewesen ist. Auch Karen hatte von ihrer Tante mündlich überreichte Luftballons bekommen, nur einen Tag nach dem Geburtstag ihrer Mutter. Beide klingen erstmals skeptisch und enttäuscht, als sie hören, dass viele Crossing-over-Kandidaten solche Gratulationen aus dem Jenseits erhalten.
Eine "hundertprozentige Trefferquote" könne man niemals erwarten, wendet Klaus* ein, der sich schon mehrere Jahre mit dem Phänomen übersinnlicher Wahrnehmung beschäftigt und Esoterik-Bücher liest. Doch ihm habe das Treffen mit Sue viel gebracht, erzählt der 45-jährige Unternehmer. Er habe unter anderem mit seiner verstorbenen Frau kommuniziert. "Ich hatte Sue nicht erzählt wie sie gestorben ist - Nachts, an einem Herzinfarkt, neben mir im Bett. Meine Frau hat sich entschuldigt, dass sie sich nicht verabschiedet hatte. Denn sie wusste schon zwei Tage vorher, dass ihre Zeit gekommen war", sagt Klaus nach seinem Treffen mit Sue. Beweis dafür, dass Sue nicht einfach nur gut rät, sind ihm Aussagen eines weiteren kontaktierten Verstorbenen. Aber das sind private Dinge, über die er nicht sprechen möchte.
Hat Sue du Randt wirklich übersinnliche Kräfte oder ist sie einfach eine gewiefte Menschenkennerin? "Es hängt von dir selbst ab, ob es funktioniert", glaubt Karen. "Das ist wie mit deinem Frauenarzt - jede Frau schwört auf ihren eigenen Gynäkologen." Um die 300 Namibia-Dollar, die sie für eine Stunde mit der Hellseherin bezahlt hat, tue es ihr jedenfalls nicht leid. "Ich hätte das Geld auch für eine Massage ausgeben können, doch die hätte mich nicht halb so happy gemacht wie die Sitzung mit Sue. Aber die Sache mit den Luftballons - die macht mich sauer!"
* Name auf Wunsch des Interviewpartners geändert
Bisher seien alle vollauf begeistert aus der Sitzung mit Sue gekommen, sagt Veranstalterin Conny Pimenta. Mit Ausnahme von zwei Kandidatinnen: der WAZon-Redakteurin und einer schwarzen Frau aus Windhoek. Letztere hatte sich nach ihrem Treffen mit der Hellseherin beschwert und sie der Hochstaplerei bezichtigt. Nach Rücksprache mit Sue glaubte Pimenta zu wissen warum: "Ich habe gesehen, dass ihre Mutter noch vor Weihnachten versterben wird. Wie hätte ich ihr das sagen können?", brachte Sue zu ihrer Verteidigung hervor. Pimenta erfährt es zufällig, als sie einer Freundin der unzufriedenen Klientin begegnet: Die Mutter der Kandidatin ist tatsächlich einige Tage vor Heilig Abend einem Gehirntumor erlegen.
Sue will es gewusst haben. So, wie sie schon als Vierjährige wusste, dass ihre kleine Schwester sterben wird. "Meine Mutter war dabei, das Baby ins Bett zu legen", erinnert sich Sue. "Ich habe ihr gesagt, sie soll es nicht tun, weil die Engel da sind, um sie zu holen. Einige Minuten später war meine Schwester verschieden."
Sue du Randt wurde in Benoni in der Gauteng Provinz, Südafrika, geboren. Sie wuchs in einer konservativen afrikaansen Familie in Kensington, Johannesburg, auf. Ihre Mutter, erzählt sie, sei von den Anzeichen übersinnlicher Wahrnehmung bei ihrem Kind gar nicht begeistert gewesen. Wenn Sue mal wieder von Engeln sprach, gab es Haue. Auch als sie bei einer Familienfeier ihrer Teenager-Cousine hinterherblickte, die gerade auf dem Weg vom Garten in die Küche war. "Ich sehe ein Baby in deinem Bauch, es ist ein Junge!", will die neunjährige Sue fröhlich in die Runde gerufen haben. Hinterher setzte es Schläge. Und als dann, wenige Wochen später, die Cousine verheiratet wurde, da durfte Sue nicht mit zur Trauung. "Die Familie hatte Angst, ich würde in der Kirche verraten, dass meine Cousine unehelich geschwängert wurde", erzählt Sue und lacht.
Wenn sie lacht, wird eine Reihe schiefer Zähne sichtbar. Sue sehe aus wie eine einfache Hausfrau, und deshalb sei sie sehr skeptisch in die Sitzung gegangen, erinnert sich Karen* aus Windhoek. Karen ist Anfang Dreißig und Anwältin. Sie hat schon immer an Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten geglaubt. Aber sie ist vorsichtig. Es sind so viele Schwindler unterwegs. Von Sue ist sie dennoch mehr oder weniger überzeugt. Sie hatte das Medium um Kontaktaufnahme mit ihrer verstorbenen Lieblingstante gebeten. "Crossing over" nennt Sue das, denn sie glaubt daran, dass der Geist oder die Seele eines Menschen in eine andere Dimension wandert und irgendwann wiedergeboren wird. Ihre Tante sei immer bei ihr, hatte Sue aus dem Jenseits übersetzt. "Das wusste ich sowieso", sagt Karen. "Egal ob Sue es sagt oder nicht. Ich habe ihre Nähe immer um mich gespürt."
Karen hatte auch nach ihrem Großvater gefragt. Sue meinte, sie könne ihn "auf der anderen Seite sehen". Er sei aber noch am Leben, entgegnete Karen. Ja, aber er habe nicht mehr lange. Vielleicht vier bis fünf Monate, so Sue. "Ich hatte das Gefühl, sie meint vier bis fünf Tage - vielleicht wollte sie rücksichtsvoll sein", sagt Karen. Der Großvater verstarb vier Tage nach ihrem Treffen mit Sue. Er war 97 Jahre alt.
Auch Ex-Journalistin Erica Gebhardt besuchte Sue. "Sie wusste, dass ich meinen Job gekündigt habe, und sie wusste, dass meine Großmutter verstorben ist", erzählt die junge Namibierin. "Meine Großmutter war ein interessanter Charakter. Die Art, wie Sue sie beschrieben hat, war einfach passend." Es war bereits das zweite Mal, dass Gebhardt mit dem Medium sprach. Als im vergangenen Jahr der Fund der Leiche einer jungen enthaupteten Frau in Namibia Schlagzeilen machte, rief die Journalistin bei der Hellseherin in Südafrika an. Die Polizei war dabei. Sues Beschreibung des Ortes, an dem der vermisste Kopf zu finden sei, war zutreffend, sagt Gebhardt, "auch wenn wir erst am falschen Ort gesucht haben". Sue gab auch eine Beschreibung des Täters und seines Wagens. Die Polizei hat bis dato allerdings keine Festnahme vermelden können.
Viele Antworten des Mediums seien repetitiv, gibt die ehemalige Journalistin, jetzt Werbetexterin, zu. So sind Liebesbeteuerungen der Geister aus der Vergangenheit an der Tagesordnung. "Wir sind bei dir. Wir lieben dich. Wir sind stolz auf dich", so lauten die Botschaften. Oft reden sie von hinterlassenem Schmuck, der bei anderen Verwandten hinterlegt ist, aber seinen rechtmäßigen Erben in der Crossing-Over-Kandidatin finden muss. Meist bringen sie einen Strauß Blumen mit und gegen Ende der Sitzung Luftballons. "Die Luftballons heißen 'Happy Birthday`", sagt Sue dann mit breitem Lächeln. "Hattest du gerade Geburtstag? Hat jemand anderes in der Familie bald Geburtstag?", testet sie anschließend. Beate*, 25, Managerin von Beruf und seit kurzem Mutter, hatte sich über die Ballons riesig gefreut, denn ihr Geburtstag stand kurz bevor. Die übertragenen Glückwünsche kamen von ihrer Mutter, die Beates Hochzeit und die Geburt ihrer Enkeltochter nicht mehr erlebt hatte, aber laut Sue überall dabei gewesen ist. Auch Karen hatte von ihrer Tante mündlich überreichte Luftballons bekommen, nur einen Tag nach dem Geburtstag ihrer Mutter. Beide klingen erstmals skeptisch und enttäuscht, als sie hören, dass viele Crossing-over-Kandidaten solche Gratulationen aus dem Jenseits erhalten.
Eine "hundertprozentige Trefferquote" könne man niemals erwarten, wendet Klaus* ein, der sich schon mehrere Jahre mit dem Phänomen übersinnlicher Wahrnehmung beschäftigt und Esoterik-Bücher liest. Doch ihm habe das Treffen mit Sue viel gebracht, erzählt der 45-jährige Unternehmer. Er habe unter anderem mit seiner verstorbenen Frau kommuniziert. "Ich hatte Sue nicht erzählt wie sie gestorben ist - Nachts, an einem Herzinfarkt, neben mir im Bett. Meine Frau hat sich entschuldigt, dass sie sich nicht verabschiedet hatte. Denn sie wusste schon zwei Tage vorher, dass ihre Zeit gekommen war", sagt Klaus nach seinem Treffen mit Sue. Beweis dafür, dass Sue nicht einfach nur gut rät, sind ihm Aussagen eines weiteren kontaktierten Verstorbenen. Aber das sind private Dinge, über die er nicht sprechen möchte.
Hat Sue du Randt wirklich übersinnliche Kräfte oder ist sie einfach eine gewiefte Menschenkennerin? "Es hängt von dir selbst ab, ob es funktioniert", glaubt Karen. "Das ist wie mit deinem Frauenarzt - jede Frau schwört auf ihren eigenen Gynäkologen." Um die 300 Namibia-Dollar, die sie für eine Stunde mit der Hellseherin bezahlt hat, tue es ihr jedenfalls nicht leid. "Ich hätte das Geld auch für eine Massage ausgeben können, doch die hätte mich nicht halb so happy gemacht wie die Sitzung mit Sue. Aber die Sache mit den Luftballons - die macht mich sauer!"
* Name auf Wunsch des Interviewpartners geändert
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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